Aktuell oder historisch

Die Liebe aus der Ferne – leider aussichtslos

 

“L´Amour de Loin” in der Oper Köln – musikalisch hinreißend, szenisch zäh

Ist der Name Kaija Saariaho dem Leser dieser Zeilen vielleicht bekannt ? Vermutlich nicht. Es handelt sich um eine Dame, eine finnische Opernkomponistin aus dem Genre „neue Musik“. Sie nicht zu kennen ist natürlich keine Schande. Näheres hier: www.concerti.de/komponisten/kaija-saariaho

Kaija ist zwar aus wohlhabendem Hause, musste sich für ihren Berufswunsch „Komponistin“ aber hart gegen die Männerwelt durchsetzen. Nach dem Studium in Helsinki ging sie nach Freiburg und fand ihre musikalische Heimat dann in Paris, hier im berühmten Institut für elektronische Musik im Keller des Centre Pompidou.

Ihre erste Oper  „L´Amour de Loin“ – Die Liebe aus der Ferne – wurde 2000 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt, die deutsche Erstaufführung erfolgte 2003 in Darmstadt, auch die Met in New York  gehörte zu den Glücklichen. Und nun das Staatenhaus in Köln. Diese Location hat weder einen Orchestergraben noch eine reguläre Bühne mit Vorhang – aber dadurch sehr vielfältige Möglichkeiten für die Inszenierung und die Lage des Orchesters. Was in der Vergangenheit auch vielfältig genutzt wurde, so ganz extrem in einer 360 Grad -Inszenierung der „Soldaten“ von Aloys Zimmermann; hierfür wurden eigens drehbare Stühle für das Publikum angeschafft oder gemietet.  „L´Amour de Loin“ aktuell       jetzt auch in Köln. Drei bzw. vier Bühnen gab es: Links eine Art von Neon- Röhren umrahmter Guckasten, nebenan die eigentliche Bühne, dazwischen das Orchester, rechts eine Spielfläche aus überdimensionalem Wellblech, außen der Chor, für alle sichtbar parallel dirigiert von Rustam Samedov.

Die Geschichte ist – im Gegensatz zu vielen Barockopern oder Shakespear’schen Dramen – recht einfach; nur drei Akteure: der Troubadour Prince Jaufré Rudel und die von ihm besungene, aber weit entfernt lebende Gräfin Clémence. Rudel versucht mit Vermittlung eines hin und her reisenden Pilgers zu seiner Angebeteten zu kommen, wagt endlich die beschwerliche und gefährliche Reise nach Tripolis, und stirbt an einer auf der Fahrt zugezogenen Krankheit in den Armen seines angebeteten Idols. Man denkt hier an Tristan und Isolde,  an Pelléas und Mélisande, vielleicht auch an Smokies „Living next door to Alice“. Die Festschreibung des Stückes auf das 12. Jahrhundert und die höfische Liebe, die hohe Minne, tut durchaus not, und ermöglicht der Komponistin auch einen Ausflug in die mittelalterliche Klangwelt.

Leider ist der Stoff der Oper nicht nur zeitlos, sondern beinahe handlungslos. Freunde ewig langer gesungener Monologe kommen hier durchaus auf ihre Kosten, aber es zieht sich. Immerhin an die drei Stunden gepflegter Langeweile ohne nennenswerte innere Spannung. Man wird schnell müde, den Text auf den Monitoren zu verfolgen und aufzunehmen. Denn die Dramen spielen sich nicht in einer äußeren Handlung, sondern im Inneren der Personen ab. Eine Abwechslung läge vielleicht in der Beobachtung der beiden Souffleusen Beate Lenzen und Elisa Quarello, die hochkonzentriert beschäftigt sind.

Wenn da nicht diese unglaubliche Musik und dieses fantastische Gürzenichorchester wären. Der freiberuflich tätige Dirigent Constantin Trinks ist hoch dekoriert und weltweit unterwegs; hier hatte er richtig viel zu tun, das auf Wagner-Größe erweiterte  Orchester allein mit fünf Percussionisten und einer breiten Palette an Schlagwerk, dem Chorleiter und einem umfangreichen Bläserensemble in seinem Sinne zu formen; und das gelang ihm ganz vorzüglich über regelrechte Klangwolken mit elektronischen Einspielungen, einem Klavier und zwei Harfen. Die Dramaturgie der Musik, die quasi der Hauptakteur des Stückes ist, lässt zuschauen, wie sich die Liebe zwischen Rudel und Clémence entwickelt; deren stumme Doppelgänger mimen auf der „Wellblech-Bühne“ eine dichterisch erfundene Liebe, welche die Protagonisten niemals zusammen kommen lässt. Der in Köln wohlbekannte Regisseur Johannes Erath, der in Köln für Glucks „Orfeo et Euridice“, Verdis „Aida“, Jules Massenets „Manon“ und Gounods „Faust“ verantwortlich war, hat erneut eine glänzende Visitenkarte abgegeben, zusammen mit dem Bühnenbildner Bernd Hammer, der zum ersten Mal im Staatenhaus tätig war.

Ja, und die drei Sänger – das war vom Feinsten und perfekt passend. Holger Falk , hoch renommierter und viel beschäftigter Bariton, bestätigt hier seinen Ruf: wohlklingend, sehr textverständlich, überzeugend im Spiel. Emily Hinrichs sang die Clémence hingebungsvoll und perfekt, genau wie Katrin Wundsam den Wanderer (alternativ singt Ariana Bastidas-Gamboa): Das war Operngesang in großer Perfektion. Das Publikum feierte die Sänger und das Orchester jubelnd, wenn auch nicht allzu lang.

Premiere am 24.10.2021, besuchte Aufführung am 27.10.2001

Fotos von © Paul Leclaire

Verbleibende Aufführungen am 10. und 13. November

 

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