Musik

Das “Zillche” 2023: sehr bunt, sehr vital, sehr sehenswert

                  Die Cäcilia Wolkenburg erneut spitzenmäßig

Da gibt es einen Mann, der sich nach seinem Schauspielstudium dem Musiktheater zugewandt und bundesweit eine Fülle von gefeierten Inszenierungen abgeliefert hat. Und der dazu auch noch ein echter Rheinländer ist. Kein Wunder, daß die Cäcilia Wolkenburg, die Bühnengemeinschaft des altehrwürdigen Männergesangvereins liebevoll „Zillche“ genannt, dem Lajos Wenzel seit 2017 mit Regie und Text die künstlerische Verantwortung für ihr Divertissementchen übertragen hatte.

Das war eine hervorragende Entscheidung, „schenkt“ er doch jedes Jahr dem MGV und den Bürgern ein neues, anderes Stück, resultierend aus der Kölner Historie, dem Brauchtum, der liebenswerten Kölschen Eigenart, über Kölsch und Halven Hahn und natürlich auch über die Regierenden wo auch immer. Nachzulesen unter https://divertissementchen.de/blick-zurueck/

Klar schafft er das nicht alleine, von Tom Grasshoff stammt das herzige Bühnenbild mit der Kölner Altstadt, die Kostüme verantwortet Judith Peter, die originelle Choreografie ist von Jens Hermes-Cédileau und Katrin Bachmann. Und der „Baas“ Jürgen Nimpsch, der Chef des Ganzen, ehemaliger Schuldirektor und Bonner Oberbürgermeister, singt und spielt natürlich auch mit.

Wer mal über frühere Inszenierungen lesen möchte:https://www.kulturcram.de/2022/02/die-entstehung-des-koelsch-glases/ und www.kulturcram.de/2019/02/die-wahrheit-ueber-die-entstehung-des-can-can-offenbach-bei-der-caecilia-wolkenburg/

Nun, Corona scheint – hoffentlich – Geschichte zu sein, und das Zillchen kann mit dem neuen Stück „Fastelovend zesamme!“ wieder life und ohne Maske spielen, und das immerhin knapp 30 Mal, schon ein erheblicher Aufwand für die knapp einhundert ausschließlich ehrenamtlichen Akteure auf und hinter der Bühne, das traditionelle Orchester „Bergische Symphoniker“, dazu die „Westwood Slickers“, alles unter der engagierten Leitung von Thomas Guthoff, den man im Hintergrund heftig agieren sieht.

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Los geht es noch vor dem Vorhang mit vier großen, senkrecht stehenden „Sardinendosen“, aber nicht mit Fisch, sondern mit lebendigen Paaren im Bett. Die Männer können offensichtlich nicht einschlafen und zählen Schäfchen, die als erstes Ballett auf der Bühne rumhopsen. Entzückend ! Die Schlafwilligen zanken sich um die Zudecke, während sich die Ehefrauen per Handy-Konferenz verabreden, den Karneval auf keinen Fall ausfallen zu lassen. Man ahnt es schon – da ist viel Konfliktstoff auf der Bühne.

Das alles musste vom preussischen König Wilhelm III genehmigt werden, die vier Frauen reisten also nach Berlin. Und treffen auf das Ampel-Kabinett in Frack und Zylinder, eine Lachnummer sondergleichen, zumal bisher die ganze Geschichte eher brav ablief. Aber ab jetzt ging echt die Post ab, nicht nur bei den Sprüchen („Gras-Speicher“und „Kutschen-Maut“ bei den offensichtlich im Dauerstau stehenden, humorbefreiten Preußen). Auch bei der Bildung für die einfachen Leute: “Wenn wir die Doofen mit Bildung schlau machen, kriegen wir sie nie wieder doof.”

Oberkracher ist die Parodie auf den Gesundheitsminister Lauterbach (alias Klabautermann), Heinz-Peter Hartlieb hat nicht nur Figur und Gehabe, sondern genau die Stimme und den Tonfall. Und erntet dafür brüllendes Gelächter. Alle Regierungsmitglieder bekommen ihr Fett weg, ebenso berühmte Namen aus der Kölner Geschichte. Man muss schon sehr genau hinhören. Allerdings wartete man vergeblich auf eine Parodie über den aktuellen Kölner Kardinal.

Und ohne schmissige Musik ist das alles natürlich nichts, aber auch hier ist sie ein excellentes Ratespiel für Musikliebhaber. „Alles durcheinander“ ist nichts dagegen, denn Vivaldi zusammen mit den Black Föös, Kasalla mit Mozart, Karl Berbuer mit Willi Millowitsch, barocke Streicher mit bzw. gegen Smetana, wann hört man das  denn schon mal. Ein Augenschmaus ist das Ballett der Roten Funken und der Mariechentanz; man vergisst glatt, daß hier nur Kerle tanzen, wenn auch sehr knackig und gelenkige.

Natürlich genehmigt am Ende König Friedrich Wilhelm III das karnevalistische Treiben unter Auflage, daß Blumen in den Gewehrläufen stecken müssen und als Munition Kamellen eingesetzt werden. Und er hofft auf ein Denkmal mit ihm zu Pferde auf dem Heumarkt. Alles ist auch so passiert, schon eine Besonderheit für die Stadt Köln. Nach drei Stunden und nicht endendem Applaus ging man hoch motiviert nach Hause, in der Hoffnung auf ein coronafreies Karnevalsfest 2023.

Aufführungen bis 21. Februar

Weitere Details unter www.divertissementchen.de/

Restkarten unter www.koelnticket.de

Einfachere Übersicht : www.oper.koeln/de/programm

Übrigens: Der WDR schneidet das „Zillchen“ mit, Sendetermin ist Samstag 18. Februar um 11:00, zur besten Frühschoppen-Zeit

Text: Michael Cramer,  Tolle Bilder: Foto @ Thomas Brill

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