Musik

Cenerentola in Bonn: unbedingt reingehen !

Gioacchino Rossini: La Cenerentola,  Oper Bonn

Der Italiener Gioacchino Rossini war schon etwas sehr Besonderes. Der Komponist hatte sich mit Mitte 30 und nach 41 sehr erfolgreichen Opern auf die faule Haut gelegt, seinen Ruhm und seine reichlichen Tantiemen ausgekostet und viele damalige VIPs der Pariser Gesellschaft angeblich selbst bekocht. So sind wohl auch die „Tournedos Rossini“, kleine Rinderfilets mit Gänsestopfleber, nach ihm benannt worden. Mit 71 Jahren nahm er noch einmal einen Kompositionsauftrag an und schuf seine “Petite Messe Solennelle”, eine kleine Messe für 4 Solisten und Chor; wegen der Enge im Kloster nur mit Klavier. Eine Widmung findet sich am Ende der Partitur: „Lieber Gott – voilà, nun ist diese arme kleine Messe beendet. Ist es wirklich heilige oder ist es vermaledeite Musik? Ich wurde für die Opera buffa geboren. Wenig Wissen, ein bisschen Herz, das ist alles. Sei also gepriesen und gewähre mir das Paradies.” Das Publikum war damals nahezu verrückt nach seiner Musik, und es fiel kaum auf, dass der Maestro sich oftmals selbst beklaut hatte.  So auch in „La Cenerentola“, der Geschichte vom Aschenputtel nach dem Märchen von Charles Perrault; man horcht immer mal wieder auf: „Das kenne ich doch“. Aber Rossini dürfte hoffentlich dennoch ins Paradies gekommen sein.

   
In der Buffo-Oper heiratet die arme Cenerentola am Schluss natürlich den Prinzen, das Werk hat eine große Erfolgsgeschichte bis heute. Das konnte man sich nach der Aufführung in Bonn auch bestens vorstellen; es gab in Bonn immer mal wieder eine Aufführung, wo einfach alles stimmte: Ein blendend aufgelegtes Orchester mit hohen Einzelleistungen vor allem der Bläser und des Continuo (Marco Medved am Hammerflügel) und mit dem Dirigenten Rubén Dubrovsky, dazu eine exzellente Sängerriege. Dubrovsky stammt aus einer polnisch-italienischen Künstlerfamilie, wurde in Buenos Aires geboren und hat eine klassische Ausbildung als Cellist und Dirigent. Das merkte man an seiner Sensibilität im Umgang mit dem Orchester und der Führung der Sänger. Er scheint auch mit dem Regisseur befreundet zu sein, wie zu erfahren erkennbar an der Umarmung beim hoch verdienten Schlussapplaus nach der Premiere.

      

Andrea Belli hat eine originelle Mehrzweck-Bühne gebaut; eine gewundene drehbare Treppe führt im heruntergekommenen Hause des verarmten Don Magnifico oben quasi ins Nichts, bietet aber auch den Raum für die Feuerstelle der Cenerentola. Und stellt mittels einer heruntergelassenen Empore den schicken prinzlichen Palast dar, alles von einem Goldrahmen umgeben, der Sinn macht, da das Geschehen auf der Bühne immer mal wieder einfriert. Zeitlich ist das Ganze einschließlich der originellen Kostüme von Margherita Baldoni auf das Ende des 18. Jahrhunderts zu verorten, eine Plattenkamera mit Blitzpulver für das obligate Familienfoto ist aus viel späterer Zeit.

Auch schauspielerisch gab es Hervorragendes zu goutieren, allen voran Martin Tzoney, der diese Rolle vor Jahren hier im Hause schon einmal gesungen hatte, und auch oft anderswo. Verblüffend sein ausgeprägter Spielwitz, der immer wieder zu Gelächter und Zwischenapplaus führte. Seine mächtige, ausdrucksvolle Stimme als Betrunkener wie als Werber für seine heiratswilligen Töchter war einfach perfekt mit herrlicher Tiefe, aber auch mit salbungsvollem Timbre. Diese Perfektion gilt auch für die beiden jungen Damen, die mit exorbitanter Garderobe um einen potentiellen Ehemann buhlen, und sich dabei gegenseitig fast die Augen auskratzen; selbst beim Schlussapplaus zankten sie noch darum, wer in der ersten Reihe stehen darf. Die Tschechin Lada Bočková als Clorinda ist in Bonn neu im Ensemble, nachdem sie beachtliche Auftritte an zahlreichen europäischen Bühnen absolvierte. Mit ihrem strahlenden, sehr sicheren Sopran, zusammen mit ausgeprägter Spielfreude, ist sie eine willkommene Bereicherung des Bonner Ensembles. Und ein interessanter Kontrast zu ihrer „Opernschwester“ Charlotte Quadt als Tisbe; sie ist die herbere der beiden verwöhnten Schwestern, mit ausdrucksvollem Mezzo und hervorragender gymnastischer Beweglichkeit. Köstlich das berühmte Katzenduett der beiden in einer Umbauphase mit im Orchestergraben baumelnden Beinen.

Den Don Ramiro schmetterte Francisco Brito mit strahlendem, aber zuweilen auch lyrischem Tenor, so wie ein Argentinier halt gerne singt, der eine Frau liebt; aber auch routiniert nach vielen Auftritten anderweitig in dieser Rolle. Seinen Diener Dandini, der den Grafen mimen sollte, verkörperte Carl Rumstadt mit einfach schöner, sehr beweglicher Stimme. Alidoro ist der Strippenzieher im Hintergrund und Herr über eine Handvoll junger Engel, die überall entzückend rumwirbelten und auf offener Bühne die Windmaschine und das Donnerblatt bedienten.

Luciana Mancini, Cenerentola

Aber die „Oberpalme“ des Abends gehört sicherlich Luciana Mancini, der Titelfigur der Oper. Eine zierliche Sängerin, die mit ihrer großen Auftrittsarie „Una volte c´era un re“ (“Es gab einst einen König”) fast zu Tränen rührte; man hätte sie am liebsten mal ordentlich geknuddelt. Aber was für eine Stimme, mit so vielen Facetten, im ärmlichen, schmutzigen Gewand und später im Ballkleid als Herzogin. Einfach toll !

Der vorzügliche Herrenchor (Einstudierung Marco Medved) drückte sich glücklicherweise – wie so oft zu sehen – nicht irgendwo rum oder stand nur an der Rampe, sondern kam im Reiterdress auf imaginären Pferden auf die Bühne galoppiert. Ein running gag, der für Lacher sorgte, sich aber etwas oft wiederholte.

Leo Muscato ist hier eine sehr unterhaltsame wie anspruchsvolle Inszenierung gelungen, zu der man die Oper Bonn nur beglückwünschen kann. Das empfand auch das Publikum und applaudierte spontan stehend und sehr lang und intensiv.

Rezension von Michael Cramer

Premiere: 7. November,  besuchte Aufführung: 27. November 2021

Die nächsten Aufführungen: 5., 10., 29. und 31.Dezember, 6., 15. und 23. Januar, 5. und 19. Februar

Karten hier: https://shop.derticketservice.de/theaterbonn/details/?evid=2500646 

Fotos: ©Thilo Beu

 

 

Kommentare deaktiviert für Cenerentola in Bonn: unbedingt reingehen !