Kunst,  Museen

“Poesie der See” im Wallraf-Museum – es geht wieder los !

 

Text und Fotos von Michael Cramer

Mit der Sammelleidenschaft eines Menschen ist es so eine Sache. Über seltene Briefmarken, Bierdeckel, rare Oldtimer, besondere Musikaufnahmen, bis hin zu originellen Reiseandenken, alten Comic-Heften oder kleinen Eulen (siehe Bild am Ende) gibt es eine extrem breite Palette, abhängig vom individuellen Interesse, dem zur Verfügung stehenden Platz und dem finanziellen Polster.

Auch in der Kunst gibt es viele Sammler sehr unterschiedlicher Stilrichtungen. Wobei natürlich eine Rembrandt-, Picasso- oder Botticelli-Sammlung für Privatleute illusorisch ist, finanziell und auch wegen des minimalen Angebots. Aber aus der riesigen Fülle aller Kunst der Welt gibt es immer wieder Möglichkeiten, ein ganz eng begrenztes Genre zu sammeln. So hat ein – bewusst anonym gebliebener – rheinischer Kunstfreund in Erinnerung an seinen Großvater, mit dem er oft im Wintergarten unter einem eindrucksvollem Marinebild von Andries van Eertvelt (1590-1652) „Dreimaster vor südlicher Küste“, eine eigene Sammlung von Bildern mit Seemotiven aufgebaut. Er wollte es aber wohl zu Hause behalten, denn es ist nicht ausgestellt. Ist ja in Ordnung.

Denn das besagte Bild eines großen Schiffes, das gerade entladen wird, ging nach dem Tode des Großvaters erst an seinen Vater und dann an ihn, hing lange im Chefbüro und im Ruhestand dann zu Hause. Und war Inspiration, weitere Seemotive niederländischer und flämischer Maler zu erwerben. Es wurde sozusagen vom Erbstück zum Erbe einer Leidenschaft. Der ungenannte Sammler, vielleicht ein Kaufmann, hat über Jahre nach solchen Bildern gefahndet, ein sehr schönes und sicherlich nicht gerade preiswertes Hobby. Auch auf persönliche Nachfrage ließ die Kuratorin nichts raus über den Sammler.

Das Wallraf-Richartz-Museum ist nach kultureller Durststrecke seit dem 5. Mai wieder geöffnet, Mundschutz, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel stehen kostenlos bereit. Guter Service ! Die Besucher haben jetzt auch wieder Gelegenheit, aus dem Fenstersaal im 2. Stockwerk auf die Baustelle des MiQua, des jüdischen Museums, zu schauen, wo durch die Absaugung der temporären Sandverfüllung die Ausgrabungen langsam wieder ans Tageslicht kommen; auch die Dimensionen des Museums sind erkennbar.

Denn eben dort residiert die neue Ausstellung „Poesie der See“ in Nachfolge des jüdischen „Machsor“. Über zwanzig überwiegend kleinformatige Seebilder hat der Sammler zusammengetragen und sich von ihnen für ein Jahr getrennt, um sie erstmals überhaupt öffentlich auszustellen. Und da ist das WRM der richtige Ort, denn hier gibt es schon einen Bestand an niederländischer Malerei aus dem 17. Jahrhundert, dem „Goldenen Zeitalter“ mit Landschaften, Stillleben und Porträts. Wenn auch mit wenig Marinemalerei.  Das kleine Land war durch die Seefahrt reich und mächtig und als „Global Player“ sehr selbstbewusst geworden, hatte es doch über Jahrzehnte die Weltmeere beherrscht. Und das spiegelte sich auch in der Malerei wieder, in der Darstellung der Wettergewalten, im naturnahen Wellengang, in den Details von Wolken, Häfen, Schiffen und Menschen. Pralles Leben sozusagen. Die Kuratorin Dr. Anja Sevcik ist Leiterin der Barockabteilung und war auch verantwortlich für die sehr erfolgreiche Rembrandt-Ausstellung  2019. Sie berichtete bei der Pressekonferenz (alle brav mit Mundschutz und auf Abstand), dass niederländische Maler sogar ins Ausland geholt wurden, weil dort niemand so gut Schiffe malen konnte. Denn die anderen großen Seefahrtnationen wie Portugal, England und Spanien haben keine solchen Gemälde hervorgebracht.

