Museen

Kolumba – Wort Schrift Zeichen – Das Alphabet der Kunst

Die neue Jahresausstellung 2023/24

Es ist jedes Jahr spannend, was das Leitungsteam des Museums Kolumba für die neue Ausstellung so aus dem Hut bzw. aus ihrem geheimen Depot zaubert. Dem Vernehmen nach gibt es ein riesiges Lager unter dem Museum und dem Garten, aber leider nicht zu besichtigen. Kolumba ist das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, wenn auch mitnichten eine­­­­­­ kirchliche Ausstellung. Es gibt allerdings einige christliche Werke, die ihren Stammplatz haben­­. Aber das Museum ist völlig frei in der Auswahl der Objekte, auch der Dienstherr Kardinal Woelki darf sich nicht einmischen. Tut er auch nicht, Baustellen hat er eh genügend.

Die Kuratoren und ihr Chef: v.l. Dr. Marc Steinmann, Barbara von Flüe, Dr. Stefan Kraus, Ulrike Surmann, Pressekonferenz am 12. 9. 2022

Allerdings steht die Ausstellung unter einem biblischen Wort, dem Beginn der Schöpfungsgeschichte im Johannes-Evangelium „Am Anfang war das Wort“, und komplex geht es weiter: „… und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“. Die Ausstellung trägt  den Untertitel „Das Alphabet der Kunst“. Denn das dauerhafte Wort ist an die Schrift gebunden, und die leitet sich ab von der Zeichnung. Im wie immer kostenlosen Begleitheft gibt es vorab ein „ABCdarium“, zu jedem Buchstaben des Alphabets ist ein Begriff erklärt, über Abstraktion, Chiffre, Graffiti, Metapher, Typologie bis Zitat. Eine gute Möglichkeit, sein Grundwissen zu überprüfen.

   

Einfacher ist das mit den vielen Alltagsgegenständen im Foyer wie Fön, Reiseschreibmaschine, Teekanne, Mausefalle. Industriell hergestellte Teile, alphabetisch geordnet, mit pfiffigen Bezeichnungen werbegünstig benannt. Die Macht der Worte halt. Manch ein Besucher hätte auch Teile aus dem eigenen Fundus beisteuern können.

         

Bei der Pressekonferenz im 2. Stock fragte Direktor Dr. Stefan Kraus zum Thema provokant „ Wie sollen wir das verstehen, dass am Anfang das Wort, nicht der Sinn und nicht die Tat gewesen sein soll?“ Eine Ausschließlichkeit, die den Widerspruch nahezu fordert.

Ein Jahr lang geht es in dem Kunstmuseum um das Verhältnis von Wort und Bild, Religion und Kunst.

Dr. Kraus regt zum Nachdenken an über Fragen wie „Wie erhalten Zeichen ihre Bedeutung und wie verändern sie sich?“. Eine der Besonderheiten dieser Jahresschau: Fast alle Exponate stammen aus dem eigenen Bestand. Die neue Ausstellung ist daher fast klimaneutral, teurer Transport und aufwändige Verpackungen erübrigen sich daher.

     

Tiefgründig, abwechslungsreich und humorvoll entführt uns Kolumba in die vieldeutigen Verstrickungen von Bildern, Zeichen und Worten.

So etwa die Arbeit von Kurt Benning (1945-2017), Eine weiße Fläche, ein senkrechter brauner Balken, oben und unten schwarze Balken. Zwei ägyptische Zierfelder zeigen ein Kreuz mit abgewinkelten Armen. Ein Symbol für Deutschland, denn wenn man in Gedanken die etwas verdreht, entsteht ein Hakenkreuz. Welches in Deutschland verboten ist. Aber dieses Symbol findet sich in der Kunst in vielen Kulturen.

Die „Schutzmantelmadonna“ von 1517 präsentiert ihren nackten Sohn einer aufwändig gekleideten Gesellschaft, damals wie heute eine Anklage der Armen gegen die Wohlhabenden.

Dorothee von Windheim hat “Z“ ausgestellt, aus dem Wort „Magazzino“ in Florenz herausgelöst. Denn „Z“ ist auch ein Zeichen für die russische Aggression gegen die Ukraine. Kraus dazu: Zeichen und Kunst sind vom jeweiligen Kontext abhängig. Denn das Hakenkreuz als Symbol der unheilvollen Nazizeit ist in Deutschland verboten, im Ausland aber keinesfalls. So gibt es in Italien Wein mit dem Konterfei von Hitler zu kaufen.

