Neven DuMont – der große Verleger jetzt im Stadtarchiv
Text und Fotos Michael Cramer
Die Gefahr, dass dem Nachlass von Alfred Neven DuMont ein ähnliches Schicksal widerfährt wie dem des großen Kölner Sohnes und Nobelpreisträger Heinrich Böll, ist eher gering. Der katastrophale Einsturz des Stadtarchivs im März 2009 zerstörte weitgehend das Gedächtnis der Stadt und auch die Unterlagen von Böll. Aber unter dem Neubau des Stadtarchivs an der Luxemburger Straße nahe dem Hochhaus des Landgerichts und Amtsgerichts Köln fährt keine U-Bahn, auch der Rhein ist weit weg; die Familie des großen Verlegers, Kunstmäzens und engagierten Kölner Bürgers konnte seinen Nachlass ganz beruhigt in die Hände von Dr. Bettina Schmidt-Czaia, der Chefin des Historischen Archivs der Stadt Köln, geben.
Im Beisein der Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatten seine Witwe Hedwig und seine Tochter Isabella am Vorabend des 5. Todestages dem Archiv symbolisch die zwölf laufende Meter Archivalien übergeben, die unter der Bestandsnummer 1904 in 475 Verzeichniseinheiten geführt werden.
Pressevorstellung im hist. Archiv, v.l. Susanne Laugwitz-Aulbach (Kulturdezernentin), Inge Schürmann (Pressesprecherin Stadt Köln), OB Henriette Reker, Dr. Schmidt-Czaia (Direktorin Stadtarchiv)
Einige Tage später gab es für die Presse die Möglichkeit, ein wenig selbst in den Archivalien zu blättern, erneut in Anwesenheit der Oberbürgermeisterin und der Kulturdezernentin. Reker ging bei ihrer Einführung empathisch und detailliert auf die Vita des großen Medientycoon ein, hatte er doch aus der im Familienbesitz befindlichen „Kölnischen Zeitung“, erschienen im Verlag M. DuMont Schauberg, eine neue und überregional bekannte Zeitung gemacht, den „Kölner Stadtanzeiger“. Der Name „Schauberg“ stammt aus der Ehe von 1805 zwischen Katharina Schauberg und Markus DuMont.
Alfred, eine stattliche und Respekt heischende Erscheinung, trat 1953 in den Verlag ein, wurde rasch Herausgeber, gründete 1994 die erfolgreiche Boulevardzeitung „Express“ als Konkurrenz zur BILD-Zeitung, beteiligte sich an der Münchener Abendzeitung, und übernahm die „Mitteldeutsche Zeitung“ und „Frankfurter Rundschau“ – letztere aber wirtschaftlich wenig erfolgreich. Vom lokalen Mitbewerber, der eher konservativen „Kölnischen Rundschau“ übernahm er 1999 die Verlagsrechte; die Rundschau ist dennoch publizistisch weitgehend unabhängig geblieben. Spötter sahen diese einseitige Kölner Pressemassierung allerdings eher kritisch und verwiesen als einziges neutrales Blatt auf die „Bild-Zeitung“ des Springer-Verlags.
Alles das reichte dem quirligen Pressemann nicht. Er schrieb mehrere Romane und Sachbücher und erinnerte sich auch an die Nazizeit. Umfangreich hat er sich weit über Köln hinaus karitativ betätigt, was von seiner Witwe Hedwig engagiert fortgesetzt wird. Nicht umsonst durfte er sich 1999 ins Goldene Buch der Stadt Köln eintragen und erhielt 2 Jahre später die Ehrenbürgerwürde, die seiner Ehefrau inzwischen auch zuteil wurde.
Man kann sich leicht vorstellen, welche Mengen an Dokumenten vom Stadtarchiv zu sichten und zu katalogisieren waren, als Privatmann, als Unternehmer, später auch als Hochschullehrer mit Professorentitel, und sogar als Prinz Karneval 1955/56. Schon ein sehr bewegtes, engagiertes und vielfältiges Leben. Alle Dokumente, so auch die Korrespondenz zum Tode von Alfred dürfen übrigens 20 Jahre lang nur mit Genehmigung des Nachlassverwalters eingesehen werden. Sie wurden vom ehemaligen Chefredakteur Peter Pauls akribisch durchforstet und geordnet; ein wichtiger Baustein für die Mediengeschichte der Bundesrepublik. Seinen wuchtigen Schreibtisch, eine extra breite Sonderanfertigung und Entscheidungszentrale der journalistischen Arbeit in der Stadt, hatte sich zuvor bereits das Stadtmuseum unter den berühmten „Nagel gerissen“.
Es war eine stimmungsvolle „Gedenkstunde“ im hübschen Vortragssaal auf der 5. Etage im Interim II an der Brabanter Straße, der zum Leidwesen des Archivs durch die Feuerwehr auf 30 Besucher limitiert wurde. Da denkt der Kulturkundige gleich an den Saal III im Staatenhaus, wo die Kinderoper auch mit 200 Plätzen auskommen muss. Alfred Neven DuMont war einer der prägendsten Köpfe der Kölner Nachkriegsgeschichte und vielleicht der letzte große Verleger; die Archivdirektorin meinte dazu, dass die Geschichte Kölns nicht ohne seinen Namen geschrieben werden könnte. Auch die Kulturdezernentin Laugwitz-Aulbach würdigte sein Tun, so auch im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und für benachteiligte Kinder.
Aber das von DuMont verkörperte Führungsmodell des charismatischen, patriarchalischen Verlegers hatte bei der Mediengruppe MDS keine Zukunft mehr. Nicht umsonst scheiterte sein Sohn Constantin an der Nachfolge, auch Tochter Isabella sitzt nur noch im Aufsichtsrat.
Die kleine Ausstellung, sogfältig präsentiert mit Stützen zum Umblättern, zeigt u.a. ein Fotobuch mit vielen VIPs, darunter Angela Merkel und Johannes Rau, die DuMont-Familiengeschichte liegt aus, auch die Monografie „Ein Deutscher Verleger“. Ebenfalls der erste Presseausweis der Zeitung, seine Orden nebst Verleihungsurkunden, auch zur Ehrenbürgerwürde. Korrespondenzen mit Berühmtheiten, viele Dokumente und ein buntes Potpourri seines langen Lebens, in dem er geachtet, aber auch gefürchtet war. Denn große Köpfe sind halt nicht immer ganz leicht zu händeln.