Aber sie widersprach auch dem landläufigen Bild von der „lustigen Seefahrt“, denn die Matrosen  hausten in engen und zu niedrigen Räumen unter Deck und litten unter Skorbut, fauligem Wasser, unerträglichem Gestank und völlig unzureichenden hygienischen Bedingungen bei schwerer Arbeit. Und gefährlich war die Seefahrt auch, viele Schiffe gingen im Sturm unter.

Kuratorin Dr. Anja Sevcik vor ihrem Lieblingsbild “Südliche Küstenlandschaft mit Schiffen”

Die ausgestellten Maler wie Josse de Momper, Hendrick Cornelisz Vroom, Isaac Willaerts, Jan Porcellis, Pieter Mulier, Jan van Goyen, Salomon van Ruysdael oder Pieter de Molyn dürften der breiten Masse der Kunstliebhaber nur bedingt vertraut sein; um so reizvoller ist es, sich auf Neuland zu begeben und sich näher mit ihnen und ihren Werken zu beschäftigen. So schuf  Hendrick Cornelisz Vroom 1566-1640) ein stimmungsvolles Küstenpanorama mit einem mächtigen Dreimaster im Vordergrund, Hans Goderis (1600-1638) malte eindrucksvoll Schiffe in stürmischer See,  Cornelis  Bourmeester (1652-1733) malte Schiffe in höchster Seenot. Interessant sind Federmalereien, die sog. „Penschilderijen“, Adria Cornelisz van der Salm ist mit einem Horrorbild von einem dramatischen Schiffbruch und mit einem Idyll von Anglern in der friedlichen Natur vertreten. Poetischen Zauber etwa von Flusslandschaften oder ruhigem Wasser enthalten viele fein gemalte Bilder der Ausstellung, die in der wohlhabenden und auf ihre Seefahrt stolzen Bevölkerung als Marinebilder hoch beliebt waren. In der Broschüre zur sehr sehenswerten Ausstellung (10€ im Museumsshop) sind alle abgebildet und mit Erläuterungen versehen. Und natürlich auch zu sehen auf der Webseite des Museums: https://www.wallraf.museum/ausstellungen/aktuell/2020-05-21-poesie-der-see/exponate/

Noch besser sieht man die Bilder natürlich im Original, man darf ganz nah herantreten und die vielen Details in Ruhe studieren. Und bei der Gelegenheit trotz Corona und Reisewarnungen ein wenig die Seele in die Ferne schweifen lassen; aber zu Hause ist es ja auch nicht schlecht, alle Museen sind wieder auf, die Philharmonie bald auch, und der Dom steht auch noch. Denn die auferlegte Ruhe leitet den Blick zunehmend in unser Inneres mit der Frage, ob unsere vielfältigen Aktivitäten wirklich so nötig sind. Die Spreu trennt sich da durchaus vom Weizen, auch bei den zwischenmenschlichen Kontakten. Es wird interessant sein zu sehen, ob „nach Corona“ so sein wird wie „vor Corona“.

Vielleicht vererbt der Sammler dem Museum seine Bilder, wie es auch der Namensgeber Ferdinand Franz Wallraf (1748 – 1824) einstens getan hat. Denn auch das Museum Ludwig war jüngst mit Sammlungen von Ulrich Reininghaus (“Blinky Palermo”) und Dr. Kurt Bartenbach (Fotokunst) bedacht worden.

Die Eulensammlung von Marita Cramer (Ausschnitt von über 1000 Exemplaren)

Die Pressekonferenz war am 19. Mai 2020

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