Museen,  Musik

Die Oper lebt in Bonn – perfekt im Museum

 

Text und Fotos von Michael Cramer

Die Oper ist tot – es lebe die Oper ! Ja was denn nun ? Tot – oder lebendig ? Vergangenheit – oder Zukunft ? Rückblende – oder kühne Vision ? Was hat uns, die gemeinen kulturbeflissenen Museumsbesucher,  denn die renommierte Bonner Bundeskunsthalle da vorgesetzt ? Und auch noch parallel zu „Ernsthaft“, einer Show über Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst https://www.bundeskunsthalle.de/ernsthaft.html; das ziemliche Gegenteil zur Opern-Ausstellung nur eine Türe weiter.

 

Eher schlicht: La Fenice in Venedig

 

Backstage mit Anweisungen

Vorweg: Die Bundeskunsthalle hat hier eine überaus opulente Ausstellung kreiert über 400 Jahre Operngeschichte, sehr vielschichtig, mit lauter originalen Kostümen, Programmen, Postern, Gemälden, Filmausschnitten und Einspielungen. Zu goutieren ist keine starr chronologisch aufgebaute Ausstellung, sondern man wandelt entspannt über eine „tour de force“ durch die Gänge, gelockt von diversen geschickt ausgeleuchteten Eyecatchern zu den unterschiedlichen Themen.

Videowand mit Ansicht von der Bühne aus

Besonders auffällig ein imposanter Blick von allen möglichen Bühnen in den Zuschauerraum, mit all der imposanten Technik, im Wechsel nach einem sich jedesmal anders öffnenden Vorhang. Leider war nicht herauszubekommen, um welche Bühne es sich jeweils handelt. Aber das wird kaum mehr installiert, da die Ausstellung am 5. Februar endet. Jedoch nicht sang- und klanglos, sondern noch einmal mit einem „Abschlussfeuerwerk“, mit Kuratoren-Führungen von Katharina Chrubasik und Alexander Meier-Dörzenbach.

Bühnenmodelle und “Parsival” aus dem Prado, Madrid

Zum Finale der Ausstellung und nach ca. 40.000 Besuchern geben Ihnen die beiden – Kurator und Kuratorin – gemeinsam facettenreiche Einblicke und erzählen bekannte und unbekannte Geschichten über die sich immer wieder neu erfindende Institution Oper.

Am Eingang gegenüber der Garderobe fallen Vitrinen ins Auge, mit käuflichen Objekten zum Thema, darunter ein dickes, reich bebildertes Buch über die Ausstellung zum reduzierten Museumspreis von 37.-€. Ein ideales Geschenk. Und ein Poster hoch oben über dem Eingang über das Wesen der Oper: „Die Oper kann das Wichtigste und Dramatischste aller Schauspiehle seyn, weil darin alle schönen Künste ihre Kräfte vereinigen: Poesie. Musik. Tanzkunst. Mahlerey und Baukunst vereinigten sich zur Darstellung der Opera.” (Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der schönen Künste, 1774) Das kann man nur fett unterstreichen.

Haupt-Geber für die Ausstellung ist das „Archivo Storico Ricordi“, welches immense Mengen Originalpartituren, Libretti, Bühnen- und Kostümentwürfe und die alte geschäftliche Korrespondenz von Ricordi enthält. Der renommierte Musikverlag ist später von Bertelsmann partiell übernommen worden, die historischen Schätze werden somit gepflegt, digitalisiert und für die Nachwelt erhalten und bereitgestellt.

Begehbare Bühne

Es geht locker los mit den „alten“ Opern, die an den Höfen der Medicis in Italien zur Ergötzung der Herrschenden entstanden waren, natürlich nur für ein erlesenes und sorgsam gepudertes Publikum (was heute auf Grund der Subventionen natürlich ganz anders ist).

Teure Eintrittskarten
Preiswerte Plätze im dritten Rang
Erotischer Nebeneffekt im Opernhaus

Und um die eigene Machtposition durch möglichst viel Pracht zu demonstrieren, denn exzessives Marketing war auch damals schon angesagt. Hier ist Claudio Monteverdi in Mantua mit „L´ Orfeo“ von 1607 als erster Opernkomponist überhaupt zu nennen. Und es ist kein Wunder, daß die Italiener die Oper „erfunden“ haben, immerhin haben später Verdi, Bellini, Puccini, Cavalli oder Rossini (die „Big Five“ der Oper) ganz Europa in einen Operntaumel versetzt, und das bis heute. In der Ausstellung kann man sich erfreuen an prächtigen Kostümen, an dreidimensionalen Bühnenentwürfen, an den originalen Accessoires und Schmuck, die von berühmten Sängerinnen in ebenso berühmten Aufführungen getragen wurden. Da gibt es das Kostüm der Tosca, geschaffen von Nicola Benoit, 1958 erstmals getragen von Renata Thebaldi in Wien, immer wieder nachgeschneidert, dazu eine Liste von 101 Sängerinnen in 632 Aufführungen. Wo erlebt man so etwas nur ?

