Musik

2x bellen = Begnadigung – Offenbach´s „Barkouf“ im Staatenhaus.

BARKOUF (ODER EIN HUND AN DER MACHT)

Opéra-comique von Jaques Offenbach

Libretto von Eugene Scribe

Koproduktion mit der Opéra national du Rhin Strasbourg

Rezension:  Michael Cramer

Fotos: © Paul Leclaire

Er war ja schon ein verrückter Hund und ein genialer Komponist, unser Offenbach. Nach seinem großen Erfolg mit “Orphée aux Enfers”, der ihm die französische Staatsbürgerschaft bescherte, bekommt er einen Kompositionsauftrag  für eine neue komische Oper. Hier hatte das Volk eines fiktiven Staates „Lahore“ in ungenannter früherer Zeit hintereinander  zehn unfähige Gouverneure praktisch aus dem Fenster geworfen, es herrscht nun politisches Chaos, und der Großmogul machte einen strategischen Schachzug, nämlich den Hund „Barkouf“ zum Vizekönig zu berufen. Das geht von wegen der Kommunikation eigentlich nicht, aber seine frühere Besitzerin versteht seine Sprache, und der Hund verkündet über sie erhebliche Steuersenkungen, Amnestien und sogar eine Aussetzung der Todesstrafe für ihren Freund: 2x  Bellen = Begnadigung.  Die Geschichte endet nach allerlei Umwegen und Schwierigkeiten – auch in Sachen Beziehungen – letztlich natürlich für alle Beteiligen gut. Nur der Hund geht vor die Hunde. Für Offenbach war dies der erste ehrenvolle Kompositionsauftrag für die Opéra Comique, von der Zensur allerdings scharf beäugt und zensiert. So musste er dann ein abgemildertes Libretto vertonen, mit unterschiedlichen Stilrichtungen, mit grotesken Szenen und Rossini-angelehnten heiteren Teilen. Musikalisch glaubt man immer wieder Szenen aus „Hoffmann´s Erzählungen“, seinem unvollendet gebliebenen berühmten Spätwerk zu vernehmen.

Nun ist das Ganze natürlich eine Nonsens-Geschichte, die dem Publikum aber blendend gefiel; trotz der nunmehr harmloseren Version merkten die Besucher aber schon die Kritik an der patriarchalischen Herrschaftsform und ordneten die Parodie politisch richtig ein, vor allem als Satire auf Napoleon III. Dennoch wurde das Stück von der Kritik zerrissen, eine Pressekampagne verurteilte die Musik gar als „Invasion aus Deutschland“. Die Noten verschwanden im Archiv und schienen beim großen Brand der Oper 1887 endgültig verloren gegangen zu sein. Nun hatte sich im Rahmen des Offenbachjahrs der Musikwissenschaftler Jean-Christophe Keck sehr mit Offenbach beschäftigt und fand bei der zerstrittenen Familie den Partitur-Entwurf und in USA die Orchesterfassung. So konnte das Werk nach 150 Jahren und zum 200sten Geburtstag des Komponisten wieder erklingen und hat prompt soeben den Opera! Award für die beste Wiederentdeckung gewonnen. Die Intendantinnen der Opernhäuser in Straßburg und Köln, Eva Kleinitz und Dr. Birgit Meyer, hatten eine Koproduktion abgesprochen, Kleinitz verstarb im Mai 2019 an Krebs, Dr. Meyer widmete ihr die Deutsche Erstaufführung. 

Eine solche verrückte Operette zu inszenieren bedarf es eines sehr fantasievollen Produktionsteams, um nicht in die Klamotte abzurutschen. Gemildert wird die Aufgabe allerdings durch die exzellente Musiksprache Offenbachs, die immer wieder erstaunt. Überraschende Wendungen und Instrumentationen, originelle Bläserstimmen und Harmonien – man muss schon sehr gut hinhören, um alles gebührend aufzunehmen an musikalischen Witzen, an Farbenreichtum, an herrlichen Ensembles. Vor allem, wenn ein ausgebuffter Profi wie Stefan Soltesz am Pult steht, langjähriger GMD in Essen, der seine Philharmoniker zu einem Weltklasseorchester geformt hatte. Das Gürzenichorchester hat inzwischen zwar eine gewisse „Offenbach-Routine“, aber so frisch und  gut aufgeräumt hörte man den Offenbach selten.

