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Zirkus-Magie am Schokoladenmuseum Köln

Ein poetisches Gesamtkunstwerk  im Retro-Look,

Text von Michael Cramer

Fotos von ©Dmitry Shakin

Bei der alljährlichen Verleihung des Oscar in der Filmwelt Amerikas gibt es auch immer einen für die beste Nebenrolle. Den hätte im „Cirque Buffon“ die junge Französin Noémie Picherau hoch verdient. Als studierte Clownin  (so heißt ein weiblicher Clown wirklich) abenteuerlich geschminkt und gekleidet, die langen Haare als riesiger Zipfel hochgebunden, kann man kaum die Augen von ihr lassen, egal was sonst passiert. Wie sie sich bewegt, wenn sie sich bei einem Zuschauer ausweint, sich abschminkt zum Ende der Show und ihren Zopf löst, und man dann beim Verlassen des Zeltes auf der Erde die Puppe entdeckt, die auf dem Rücken des Bajan-Spielers immer mittanzte.

                  

Da wird es schon etwas melancholisch ums Herz im Gedanken an die eigene Kindheit; denn dieser Zirkus ist weit weg von den technischen Hochleistungen, sondern ein „poetisches Gesamtkunstwerk“ im Retro-Look, wie sich der Direktor und Gründer Fréderic Zipperlein ausdrückt.

Eine Mischung aus Artistik, Theater, Tanz, Live-Musik und einer Menge Humor. Es passen 400 Zuschauer in das 360-Grad-rundum-Zelt am Schokoladenmuseum, man sitzt eng nebeneinander und dicht an den Künstlern, bekommt aber jede feine Regung mit. Spürt genau, wie sehr die Artisten und Musiker mit dem Herzen dabei sind. “Paraiso“ ist nicht nur ein excellenter Rum, sondern der Titel der Show, inspiriert von den Gestalten auf den Bildern des Hieronymus Bosch, dem spätgotischem Maler, der skurrile Figuren und Fabelwesen dargestellt hat. An die muss man denken, wenn man die Akteure auf der kleinen runden Bühne sieht. Der schaurige, angsterregende Zwerg ohne Gesicht, der auf einmal hochgewachsen und artistisch am Trapez seine Kunst zeigt.

 

 Die beiden „verfeindeten“ Comedy-Tänzerinnen Suzanne und Yana klettern mitten durch die Zuschauer auf die Bühnen, zeigen erst ein zu Chopin-Musik atemberaubend schönes Ballett, um sich dann ordentlich zu verprügeln. Und wie! Noch aufregender wird es auf dem Trapez, wenn sie sich gegenseitig herunter zu werfen versuchen. Brüllendes Gelächter im Publikum, aber leider ohne Wiederholung. Die hauseigene Kapelle mit Violine, Mini-Klavier, Bajan, einem Knopfakkordeon, und dem  Kontrabassisten Sergej Sweschinski, der die Musik komponiert hat, verteilt sich gut zu beobachten unter die Zuschauer und tritt auch als Gruppe auf. Nicht zu vergessen die Sängerin Anja Krips, Ehefrau des Zirkusdirektors, die in einer fremdländischen Fantasiesprache sanfte Lieder singt – wunderbar zum Einstimmen, Entspannen, Nachdenken.

     

Foto: Marita Cramer

Und: Sie führt ein Feinkostgeschäft mit einem kleinen Restaurant in Köln, natürlich unter dem Namen des Zirkus.

Zu Beginn hängt eine Art Lampe mit langen Tentakeln an der Kuppel, in die man hineinsingen kann, die Clownin agiert wild und versucht immer wieder, eine Königskrone ihren Mitspielern zu stibitzen. Zwar originell und energisch, aber ganz friedlich     .

Vertikaltanz ist die Kunst der Helena Lehmann, die an einer elastischen Stange akrobatische Stunts und sinnlich-erotische Verrenkungen zeigt, allerdings ganz anders als in einschlägigen Strip-Lokalen. Immerhin ist sie ausgebildete Ballerina. Und nicht Augen genug hatte man für die Zauberei von Winsten Fuenmayoer, der irgendwoher hunderte Spielkarten herschaffte (die die Kids in der Pause für sich aufsammelten) und weiße Bälle pulverisiert. Wer das Cyr-Rad nicht kennt

kann es hier kennenlernen. Die Amerikanerin Alexis Hedrick ist mit ihm in der ganzen Welt aufgetreten, die Artistin zeigt mit diesem überdimensionalen Hula-Hoop-Reifen ihre verblüffende Balance und Körperbeherrschung. Und alles auf kleinstem Raum. Kraft und Elastizität muss natürlich auch gezeigt werden, das macht Alexander Mithin aus Russland. Seine Verrenkungen sind einfach unglaublich, man fragt sich vielleicht, was denn seine Gelenke später dazu sagen.

         

Für die internationale Mischung aus Artistik, Theater, Tanz, Live-Musik und eine Menge Humor bekommen zum Schluss natürlich alle Künstler eine eigene Krone für sich für ihre Leistungen. Die haben sie allerdings auch voll verdient. Und den begeisterten Applaus des stehenden Publikums, welches sich im Anschluss im Foyer noch mit den Akteuren unterhalten konnte. In welcher Sprache auch immer.

Fréderic Zipperlin                            Foto: Michael Cramer

Dazu Fréderic Zipperlin: Unsere Shows sind für jeden. Kinder, Eltern, Großeltern kann er gleichzeitig begeistern und das fasziniert mich an dieser Kunst. Sie ist nicht elitär, sondern populär. Lustig. Melancholisch, mitreißend und in jeder Sprache zu verstehen.

Hier ein Video:  https://www.cirque-bouffon.com/gregor-wollny/

 

Spielort: Zirkuszelt, Am Schokoladenmuseum, 50678 Köln

29. April bis 4. Juni 2023
Mittwoch bis Freitag 20 Uhr,
Samstag 15 und 20 Uhr,
Sonntag und an Feiertagen 14 und 17 Uhr,
Montag und Dienstag keine Vorstellungen,
Aber Montag, 29. Mai 2023 (Pfingstmontag), jeweils um 14 und 17 Uhr
Tickets über koelnticket (zzgl. VVK-Gebühr) an der Abendkasse am Zirkuszelt (ohne VVK-Gebühr, ab 2 Stunden vor jeder Vorstellung)

Weihnachtsprogramm  “Celeste” 13.12. – 7. 1. 24 wieder in St. Michael, Brüsseler Platz

 

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