Theater

Zum Zirkus in die Kirche – Cirque Bouffon

Zum Zirkus in eine Kirche gehen ? Wie denn das ?  Davon haben wir in Köln doch eh reichlich, vor allem, wenn man an den Zirkus um unseren Kardinal denkt. Aber man glaubt es kaum: in der neoromanischen katholischen Kirche St. Michael, mitten am angesagten Brüsseler Platz, findet die Weihnachtsshow des Cirque Bouffon „Celeste“ mit Sicht auf den Altar statt. Platz ist genug, auch nach oben, das Publikum sitzt in der Vierung rings um eine erhöhte Spielfläche, umgeben von metallischen Pfosten für die Luftakrobatik. Und das schon im dritten Jahr.

Pfarrer Thomas Frings hat mit dem Zirkusdirektor Frédéric Zipperlin einen Deal abgemacht: der Zirkus nutzt die ohnehin nur gering frequentierte Kirche, und er darf ein wenig Werbung machen mit einer originellen Ansprache und einem ausgelegten Flyer. „Kirche für Köln“ nennt sich die Aktion www.kirchefuerkoeln.de, um den Trend schrumpfender Gemeinden umzukehren und ihr Image zu verbessern. Win Win nennt man so etwas, ähnlich wie die Konzertreihe www.musik-honrath.de im Bergischen, wo die immer sehr gut besuchten Konzerte gleichzeitig Werbung machen für die Kirche.

Die Premiere am 13. Dezember von „Celeste“ (franz. himmlisch) war ausgebucht, im Foyer konnte man sich an gebrannten Mandeln und Glühwein laben und ein Schwätzchen mit anderen Zirkus-Fans halten; auch der Chef ließ sich überall mal sehen. Und los ging es dann mit zwei Engeln, die sich aber erst noch ihre Flügel anziehen mussten. Der Holländer Goos Meuwsen und seine brasilianische Ehefrau Helena Bittencourt sind zwei tollpatschige Clowns voller Menschlichkeit und anrührendem Surrealismus. Sie führen quasi durch den ganzen Abend, kommunizieren über Gesten mit dem sehr aufmerksamen Publikum und produzieren immer wieder heftige Lacher.

       

Aber auch Besinnlichkeit; denn dieser Zirkus ist keine bloße Aneinanderreihung von artistischen Höchstleistungen, sondern für Menschen, die das Träumen noch nicht verlernt haben. Daran erinnern viele kleine Schaukelpferde auf der Bühne und an den Wänden. Und der erste Künstler Christoph Müller, wohnhaft in Köln, als „Kristalleon“ in einem Harlekin-Kostüm, verziert mit vielen kleinen Spiegelstücken, in denen sich das Licht der Scheinwerfer bricht zu einem erstaunlichen Schauspiel. Dazu kommt seine ungewöhnliche Musik: er bestreicht mit nassem Finger die Ränder von unterschiedlich gefüllten Gläsern und erzeugt so geheimnisvolle singende Töne und eine Melodie, den “Tanz der Zuckerfee“ aus dem „Nussknacker“ von Tschaikowski.

Unser Clown versucht sich in einem unbeobachteten Moment mit Sonnenbrille als DJ und spielt „Another one bites the dust“ von Queens und provozierte lautes Gelächter, wenn seine Frau dazu tanzt. Um diese Ohrwürmer wieder loszuwerden, half das hauseigene kleine „Orchester“ mit dem Bassisten Sergej Sweschinski, der die völlig untypische, träumerische Zirkusmusik extra für Köln komponiert hat, gespielt von der Griechin Dalai Cellai und dem Russen Rudik Yakhin mit seinem virtuos gespielten Knopfakkordeon. Und natürlich als Begleitung für Anja Krips, Ehefrau des Chefs, für ihre melodiösen, geheimnisvollen Lieder.

Ein riesiges Schaukelpferd dient dann als Basis für Saleh Yazdani für seine verblüffende Kraft-Akrobatik, man fragt sich verwundert, ob er die Schwerkraft überlistet hat. Später dann kommt Anna dazu in einer Hand-zu-Hand Artistik, wo sie auch die Basis für Saleh darstellt. Die beiden zeigen nicht nur eine unglaubliche Kraft und Körperbeherrschung, sondern verzaubern auch durch Ästhetik und ihr gegenseitiges Vertrauen.

Joachim Ciocca sollte eigentlich mit Natalie Oleijik am Vertikalseil auftreten, Natalie fällt verletzungsbedingt leider vorerst aus. So schlüpft Joachim in das klassische Kostüm des Weißclowns und spielt ein wenig den Ordnungshüter und benutzt seine Gitarre als echte  “Schlaggitarre”, im wahren Sinne des Wortes, vor allem bei dem Clown Duo. Aber er fährt auch rasant Einrad, sogar hüpfend die Treppe hoch. Und steckt seinen Kopf eher beiläufig in eine vorher erkennbar mit Wasser gefüllte Schale.  Und lässt ihn gefühlte 5 Minuten drin. So lange?  Bis das Publikum nervös wurde. Ist da ein Trick hinter?  Eine Luftleitung oder kleine Taucherflasche war jedenfalls nicht zu erkennen. Und immer wieder lässt Anja Krips ihre interessante Stimme ertönen, offensichtlich in einer Fantasiesprache.

Schlag auf Schlag ging es weiter mit Mikail Karahan und seinem „Cyr-Reifen“, einem überdimensionalen Hula-Hoop-Reifen, der ein eigenes Leben zu haben scheint. Mikail kämpft beinahe gegen ihn und die Schwerkraft, mit verrückten artistischen Figuren und unglaublicher Körperbeherrschung. Und ständig mit einer drolligen Mimik. An einer Vertikalstange klettert Vanina rauf und runter, während Fourcauld an einer schwebenden Stange für das nötige Gegengewicht sorgt – einfach verblüffend und faszinierend. 

Nach fast drei Stunden war dann aber genug vom Bouffon-Zirkus, alle Künstler ziehen in langer Polonaise am jubelnden Publikum vorbei. Die Schau zu Ende, die Illusion aber bleibt sicher noch länger in den Köpfen hängen. Denn Celeste ist keine religiöse Schau, obwohl in einer Kirche gespielt. Aber sie transponiert das Publikum durch ihre besinnliche Kunst ein wenig in eine himmlische Welt. Die wir zur Zeit dringend nötig haben.

Am 24. Dezember findet der Weihnachtsgottesdienst unter Beteiligung des Cirque Bouffon statt. Supi Idee. Aber leider sind alle Plätze ausgebucht.

Alle Tickets gibt es hier: https://www.cirque-bouffon.com/tickets-2/

Alle Spieltermine bis zum 7. Januar unter www.cirque-boufon.de

Rezension von Michael Cramer

Fotos: ©Dmitry Shakhin

       

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