Kunst,  Theater

Jürgen Becker „Die Englische Krankenhaus-Entlassung – noch blutig“

Mit „Die Ursache liegt in der Zukunft“ in der Kölner COMEDIA

Er ist schon ein hoch qualifizierter Hans-Dampf in vielen Gassen, als Kabarettist, Mitbegründer der Kölner „Stunksitzung“, unterwegs mit zahlreichen Solo-Programmen, Moderator der „Mitternachtsspitzen“ im Kölner „Alten Wartesaal“, Buchautor. Sehr bekannt wurde er mit seinem Solo „Biotot für Bekloppte“ über die Kölner Stadtgeschichte; man hört ihn auch in der „Frühstückspause“ mit Didi Jünemann, immer Freitags 10:50 Uhr im WDR. Mit seinem letzten Programm „Der Künstler ist anwesend“ zog er die Museen und vor allem deren Besucher hoch köstlich durch den Kakao.

Sehr vielseitig. Jürgen mit Markus Krebs

Und jetzt geht es um das kommende Leben mit „Die Ursache liegt in der Zukunft“, passend zu seinem neuen Buch „Die Zukunft war auch schon mal besser“. Ein vieldeutiger Titel, und gleichzeitig eine Werbung für seine Bücher und CDs, die er in der Pause verkaufte und signierte. Ist aber ok. Der „schöne Abend“, den er immer wünscht, begann mit der Hitzewelle und einem Blick nach Norden: die Finnen in ihrem kleinen Land sind das glücklichste Volk, obwohl es da ziemlich kalt ist. Die Zufriedenheit hat also nichts mit der Temperatur oder mit der Größe eines Landes tun.

Sein Statement: die Zukunft ist immer ungewiss, beim Frieden, beim Geld, bei der Energie. Wer hätte vor ein paar Jahren noch gedacht, dass man unbeschadet mit einer Maske vor dem Gesicht eine Bank betreten könnte, ohne dass die Polizei gerufen wird. Kein Mensch würde auch zum Fußball gehen, wenn das Ergebnis vorher schon bekannt wäre. Die Deutschen sind ohnehin sehr vorsichtig: hier gibt es mehr Lebensversicherungen als Einwohner. Sogar Versicherungen für den Ausfall von Hochzeiten. Dann kommt Herr Kaiser von der Hamburg – Mannheimer persönlich und vernascht die Braut in der Hochzeitsnacht. Jürgen Becker hat schon gute Sprüche drauf, so etwa über die derzeitigen furchtbaren Nachrichten im Fernsehen und die alternative Entspannung bei einem Horrorfilm.

Es sind natürlich schon Pauschalen, die er ins begeisterte Publikum loslässt, etwa wie seine etwas abgestandenen Tiraden über das Gesundheitswesen und die Forderung nach einer Bürgerversicherung: klingt zwar gut, wird  aber niemals klappen. Auch dann, wenn die Ärzte auf dem Lande immer älter werden und zum Teil schon mit dem Hippokrates studiert haben. Hört sich alles prima an, stimmt manchmal sogar wie die „englische Entlassung“ bei den stark verkürzten Krankenhaus–Aufenthalten: „Noch blutig“. Damit hat er natürlich die Lacher in der ausverkauften COMEDIA auf seiner Seite.

Lebendig trägt er vor, schielt gelegentlich auf sein iPad vor sich, geht auch auf einzelne Zuschauer ein, und fragt nach der Lieblingsbeschäftigung der Deutschen; Ergebnis: „Windows“, aber ganz anders – aus dem Fenster schauen, mit Kissen. Meckert über die überschwellende Digitalisierung, über die leicht zu knackenden Passwörter. Sein lange benutztes Passwort „Blutwurst“ hat er jetzt in „Flönz“ geändert – kennt kein Mensch. Und schimpft auf die Chinesen, die dem Westen in Allem voraus sind, sogar bei Covid. Und das Handy ist ein Teil des Menschen geworden. Ändern kann es es auch nicht.

Schlechte Aussichten ?

Recht hat er mit dem Konsumterror und den viel zu vielen Klamotten, die man billig kaufen kann. Wer trägt denn heute noch ein Kleidungsstück wirklich auf ? Recht hat er auch mit den niedrigen Gehältern der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, denen aber ein Lob nicht wirklich hilft. Aber auch das ist ein alter Hut.

Welche Zukunft haben wir denn? In Deutschland ist das Wort „Weltverbesserer“ zu einem Schimpfwort geworden, der Fetisch ist der BIP, das Brutto-Inland-Produkt. Aber je höher er ist, um so mehr treiben wir Raubbau an unserer Erde. Becker fährt nach eigenem Bekunden ausschließlich E-Auto (und meckert über die kargen Ladestellen in Köln), fliegt niemals, und duscht ausschließlich kalt: „Kalt ist das neue Warm“.

Man musste schon gut aufpassen, um alles mitzubekommen, die vielen Gags wie auch die ernsthaften Sprüche , daß wir jetzt unseren Kindern helfen müssen, die in der Pandemie versucht haben, uns Alte zu schützen. Dennoch sein Appell am Ende: Leute, liebt das Leben, gebt die Kultur nicht auf: Denn irgendwann ist eh Schluss. Und eine letzte nicht ganz ernst zu nehmende Bemerkung zu seinen Essgewohnheiten: Als Kind hat er Teewurst geliebt, jedoch Erbsen gehasst. Aber jetzt wird vegane Teewurst aus Erbsen gemacht – „dann gehts“. Ein Riesenapplaus belohnt Jürgen Becker, der offensichtlich froh war, die Premiere gut überstanden zu haben. Und verteilte wie immer Freibier an alle. Ein wunderbarer, spannender und nachhaltiger Abend.

Besucht: Premiere am 2. September

Fotos von seiner Webseite

Weiter Termine unter: www.juergen-becker-kabarettist.de

Sein neues Buch gibt es im Buchhandel, Verlag Kiepenheuer und Witsch, für 12 Euro.

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