Musik

The Bremen Animals – entzückend in der Kinderoper

Die Bremer Stadtmusikanten, Türkisch:  Geliyoruz – Auf, wir kommen !

War das ein Bühnentechniker, der im Operndress, mit einem Farbeimer und Taschenlampe bewaffnet an den Aufbauten nachpinselte, den Dirigentenplatz und das Schlagzeug im Orchester checkte und mit den Kindern locker schäkerte?  Und die üblichen Sicherheitsinformationen live vortrug? So konnte man auch den berühmten „deutlichen Signalton“ einmal im Original vernehmen. Und der dann nach einem „Rainer“ rief, der auf einem gelben Lastenfahrrad angeradelt kam und sich vor dem Orchester aufbaute.

Richtig, Rainer Mühlbach ist musikalischer Leiter der Kinder Oper und des Kölner internationalen Opernstudios und hat die neue Produktion dirigiert. Und hatte offensichtlich sehr viel Spaß an dem quirligen Stück des türkischen Klarinettisten und Komponisten und Hochschullehrers Attila Kadri Sendil, der 2017 das Auftragswerk für die „Komische Oper“ Berlin geschrieben hat. Die „Bremer Stadtmusikanten“ ist zwar eine Kinderoper (empfohlen ab 5 Jahre), sie hat aber so viel musikalisches, optisches und humoristisches Potential, dass auch die Erwachsenen offensichtlich viel Spaß daran hatten.

Bremen hatte zur Hansezeit besondere Rechte und war ein Zentrum für Auswanderer. Und beschäftigte seit dem Mittelalter eigene Stadtmusikanten. Von daher stammte der Wunsch der Tiere, nach Bremen zu gehen. Die Geschichte selbst ist bekannt und sehr vielfältig beschrieben und figürlich dargestellt. Natürlich auch in Bremen, hier steht die oft fotografierte Pyramide von Gerhard Marcks gleich neben dem Rathaus. Eine Alternative ist die berühmte Tiergruppe aus Bhutan, vier Freunde (Elefant, Affe, Kaninchen und Goldfasan) pflanzen einen Pfirsichbaum.

Die Bremer Stadtmusikanten, Plastik von Gerhard Marcks
Die vier Freunde. Bild mit Rahmen in einer Malschule in Bhutan vom Rezensenten erworben

 Entzückend ist die Darstellung, warum und wie die Tiere von ihren Besitzern rausgeschmissen werden. Der Hund (Emanuel Tomljenovic) macht vieles kaputt, knabbert alles an und reißt sogar den Bühnenvorhang runter. Und der Esel (David Howes) ist wie üblich zu störrisch und wird vom Opernintendanten gefeuert. Nur – wo soll er hin ? Und dann gibt es noch den quietschbunten Hahn (Maria Koroleva), der mitten unter den Zuschauern sitzt. Er meldet sich immer wieder laut gackernd, muss jede Gefühlsregung laut herauskrähen; sein Kopf ist dann hell erleuchtet. Die Schelte einer ebenfalls beleuchteten Besucherin – in der Oper darf man nicht krähen – hilft aber nichts, der Esel bittet den Hahn auf die Bühne ins Team.

Dazu kommt die Katze (Elena Plaza Cebrian), die immer alles zerkratzt und keine Mäuse mehr fängt. Und der Hund, der alles zerbeißt. Die Tiere sind nicht als solche verkleidet, sondern nur an Accessoires wie dem langen Katzenschwanz, den Eselsohren, dem erkennbaren kurzen Hasenschwanz und der Felljacke, und der Hund an Fellstücken auf dem Anzug und dem langen Schwanz. Die vier wollen in Bremen Stadtmusiker werden; gemeinsam studieren sie ein meterlanges Notenblatt und „singen“ ein Konzert in ihrer eigenen Tiersprache; aber das geht gehörig durcheinander. Und richtig laut wird es, als der Esel die Kinder bittet, die Tierlaute in Gruppen nachzuahmen.

Tenor: Rücksicht nehmen und den anderen sich ungehindert entfalten lassen. Und: Gemeinsam sind wir stark ! Das ist auch die Substanz für die folgenden zahlreichen Schulaufführungen.  Die ehemaligen Tierbesitzer (William Socolof, Tina Drohle, Julian Schuluki und Maike Raschke), schick in schwarz-weiß gewandet, speisen elegant zusammen, abgewendet von ihren früheren Hausgenossen, aber nicht lange, denn die Tiere fallen hungrig über deren Essen her. Vertragen sich aber dann wieder mit ihnen. Die Oper enthält daher viele versteckte Botschaften und Zusammenfassungen für das Leben. Auch für Erwachsene.

Die Musik von Attila Kadri Sendil ist eine bunte multikulturelle Mixtur aus großer Oper, Jazzelementen, Big Band-Atmosphäre, Opernmusik und Wagner-Reminiszenzen, Volkslied und türkischen Klängen, etwas schräg, aber sehr spannend und gut zu hören. Dazu erklingt auch eine türkische Bağlama, eine Langhalsgitarre. In der Uraufführung waren drei weitere türkische Instrumente dabei, auch wurden etliche Passagen auf türkisch gesungen; die junge, aber bereits renommierte Regisseurin Theresa von Halle, die zusammen mit Brigitta Gillessen, Leiterin der Kinderoper, die Kölner Textfassung erstellte, hat dies deutlich reduziert.

Der Extrakt des Gürzenichorchesters spielte mit offensichtlich großem Vergnügen sehr schwungvoll und lebendig. Die ausgezeichneten Sänger sind aktuelle oder ehemalige Mitglieder des Kölner Opernstudios, gekleidet in fantasievolle Kostüme von Amelie Hensel, die auch für die Bühne verantwortlich ist. Hier dominiert ein fahrbares Gestell, ein qualmender Misthaufen, dazu diverse Möbel wie ein Laufsteg und das schicke Speisezimmer. Und natürlich das Fahrrad, auf dem die vier nach Bremen wollen.  

Ob sie die Stadt jemals erreichen, bleibt offen. Ist aber auch egal, denn der Weg ist das Ziel, der Aufbruch in ein neues, selbstbestimmtes Leben.

Zur schwungvollen Schlussszene war man fast geneigt mitzuklatschen. Großer Jubel des Premierenpublikums für Sänger, Musiker und das Produktionsteam.

Begeisterter Schlussapplaus

Und die Vorstellung des Produktionsteams bei der Premierenfeier

v.l. Hein Mulders (Intendant), Attila Kadri Şendil (Komponist), Rainer Mühlbach (Dirigent), Ulrich Lenz (Librettist), Theresa von Halle (Regisseurin), Amelie Hensel (Bühnen- und Kostümbildnerin)

Besuchte Aufführung: Premiere am 18. November 2023

Fotos: ©Thilo Beu und Michael Cramer (3)

Rezension von Michael Cramer

Viele weitere Aufführungen unter oper.koeln

Hier der Trailer: www.oper.koeln/de/mediathek

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