Interessant ist die umfangreiche Siegelsammlung von Stephan Beissel, eine Selbstdarstellung von Berühmtheiten vom 9. Jahrhundert bis in die 50-er Jahre.

Rebecca Horn hat einen mechanischen Blindenstab geschaffen, der scheinbar sinn- und hilflos auf einer Platte zu zeichnen scheint – nur sieht man nichts davon. Aber viel Krach macht er.

Während die Kreuz-Bilder von Andy Warhol einen heftigen Kontrast darstellen zu den „echten“ Schätzen von Kolumba, dem mittelalterlichen Vortragekreuz oder dem Elfenbein-Kruzifix, welches immer ausgestellt ist. Dazu führt Kuratorin Ulrike Suhrmann aus, dass „die Hostie, in der die Christen den Leib Jesu sehen, ein Zeichen und gleichzeitig identisch mit dem Zeichen ist.“ Schwer zu verstehen. Und Stefan Kraus dazu: „Das Kreuzzeichen muss immer wieder mit Inhalt gefüllt werden“. Ist das etwa Werbung für die Kirche ?

Es ist für den Besucher immer wieder spannend, trotz der umfangreichen Dokumentation im Begleitheft für sich erst einmal selbst eine Idee zu kreieren, was er da gerade sieht und welchen Kontext er zu erkennen glaubt. Eine Lithografie von Konrad Felixmüller (11897-1977) zeigt Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die himmelwärts auf einen Stern schauen, aber eben nicht den von Bethlehem, sondern den der sozialistischen Gesellschaft.

            

Aus St. Pankratius in Oberpleis hat man das Fragment eines Schmuckfußbodens aus gebrannten Tonfliesen von 1220 ausgestellt. Die Zahl vier bezeichnet die Jahreszeiten, die Himmelsrichtungen, die Elemente und die menschlichen Charaktere. Und im Raum 17 hängt immer noch die Installation von Terry Fox „Site Pendulum“ mit Klaviersaite, Bleikugel und Wasserglas. Für den, der es noch nicht gesehen hat: Startzeit ist immer 13:00 und 15:00 Uhr.

Anna Blume (1937-2020) hat dem Museum ihre Zeichnungen von Hausfrauen geschenkt, erstellt nach Fotografien. Solche stammen auch aus der Sammlung von Manfred Morchel, der mit seinen Hochzeitsfotos eine länderübergreifende Kulturgeschichte des Heiratens aufgebaut hatte. Und natürlich darf Stefan Lochner mit seiner „Veilchenmadonna“ von 1450 nicht fehlen; das Bild ist allerdings „umgezogen“. Vorhanden sind die Klassiker „Heilig-Geist-Altar“ von 1448 und das Sündenfall-Bild von Leonard Kern (1588-1662) „Adam und Eva verbergen sich vor Gott“. Allein diese drei Werke lohnen die Reise ins Kolumba. Aber auch für die einheimischen Kölner, denn sie sind vielleicht gemeint im Gemälde „Das jüngste Gericht“. Hier lässt der Maler die Braven ungeschoren, während die Sünder in der Hölle schmoren. Das könnte man auch gut in die Jetztzeit transponieren.

Der Umfang und die Vielfalt der Ausstellung sind schlicht unglaublich und extrem vielfältig, und mit einem einzigen Besuch auch nicht annähernd zu erfassen. Nachdrücklich empfohlen werden kann daher die Jahreskarte für schlappe 30.- €. Auf der Webseite des Museums www.kolumba.de finden sich auch mehrere Links zu Besprechungen im Radio oder TV.

Kleiner gastronomischer Tipp: https://www.veltri.koeln/ auf der Rückseite des Museums. Einer der besten Italiener in Köln, total authentisch. Nur tagsüber geöffnet.

Wort Schrift Zeichen – Das Alphabet der Kunst.

Ausstellung bis zum 14. August 2024

Geöffnet täglich 12:00 -17:00 außer Dienstag

Rezension und Fotos: Michael Cramer

 

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