Kolumba 2022 – die neue Jahresausstellung: “Orte”
Ob man die Stadt Köln derzeit wirklich lieben kann, wie der ausgeliehene Schriftzug des Grazer Konzeptkünstlers Merlin Bauer es verlangt, kann angesichts der vielen Baustellen bezweifelt werden, wo da sind: Oper/Schauspiel, Römisch-Germanisches Museum, Stadtarchiv, Erweiterungsbau vom Wallraf-Richartz-Museum, Baustelle Jüdisches Museum, die Freitreppe vor dem Dom und vor Maria im Capitol, und und und. Viele weitere Museen stehen Schlange, auch Kolumba hat immer wieder mit Feuchtigkeit zu kämpfen. Dennoch: Köln ist einfach Klasse und sehr liebenswert, denn es sind nicht nur die Kulturbauten, sondern in erster Linie die Menschen, die hier leben.
Der Aufbau der neuen Ausstellung „making being here enough“, von Kraus mit „Dafür sorgen, dass hier zu sein genügt“, als Übersetzung des Werkes von Toni Horn, dürfte sich diesmal in Grenzen gehalten haben, denn ein Großteil der Exponate, im typischen Kolumba-Mix aus alter und neuer Kunst, Designobjekten neben frommen Büchern und Urkunden, stammt aus dem hauseigenen Archiv. Es muss immens groß sein, leider dauerhaft mit einem Schild „Jegliches Betreten streng verboten“ versehen.
So imponiert eine mit vielen bischöflichen Siegeln versehene Urkunde, wo ein mit etlichen Gebeten und vor allem mit sehr viel Geld teuer erkaufter Ablass „paradiesfest“ dokumentiert wird – Martin Luther hätte seine diabolische Freude daran gehabt.
Die Orte: was passiert mit ihnen, wie erinnern wir uns an sie, wie prägen sie uns, und welche Orte werden umgeschrieben ? Und wie steht es mit Orten, die wir nicht erreichen können ? Ausgangspunkt der Ausstellung ist das leere Grab Christi, ein zentraler Ort. Denn „Orte“ ist das zentrale Thema der aktuellen Ausstellung. Dazu hat das Museum tief im Archivkeller gewühlt und allerlei Exponate ganz unterschiedlicher Herkunft ausgegraben. Da gibt es eine lange rote Stange, eingegraben im Hof, ähnlich wie am südlichen Verteilerkreis, in Bonn und im Westerwald: Markenzeichen von Lutz Frisch, der solches auch in der Antarktis probiert hatte: erfolglos, da es hier keine Bezugspunkte gibt, ein fehlendes Symbol menschlicher Heimatverbundenheit.
Museumschef Stefan Kraus nannte die Stange in der Pressekonferenz eine“Akkupunkturnadel“, die uns fragt, wo ich eigentlich bin und was ich hier mache. Im Foyer imponiert eine monumentale Plastik von Norbert Prangenberg. Und in den 21 Ausstellungsräumen findet der Besucher lauretanische Literatur und Pilgerzeichen zum Thema Wallfahrt und zu Jerusalem; immerhin ist Kolumba ein Museum des Erzbistums Köln. Daher findet man auch immer sehr hochwertige christliche Kunst unter scheinbar „banalen“ Objekten.
Ein Papiermodell von einem inklusiven Wohnhaus des Kunsthauses KAT18 besticht vor der Sicht auf die Domtürme; Handwerker sind während des Presserundgangs noch mit den letzten Aufbauarbeiten beschäftigt.
Und an einer langen Klaviersaite hängt von der hohen Decke eine Bleikugel, die jeweils um 13:00 und 15:00 angestoßen wird, um dann um ein mit Wasser gefülltes Trinkglas zu schwingen; „Site Pendulum“, eine Installation aus dem Nachlass des amerikanischen Konzeptkünstlers Terry Fox (1943-2008) mit einem physikalisch verblüffenden Ende, welches man aber selbst erleben sollte.
Und der Schriftzug „Liebe Deine Stadt“, von tausenden Autofahrern auf der Nord-Süd-Fahrt seit 2007 täglich registriert, soll eindringlich ironisch auf die vielen Probleme in der Stadt hinweisen. Ob es etwas nutzt ? Eventuell zusammen mit dem Bild „Der Kölner Heiligenhimmel“ von 1635 ? Da hilft vielleicht eher das vergoldete Vortragekreuz aus St. Maria im Kapitol, welches bei Prozessionen eingesetzt wurde.
Aber auch der Alltag kommt zum Zuge, so in einer „Bibliothek aufs Eis“ mit einer symbolischen Frachtkiste und 600 Büchern für die Alfred-Wegender-Forschungsstation in der Antarktis; Bücher, die dort unbedingt gelesen werden sollten; nach Frisch ein „Sehnsuchtsort“ im ewigen Eis. Dass es sich um Kunst handelt, erkennt man zweifellos am Spediteur „Hasenkamp“, wie Jürgen Becker es einst treffsicher formulierte.
Und auf Wanderung durch die Kölner Schulen soll eine Fahne gehen, die auf ein Filmprojekt hinweist, wo man Jugendlichen eine Kamera in die Hand gegeben hat, um ihren Alltag mit ihren Perspektiven festzuhalten. Der Film wird 2x täglich im Museum gezeigt. Kolumba möchte sich in die Stadtgesellschaft einbringen, das ist ein guter Weg dazu.
Text und Fotos: Michael Cramer
Kolumbastraße 4 | 50667 Köln
täglich außer dienstags, 12 – 17 Uhr
Eintritt € 8,- (reduziert € 5,-)
www.kolumba.de