Theater

Mit dem Messwein fing alles an – herrliche Komödie im Theater am Dom

Wenn ein lustloser Weinhändler (der hier ganz zufällig auch noch Jacques heißt) den ganzen Tag ignorante Kunden beraten muss, und außerdem immer noch an seiner Ex hängt, die in Neuseeland lebt, besteht schon die Gefahr, dass er selbst „sein bester Kunde“ wird. Analog dem Kalauer, wieviel ein Winzer trinken muss, um auf 1.5 Promille zu kommen: „Drei Tage überhaupt nichts“. Nun, ganz so schlimm scheint es im neuen Stück „Weinprobe für Anfänger“ im Theater am Dom nicht um ihn zu stehen. Zumal sein Hausarzt (wunderbar gelassen: Andreas Windhuis), der ihm immer wieder eindringlich ins Gewissen redet, selbst gerne einen zur Brust nimmt. Und ihm hilft, wenn er mal wieder einen kleinen Herzanfall hat.

Trotzdem ist Jacques (sehr überzeugend: Moritz Lindbergh) auf dem Wege zum grantelnden und weltfremden Kauz. Bis etwas passiert in Gestalt einer jungen wie entzückenden Dame. Adele (quirlig: Natalia Avelon) ist ehrenamtlich in der katholischen Kirche tätig, sie betreut Obdachlose, mit denen sie wöchentlich zusammen speist. Und möchte gerne den Wein kaufen, den sie bei der letzten Messe getrunken hat. Nur – woher soll Jaques das wissen? Also wird der Priester angerufen, der prompt einen sehr hochpreisigen Tropfen nennt. Warum denn auch nicht einen Grand Cru? Denn Adele wird ganz schnell beschwipst, vor allem wenn „Petite Fleur“ gespielt wird.

Ivan Calbérac hat diese preisgekrönte Komödie geschrieben, über Enttäuschungen, Schicksalsschläge, über die Möglichkeit wieder in ein glückliches Leben einzutauchen. Plötzlich Blaulicht und Polizeisirene – beim Juwelier nebenan wurde eingebrochen. Und der Verdächtige stürmt in den Laden und sucht einen zweiten Ausgang. Da schlägt das soziale Herz von Adele, sie vermittelt dem Kleinkriminellen Steve (Dustin Semmelrogge) einen Praktikumsplatz bei Jaques, da er als Freigänger sonst wieder hinter Gitter müsste. Bei einer klassischen Weinprobe mit Adele, dem Hausarzt und dem benachbarten Buchhändler Guillaume (sehr feiner Herr: Martin Armknecht) entpuppt sich Steve als Wein-Phänomen, der ohne jegliche Vorkenntnisse die typischen Geschmäcker und Gerüche des Weins spontan feststellen kann. Ein echtes Naturtalent. Und der sich auch in amourösen Dingen bestens auskennt und einen unglaublichen Break-Dance in die Weinhandlung legt, belohnt mit jubelndem Zwischenapplaus.

Etwas tiefgründiger wird es nach der Pause, denn Adele möchte unbedingt ein Kind haben, nur – ihr fehlt der Mann dazu. Ab jetzt läuft die Geschichte zur Höchstform auf, und das Ende ist nicht ohne weiteres absehbar. Kann man sich vielleicht denken, soll aber hier nicht verraten werden. Daher kann zu einem Besuch dieser feinen Komödie, einem ungewöhnlichen Liebesdrama voller Wunder, Wein und Komik nur nachdrücklich geraten werden. 2019 gewann “Weinprobe für Anfänger” den “Prix Molière” in der Kategorie „Beste Komödie“. Kein Wunder.

Denn hier beginnt der Weg von Jacques zu sich selbst, denn er tut Dinge, die er längst nicht mehr für möglich hielt: einem Menschen helfen, ein Talent entdecken, über seinen Schatten springen, einem Freund vertrauen, über Kinder nachdenken und großzügig sein. Und er begreift, dass man niemals allein sein muss.

Das Team zeigte bei der Premiere allerbeste Spiellaune, Regisseur Jürgen Wölffer sorgte für gutes Timing und Spannung.  Die Ausstattung des Weinladens von Jan Hax Halama passte prima zum Stück. Und das fast ausverkaufte Haus bedankte sich mit langem jubelnden Applaus.

Besuchte Vorstellung : Premiere am 9. November 2023

Aufführungen bis 28. Januar, Karten unter www.theateramdom.de

Fotos: ©Iris Zumbusch

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