Musik

Italo-Power bei Cenerentola

Italienische Power im Staatenhaus

Der Trailer: https://www.oper.koeln/de/#

Wer das Glück hatte, die famose Adriana Bastidas–Gamboa 2016 In der semi-szenischen Aufführung im Kölner Staatenhaus erlebt zu haben, hat vielleicht eine Vorstellung davon, was ihn nun bei der regulären Aufführung erwarten konnte. https://www.kulturcram.de/2016/04/la-cenerentola-konzertant-fast-eine-komplette-inszenierung/ Die Regisseurin Eike Ecker hatte damals eine hoch bejubelte Arbeit abgeliefert; dasselbe muss ihrer italienischen Kollegin Cecilia Ligorio neidlos bescheinigt werden. Diese ist in ganz Italien sehr hoch geschätzt, sie ist Schauspielerin, Librettistin und Regisseurin, ihr Spezialgebiet ist die Verbindung zwischen Musiktheater und Tanz. Das zeigte sie bei ihrer ersten Arbeit in Deutschland sehr eindrucksvoll.

Es verblüfft den Berichterstatter immer wieder, was in der Oper den Produktionsteams so alles einfällt. Und da sind die Italiener als „Erfinder“ der Oper oft weit voraus. Das Staatenhaus erlebte eine italienische Power: Die italienische Oper selbst von einem sehr berühmten italienischen Komponisten, dann die bereits genannte italienische Regisseurin, der italienische Dirigent Matteo Beltrami, der Bühnenbildner Gregorio Zurla, die Kostümbildnerin Vera Pierantoni und der Lichtdesigner Marco Giusti. Auch Omar Montanari, der Sänger des Don Magnifico, ist Italiener. Nur die Choreografin des unglaublichen Herrenballetts, Daisy Ransom Phillips, ist aus Amerika; sie arbeitet allerdings regelmäßig mit der Regisseurin. Bei dieser südländischen Fülle kann eigentlich nichts schiefgehen – ging es auch nicht.

Es begann mit einer halben Bühne – nur rechts. Da sitzt jemand an einer alten Schreibmaschine und tippt verzweifelt vor sich hin. Schmeißt jede Menge Geschriebenes weg. Das konnte eigentlich nur Alidoro (Christoph Seidl)  sein, der Philosoph Rossinis, der sich hier zum Librettisten wandelt, später mit seinem Schreibtisch nach links rüberzieht, und sich die meiste Zeit literarisch mit dem Stück beschäftigt.

Nach und nach kommen die Protagonisten auf die Bühne, die beiden durchgeknallten, extrem agierenden Schwestern Clorinda und Tisbe (Jennifer Zein und Charlotte Quast), der Papa Don Magnifico (Omar Montanari) und der inkognito und auf Freiersfüßen agierende Prinz Don Ramiro als Diener (Pablo Martinez) im schlichten blauen Anzug. Sein tatsächlicher Kammerdiener Don Dandini (Wolfgang Stefan Schwaiger) gibt sich als den Prinzen aus und wird von den beiden Damen und auch von deren finanziell klammen Vater heftig umschwärmt, der auf eine saftige Mitgift spekuliert.

Die Geschichte der Cenerentola, ossia La bontà in trionfo (deutsch: Aschenputtel, oder Der Triumph des Guten) ist sehr alt, wurde immer wieder umgeschrieben „Ruckedigu, Blut ist im Schuh“, das kennt jeder Märchenliebhaber, wo sich die Schwestern ihre Füße beschneiden, um in die berühmten Schuhe zu passen. Rossini verwendet für seine geniale Oper jedoch die Fassung von Charles Perrault und das Libretto von Jacopo Feretti, als harmloseres Erkennungszeichen gibt es ein Armband des Prinzen. Cenerentola ist die Stiefschwester der beiden Schwestern, wird drangsaliert und muss im Hause niedere Dienste verrichten. Der Prinz entdeckt sie und ist begeistert von ihrer Schönheit. Köstlich das Liebesduett mit dem Prinzen beim Wäschefalten.

