Museen

“Zeig’s mir! Imagines Coloniae” im Historischen Archiv

        Die bunte Reise in die Vergangenheit Kölns

 

  Eine intime Ausstellung des Historischen Archivs der Stadt

 

Den Schwerpunkt und die Hauptauslastung ihres Berufslebens dürfte sich Dr. Bettina Schmidt-Czaia etwas anders vorgestellt haben. Die studierte Historikerin und Archivarin übernahm nach ihrer Beschäftigung in den Archiven von  Osnabrück und Braunschweig anno 2005 die Stelle als Leiterin des Stadtarchivs in Köln. Dieses hatte lange vor sich hingedümpelt, war personell unterbesetzt und am Rande seiner Kapazität. Schmidt-Czaia stockte die Mitarbeiterzahl auf, digitalisierte die umfangreichen Bestände, führte eine neue Erschließungssoftware ein und konnte die Benutzerzahlen durch die Öffnung der Institution über die „traditionellen wissenschaftlichen Benutzergruppen“ hinaus für breitere Zielgruppen ganz erheblich erhöhen. Bis zum 3. März 2009, dem Tag des Archiv-Einsturzes, wohl hervorgerufen durch die Bautätigkeit für die neue U-Bahn. Ein Super-GAU, bei dem zwei Menschen starben, für das bundesweit größte städtische Archiv, für das Gedächtnis der Stadt Köln – jetzt alles in der Baugrube unter Wasser. Und immer noch ein juristischer Streitfall.

Der Focus der Arbeit lag nun auf der Bergung, Restaurierung und Katalogisierung der weitgehend geretteten Bestände in sehr unterschiedlichem Erhaltungszustand und der Planung eines Neubaus. Die ganze Geschichte ausführlich hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Historisches_Archiv_der_Stadt_K%C3%B6ln

Ein leidlich brauchbares Interim-Archiv konnte in den Räumen der Handwerkskammer am Heumarkt eingerichtet werden, sogar mit einem kleinen Ausstellungssaal  https://www.kulturcram.de/2018/12/der-koelsche-schutzmann-oskar-der-freundliche-polizist-im-stadtarchiv/

Leider musste die Immobilie „dringend“ saniert werden, dem Archiv wurde daher gekündigt. Von heftigen Protesten begleitet – warum konnte man damit nicht noch ein Jahr  warten ? – wurde mit viel Mühe ein zweites Interim in der ehemaligen Zentrale der PSD-Bank eingerichtet. Und zwar „Open-end“ bis zum definitiven Umzug des Archivs an die Luxemburger Straße ganz nahe dem Hochhaus von Amts- und Landgericht, und auch darüber hinaus. Immerhin etwas.

Foto ©Stadt Köln

Das durchaus schicke Interim II auf der Ecke Brabanter Straße-Aachener Straße liegt fast am Rudolfplatz und inmitten der pulsierenden Gastro- und Theaterszene mit dem Bauturm-Theater und dem ehemaligen Millowitsch-Theater. Und hat sogar in einem früheren Ladenlokal einen kleinen Ausstellungssaal, den es zu nutzen galt, um das Archiv und seine Bedeutung in den Köpfen der Kölner zu bewahren.

Foto ©Stadt Köln

Aber was  macht ein Archiv, um bekannt zu bleiben ? Es liegt auf der Hand – natürlich eine Ausstellung. Die rund 160 Mitarbeiter des Archivs durften aus dem reichhaltigen Fundus 55 Bilder auswählen, welche weniger die Kölner Stadtgeschichte repräsentieren sollen, sondern den weiten Bogen zeigen, „wie bunt, vielfältig, überraschend und interessant die Kölner Geschichte jenseits des immer wieder abgedruckten Standardrepertoires ist“ (Zitat aus dem kostenlosen Begleitheft zur Ausstellung „Zeig´s mir“).

Foto ©Stadt Köln

                                                              Alte Ansicht des Rudolfplatz von Norden gesehen                              Foto: M. Cramer

Die Auswahl erfolgte daher nicht im Hinblick auf die ästhetische Qualität, sondern als Mosaiksteine für die reiche Geschichte der Stadt. Die kunterbunte Anordnung der Bilder, die sog. „Petersburger Hängung“ ist sehr platzsparend und fordert den Betrachter zu einer eigenständigen Verbindungssuche mehrerer Werke auf. Diese Anordnung wurde auch 2011 im Wallraf-Richartz-Museum praktiziert, wo in einem „Panoptikum“ über 500 selten gezeigte Werke aus dem Depot präsentiert wurden, alle wild durcheinander, aber alle nummeriert und in einem Begleitheft aufgeführt.

                                                                                   Hochwasser in Köln                                                                Foto: M. Cramer

Und wie macht man das ? Nun, der Ausstellungsraum ist sehr klein, für die feierliche Eröffnung am 3. März 2020  in Anwesenheit der Oberbürgermeisterin und genau 11 Jahre nach Archiveinsturz waren nur 100 Personen zugelassen. Die Pressekonferenz am Vormittag war deutlich überschaubarer und gab Gelegenheit, die sehr unterschiedlichen Werke in Ruhe betrachten zu können. Und nach den interessanten und fundierten Ausführungen von Dr. Ulrich Fischer, stellvertretender Archivleiter, und Dr. Max Plassmann, Sachgebietsleiter für Nachlässe, Altbestände und Sammlungen, mit den Herren im Detail zu diskutieren.

                                                Dr. Ulrich Fischer (rechts) und Dr. Max Plassmann                                  Foto: M. Cramer

Man hat bewusst kein Thema vorgegeben für die Ausstellung, jeder Besucher der kostenlosen Präsentation erhält die Broschüre mit allen Objekten und Details. So kann man immer wieder neue Facetten an der Heimatstadt erkennen: Mittelalterliche  Buchmalereien neben früheren Stadtansichten, Präsident Kennedy in Köln neben Postkartenmotiven aus dem 1. Weltkrieg, die berühmte Reissdorf-Kölsch-Reklame neben dem Bild des Erzbischofs Joachim Meisner als Negativ und einem „Memorienbuch“ aus dem 15. Jahrhundert mit Nonnen im Fegefeuer. Sieht da etwa jemand einen diabolischen Zusammenhang? Was heutzutage durchaus aber noch Symbolcharakter haben dürfte, ebenso wie der Eintrag der Spieler des 1. FC Köln nach dem Gewinn der Fußballmeisterschaft von 1962 im Goldenen Buch der Stadt. Fotos von Einschusslöchern am Kölner Dom und einer Innenansicht mit Trümmern stehen neben Bildern vom fatalen Hochwasser von 1888 und 1955. Und auch aktuell: die 500 Jahre alte Zeichnung der Hinrichtung des Bürgermeisters Johann Breyde mit dem Schwert – hier allerdings nur als Warnung. In den sozialen Medien liest man dererlei heutzutage leider fast täglich.

Das bunte Bilderpuzzle lädt alle Passanten ein, gerne durchaus auch mehrmals vorbeizuschauen, um sich ihre Stadt immer mehr auch optisch einzuverleiben und näherzubringen im intimen Rahmen des zweiten temporären Stadtarchivs. Und ebenso ist eine kleine Mitarbeit möglich: Jeder Besucher kann drei Lieblingsbilder auswählen, alle „Sieger“ kommen dann in den Jahreskalender 2021 des Archivs.

Das neue Archiv (Visualisierung) ist fast fertig, Eröffnung Ende 2020

Brabanter Straße 2-4, 50674 Köln, Di-So 10:00 bis 16:30, Mittwochs 10:00 bis 19:30 Uhr, immer Eintritt frei.

 

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