Kostüm der Turandot, getragen von Bitgit Nilsson
Plakat der Uraufführung 1926

Auch das immens große Gewand der männermordenden Turandot in der Oper von Puccini, für das extra eine immens große schützende Vitrine gebaut wurde. Ebenso: das Original-Kostüm des Enrico Caruso als Bajazzo liegt da neben einer alten Schellackplatte und seinen Skizzen als begabter Karrikaturist. Auch der originale Kopfschmuck der Callas für die Turandot ist ausgestellt; den hat sie allerdings nie auf der Bühne getragen, sondern nur für das Foto auf dem Plattencover. Jetzt seufzen vermutlich einige Freunde der alten analogen Schallplatten.

“Altar” mit Erinnerungen an Enrico Caruso

Der Opernfreund wandelt ehrfürchtig entspannt an den Kostbarkeiten vorbei, lauscht den Ausführungen seines elektronischen Führers, der auch passend zum Thema gleich Musik von sich gibt. Sehr komfortabel. Die Kuratoren der Ausstellung, Katharina Chrubasik und Alexander Meier-Dörzenbach, haben es geschafft, die Opernliebhaber zu verwöhnen; zwar nicht mit echten Aufführungen, aber mit fast lebendiger Materie und vielleicht auch noch mit bisher nicht bekannten Details. Aber sicherlich auch neue Opernfreunde zu kreieren durch die Neugierde auf das Medium.

Bühnenmodell für Parsifal

So hat ein befreundeter Fotograf, von Oper eher unbeleckt, die Ausstellung gleich zweimal besucht, weil der den Rausch der Objekte und das Flair noch einmal genießen wollte. Deutschland ist übrigens Weltmeister – aber mitnichten im Fußball, sondern in der Anzahl der Opernhäuser  (84), die aus der damaligen großen Anzahl von Schlösser und Palästen resultieren. Jeder wollte halt ein eigenes Orchester haben, und möglichst noch dazu eine Oper. Der originelle Film über die Opernvielfalt „Un viaggio in Germania“ – man denkt an Rossinis „Viaggio a Reims“ – ist auch im Netz zu sehen https://www.bundeskunsthalle.de/oper.html 

Zu sehen ist übrigens auch eine Original-Verdi-Trompete für den Triumphmarsch in der Aida (wofür denn auch sonst), mit nur einem Ventil, die für Aufführungen verliehen werden konnte. Ein Schwergewicht ist natürlich das Werk Richard Wagners, dazu wurden etliche Gemälde ausgeliehen (und natürlich ausgestellt) mit Szenen aus der Nibelungensage und dem jungen Parsifal.

Hans Markart, Walküre mit sterbendem Helden

Auch das Bayreuther Festspielhaus wird umfangreich gewürdigt. Und die berühmten Opernhäuser in Wien, Paris, New York und Dresden. Bonn und Köln (da seit 2015 noch “in restauro”) sind leider nicht dabei.

Kostüm und Schmuck des Radames

 

Historisch: Ein Stück von Bühnenboden und Vorhangseil der alten Met
Schmuck von Maria Callas als Tosca

Das Museum schreibt in seinem letzten Newsletter: „Letzte Chance, bevor wir Ciao Oper sagen!“ Wir müssen uns in knapp zwei Wochen schweren Herzens von unserer faszinierenden Schau “Die Oper ist tot – Es lebe die Oper!” verabschieden und leise ciao sagen. Ein lautes grazie mille sagen wir den vielen kleinen und großen Besucher*innen! Sollten Sie die Ausstellung noch nicht gesehen haben, dann empfehlen wir unbedingt einen Besuch – tauchen Sie ein in die schillernde Welt der Oper! Es erwartet Sie ein ganz großes Spektakel, versprochen. Aber nur noch bis zum 5. Februar. Als krönenden Abschluss möchten wir Ihnen das Programm zum Ausstellungsende wärmstens empfehlen. Wir freuen uns auf Ihr Kommen!“

Dem kann sich der Schreiber dieses Berichtes nur anschließen, auch er wird gerne noch einmal dabei sein.

www.bundeskunsthalle.de

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