Regisseurin Cecilia Ligorio hat ihrem Ruf gemäß aus der Geschichte ein Broadway-Musical gemacht, mit allerlei bunten und sehr beweglichen Revue-Elementen. Dabei sind die tanzenden Kellner der Oberkracher, die heftige Lachsalven nach sich zogen, genauso wie die Besen schwingenden Putzmänner und die sich bewegenden Tische. Man hatte kaum genügend Augen, alles zu registrieren. Da haben die Kostümabteilung und die Maske ganze Arbeit geleistet. Köstlich auch die intensiv sogar vom Dach aus fotografierenden Neugierigen, eine böse Anspielung auf die allgegenwärtigen Paparazzi unter den Schönen und Reichen.

Star der Aufführung war eindeutig die Kolumbianerin Adriana Bastidas-Gamboa, seit Jahren ein Garant für exzellenten Gesang und exzessives Spiel; in jüngster Zeit spektakulär als Carmen und als Rosina im Barbier von Sevilla. Ihr dunkler, oft geheimnisvoller und dennoch sehr beweglicher Mezzo, verbunden mit verblüffend präzisen und mitreißenden Koloraturen, ist immer wieder eine Freude zu hören.

Musikalisch ist ansonsten alles vom Feinsten. Dirigent Matteo Beltrami läßt das sehr aufmerksame Gürzenichorchester einen fein ziselierten Rossini spielen, mit herrlichen Bläserpassagen und ohne die Sänger zuzudecken. Wer genau hinschaute, konnte erkennen, daß er alle Arien mitsang – allerdings hatte er die Partitur vor der Nase. Theresia Renelt am Hammerflügel begleitete engagiert mit gelegentlichen hübschen Ausflügen in die leichtere Muse. Und interessant: der Souffleurkasten war ungewöhnlich groß, die Souffleuse dirigierte heftig parallel zu Beltrami. Sonst wäre die komplexe Inszenierung wohl kaum präzise zu stemmen.

Pablo Martinez als Don Ramiro ist der klassische Spieltenor mit strahlender Stimme und schönen Koloraturen. Ihm läuft jedoch Wolfgang Stefan Schweiger als sein Diener Dandini den Rang ab mit einem volltönenden, sehr beweglichen Bassbariton und köstlichem Spiel.

Die beiden Schwestern Jennifer Zein und Charlotte Quadt ergänzen sich herrlich sowohl musikalisch als auch szenisch. Der Literat Omar Montanari als Don Magnifico erfreut mit fantasievollem Spiel in einer ungewohnten Rollendarstellung. Und der ewig betrunkene Don Magnifico (Omar Montanari) versucht seine aufgebrezelten Töchter sehr wohlklingend an den Mann bzw. an dessen Diener zu bringen. Fast die ganze Aufführung lang agiert Christoph Seidl als Literat Alidoro auf der Bühne, an seiner alten Schreibmaschine oder das Gewusel ordnend. Mit sehr schöner und kräfiger Stimme, wenn er auch mit den Koloraturen etwas Mühe hat.

Auch szenisch gab es viel Erfreuliches. Wie der Palast des Prinzen, der nur aus einem riesigen Schriftzug besteht. Originell und nicht so teuer. Oder die Situation, wo der gesamte Herrenchor als Alidoro-Vervielfachung aus dem Ball im Palast des Prinzen beim Anblick der unbekannten Schönen geschlossen in Ohnmacht fällt.

Als letzte Premiere im laufenden Jahr ist diese Cenerentola außerordentlich empfehlenswert, Aufführungen noch bis zum 8. Januar 2023. Tickets hier: www.oper.koeln

Foto: Michael Cramer

Text von Michael Cramer

Fotos: © Matthias Jung

 

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