Musik

Leidenschaft und Liebesfreude: Oberlinger mit Scarlatti


Das „Cölner Barockorchester“, „Concerto Köln“,  die Barockformation „Nel Dolce“, das jährliche Barockfestival im nahen Kloster Knechtsteden, Reinhard Goebel mit seiner „Musica Antiqua“ Köln, das Vocalensemble „Cantus Cölln“ von Konrad Junghänel, das Haydn-Festival im Schloss Brühl und nicht zuletzt bzw. vor allen die „Capella Coloniensis“, bereits seit 1954 ein Synonym für alte Musik in historischer Aufführungspraxis – dem Klassikfreund lauter vertraute Namen und alle aus Köln. Kein Wunder, dass die Stadt am Rhein als Zentrum der Alten Musik in Deutschland gilt, wenn auch mehr im Ausland als in Köln selbst. Diese unglückliche Zerstreuung führt zu einer Bündelung der Bemühungen im „Zamus“, dem Zentrum für alte Musik unter Thomas Höft (2012) mit Proberäumen und Aufführungsmöglichkeiten in einer alten stimmungsvollen Industriehalle.

Verständlich, dass auch Louwrens Langevoort, der umtriebige Intendant der sehr erfolgreichen Philharmonie, auch in dieses Horn stoßen wollte mit seinem „FELIX!“-Festival, ein vielversprechender Name der Kölner Veranstaltung für die historische Aufführungspraxis. Ursprünglich im Frühjahr geplant und dann durch Corona auf Ende August verschoben war das Festival mit 17 Konzerten in vier Tagen schon sehr dicht gedrängt, aber hochkarätig besetzt; die Zuhörer dürften wie angekündigt zweifelsfrei „glücklich“ gewesen sein.

Zu Gast in Köln war erneut die Virtuosin auf der Blockflöte, Dorothee Oberlinger, mit ihrem Ensemble 1700, in Köln 2002 gegründet. Ihr Instrument, früher eher der Schrecken des Kinderzimmers, war damals in adeligen Kreisen oftmals gebräuchlich für „Dilettanten“, für Laienspieler, die sich mit der Musik zu entspannen suchten. Zur Aufführung kamen Werke von Alessandro Scarlatti (1660-1725), der zwar immens viel komponiert hatte, aber heutzutage wenig aufgeführt wird. Wenn man auch den Namen Scarlatti eher mit seinem Sohn Domenico verbindet, vor allem mit seinem berührenden „Stabat mater“. Alessandro umging das damalige päpstliche Verbot von Opern durch Entwicklung einer „Sinfonia“, einer szenischen Kantate, dreiteilig schnell-langsam-schnell, meist mit mythologischem oder allegorischem Inhalt. Damit gewann er auch Einfluss auf die italienische  Musikgeschichte. Mit dem Werk „Il giardino d´amore (Der Liebesgarten) erzählt er von der Liebe zwischen Adonis und Venus; die eher banale Handlung machte einen Text zum Mitlesen entbehrlich. Aber gut zuzuhören war von Nöten, denn hier wurde vom Feinsten musiziert und gesungen.

Oberlinger dirigierte umsichtig, aber resolut ihr kleines Ensemble, angeführt vom Konzertmeister Jonas Zschenderlein, der sich mit dem Stimmführer der zweiten Violine Evgeni Sviridov entzückende musikalische Duelle lieferte. Die Continuo-Gruppe war bestens präpariert, verblüffend sauber und strahlend auch der Barocktrompeter Jörg Altmannshofer auf seinem großen ventillosen Instrument. Nicht zu vergessen: Auch die Dirigentin griff immer mal wieder zu ihrer Altflöte. Eine perfekte Basis  für die beiden Sänger, die Italienerin Roberta Mameli mit intensivem und sehr sicherem Sopran und der katalanische Countertenor Xavier Sabata, der nach einer Schauspielausbildung zum Gesang wechselte. Im Timbre eher gedeckt lieferte er mit der Sopranistin packende, tief zu Herzen gehende Gesangsduelle, sehr reizvoll zusammen mit der Trompete. Es war fast ein Vogelstimmen-Konzert zu hören, die kleine Blockflöte zwitscherte in höchsten Lagen, die Violinen imitierten ein Echo. Beide Sänger konnten auch ihr schauspielerisches Talent ausspielen, zusammen mit einer aparten Lichtregie schon eine glückliche Fügung. Die allerdings einen kleinen Heiterkeitserfolg lieferte, indem der Trompeter im Finale auf der Empore stramm neben dem Lichtkegel stand. Aber auch das passte zur gelösten Stimmung des Konzertes.

Spaß nach dem Konzert mit Blumen und viel Applaus

Begonnen hatte es mit einer Sinfonia aus Scarlattis Oper „Venere e Amore“ und seiner a-Moll-Sonata von 1725. Hier brillierte Oberlinger auf der aparten Altflöte, nachdem der Philharmonie-Intendant sich in einer kleinen Ansprache sehr erfreut zeigte über den Wiederbeginn der Konzerte. Kein Wunder! Zwar nur anderthalb Stunden ohne Pause und mit Mundschutz auch am Platz, aber sicherlich beglückend für die musikalisch ausgehungerten Zuschauer. Der Name FELIX passte dann auch im Nachhinein prächtig. Für den sehr reichlichen Applaus bedankten sich die Musiker noch mit einer Zugabe von Cavalli. Sehr schön auch der persönliche Kontakt mit den Akteuren anschließend eine Etage höher im stimmungsvollen „Ludwig im Museum“ mit Blick auf Heinrich-Böll-Platz und die beleuchtete Hohenzollernbrücke.

Text und Fotos von Michael Cramer, Programm: Studio Süd

Kommentare deaktiviert für Leidenschaft und Liebesfreude: Oberlinger mit Scarlatti