Musik

Leichte Muse mit Tiefgang : die “Lustige Witwe” im Staatenhaus

 Es ist eine schöne Sitte, gegen Jahresende ein neues Stück in den Spielplan aufzunehmen, welches auch an Silvester gespielt werden kann, zusammen mit der Begrüßung des neuen Jahres. Gut erinnerlich ist zum Beispiel Emmerich Kálmáns „Csárdásfürstin“, wo man den Nebenraum im Palladium (Ausweichspielstätte der Oper) mit kleinen Tischen, vielen Lüstern und zwei Bühnen ausgestattet hatte. Regie führte damals Bernd Mottl – wie heuer in der „Lustigen Witwe“. Weniger erfreulich war der Offenbach´sche „Orpheus in der Unterwelt“ von Bernd Weikl, wo sich der damalige Ex-Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes als Hans Styx als Totalversager herausstellte – und auf die berechtigten Buhs mit einer heftigen Publikumsbeschimpfung reagierte. Wer nachlesen möchte: http://www.omm.de/veranstaltungen/musiktheater20102011/K-die-csardasfuerstin.html

Das war aktuell ganz anders: eine prächtige Inszenierung, eine tolle Bühne, super Sänger und ein perfektes Orchester.

Und natürlich gibt es ein Special für Silvester: Nach der Aufführung bequemt man sich per Bustransfer ins Hotel Exelsior Ernst, erste Adresse in Köln, nimmt dort ein bescheidenes Mahl zu sich https://www.oper.koeln/de/kulinarische-silvesterkomposition, um standesgemäß Silvester zu feiern. Mit schlappen 336.- Euro/Person ist man dabei, die Eintrittskarte in bester Lage inbegriffen. Diese Operette, uraufgeführt 1905 im Theater an der Wien, wurde nicht ohne Grund ein internationaler Renner; bis zum Tode des Komponisten wurde sie weltweit 300.000mal gespielt.

Franz Lehar schuf damit eine „Tanzoperette“, in der fast jede musikalische Nummer ein Hit wurde wie „Lippen schweigen“, „Dann geh ich ins Maxim“, das Duett vom „Reitersmann“ oder das „Vilja“-Lied. Unvergängliche Melodien, die viele im Ohr haben. Und erst recht nach einem eigenen Besuch der Operette.

Das Werk besticht durch seine Salon-Szenen, durch die erotisierende Instrumentierung und vor allem durch die starke Stellung der Frau in der Männerwelt. Dazu kommen politische Anspielungen, die es früher so nicht gab. Auch die Tanzszenen wurden durch Polonaise und Cake Walk aufgewertet. Sehr hübsch ist der Kolo, ein Volkstanz mit aufwändigen Kostümen.Das Handlungs-Gerüst ist natürlich gleich geblieben, in dem Graf Danilo (Adrian Eröd) die steinreiche Witwe Hanna Glawari (Elissa Huber) heiraten soll. Diese ist eigentlich ein armes Mädel vom Lande, die den Danilo liebte, was aus finanziellen Gründen aber nix wurde. Hanna heiratete den reichen Bankier Glawari, der die Hochzeitsnacht nicht lebend überstand. Soll ja mal vorkommen.

Schon aus wirtschaftlichen Gründen war diese Heirat notwendig, denn der Staat Pontevedro ist so was von pleite, und durch diese Heirat bliebe das Geld im Lande. Aber der Graf turtelt lieber mit den Mädels im von ihm bevorzugten „Maxim“. Daher lässt ihn sein klammes Heimatland kalt. Stattdessen schmeißt sich Hanna an die Brust von Camille de Rosillon, und jetzt beginnt eine charmante Folge von Nachstellungen, Eifersüchteleien, Verwirrungen und schlitzohrigen Aktivitäten. Die hier aber nicht im Detail aufgedröselt werden müssen – am besten geht man selbst ins Staatenhaus und genießt das Feuerwerk an Melodien, Kostümen und szenischen Gags. Prachtvoll !

Mit dem Operetten-Schwung und der prickelnden Erotik ging es allerdings erst nach der Pause so richtig los; der erste Teil zog sich ein wenig. Zur Pause kamen Bauarbeiter auf die Bühne von Friedrich Eggert, wo Baustützen dafür sorgten, dass die Decke der maroden Botschaft nicht runterkrachte. Vielleicht eine Anspielung auf die Oper am Offenbachplatz. Zumal Bernd Mottl zusammen mit der Dramaturgin Svenja Gottsmann etliche aktuelle Anspielungen auf die klamme Stadt Köln und das Operndrama geschickt eingeflochten hatten wie „ein klitzekleines Milliönchen von der Erbschaft für die Stadt“. Und die Sanierung der Botschaft – gemeint ist natürlich die Oper -könnte blitzartig klappen, wenn man sich an den Grundsatz hielte „erst planen, dann bauen“, was für große Erheiterung in der ausverkauften Premiere sorgte.

Natürlich geht die Geschichte gut aus, wie es sich für eine Operette ziemt; die Paare finden sich. Und alle Besucher hatten viel Freude an den sängerischen und szenischen Leistungen der Protagonisten; immerhin nennt der Abendzettel vierzehn Namen, dazu kommen viele Tänzer und die Statisterie. Und der von Rustam Samedow bestens präparierte Opernchor. Dirigent Andrea Sanguinetti verstand es ganz hervorragend, dem Gürzenichorchester den notwendigen Operettenschwung zu entlocken. Einfach wunderschön die Solopartien des Konzertmeisters Torsten Janicke und des Solocellisten Bonian Tian.

Zu erleben war ein rauschender Opernabend der leichten Muse, aber mit viel Tiefgang, mit fantastischen Sängerinnen und Sängern und Tänzern, die gebührend hoch bejubelt wurden. Dringender Rat: reingehen.

Fotos: Matthias Jung

Rezension: Michael Cramer

Besuchte Aufführung: Premiere am 3. Dezember 2023

Karten unter www.oper.koeln

Kommentare deaktiviert für Leichte Muse mit Tiefgang : die “Lustige Witwe” im Staatenhaus