Die Bühne wie die Kostüme sind das Werk von Julia Hansen, freischaffende und vielfach ausgezeichnete Ausstattungs-Künstlerin. Sie hatte für den ersten Akt ein riesiges Polit-Büro entworfen, der Großmogul sitzt hoch erhoben hinter seinem eigenen Abbild, Bildschirme zeigen offensichtlich die Aufstände im Volk. Sein Auftritt wird allerdings entkrampft, indem das Podest umgedreht wird und eine bunte Treppe zeigt, die aus einer Orange herunterführt, farblich passend zu den Kostümen von Blumenmädchen Maima und Orangenhändlerin Balkis. Im zweiten Akt dominieren riesige unordentliche Aktenmengen an deckenhohen Regalen, die in einer längeren Umbaupause aufgeschichtet wurden und die von einer Verwaltung niemals bearbeitet werden könnten; die Umbauzeit vertrieb ein Archivar mit dem Schleppen von immer höheren Aktenbündeln, ein stark beklatschter „Sleppstick“ auch beim Schlussapplaus, Freddie Frinton aus „Dinner for one“ ließ grüßen.

Für Barkouf gibt es eine putzige Hundehütte, die beim Bellen immer heftig wackelt, im 3. Akt gar in XXL mit der Aufschrift „Liberté, Égalité, Leckerli“, will sagen, nur ja nichts ZU ernst zu nehmen. Entgegen des Librettos kommt Barkouf dann doch leibhaftig auf die Bühne, einmal von links nach rechts und mit Hermelinmäntelchen versucht der Pudel sich das Krönchen vom Kopf zu lösen. Und Soltesz wartet geduldig, bis die Hauptperson im Seitenaus verschwunden ist. Hingegen ist der Vergleich von Düsseldorfern mit „feindlichen Tartaren“ schon sehr mühsam (im Stück greifen diese die Stadt an, Barkouf fällt im Kampf, und der Großmogul ernennt einen neuen Gouverneur), während die Bezeichnung der Opernbaustelle als „Weltkulturerbe“ manch einen schon schmerzen dürfte. Denn damit wäre die Fertigstellung ja hinfällig.

Die Handlung der Geschichte ist kompliziert genug, um sie hier im Detail wiederzugeben, daher sei nur die Sängerriege aufgeführt, die offensichtlich an der Produktion und untereinander ganz viel Spaß hatte, wie man bei der Premierenfeier an der Körpersprache erkennen konnte. Ranghöchster Sänger ist der in Köln sehr beliebte Bjarni Thor Kristinsson als prächtig gewandeter Großmogul, der seinen sonoren Bass allerdings überwiegend für die Dialoge einsetzen konnte. Matthias Klink singt und spielt  als Intrigant Bababeck sehr überzeugend, Patrick Kabongo ist der Schmeichler Saeb, der bewährte Martin Koch leiht dem Eunuchen Kaliboul seine herrliche Stimme. Bei den Damen bewähren sich Judith Thielsen mit glockenhellem Sopran als Orangenhändlerin Balkis und Kathrin Zukowski aus dem Kölner Internationalen Opernstudio mit sicherer Stimme als Pèrizade, Tochter des Bababeck. Mit herausragenden Koloraturen glänzte Susanne Elmark als Blumenmädchen Maima. Auch der Chor unter Rustam Samedov agierte und sang prima. Tänzer, Tänzerinnen und die Verschwörer – alles prächtig und richtig, auch Sunnyboy Dladla – welch wundervoller Name für Xailoum, den Geliebten der Orangenhändlerin.

Das  offensichtlich auf Grund  der Straßensperren wegen des Köln-Marathons ungewohnt lückige Premierenpublikum hatte auf jeden Fall  sehr viel Spaß an dieser herrlichen und witzigen Produktion, wenn sich auch der erste Akt arg hinzog und man sich mehr Aktion gewünscht hätte; hier wären vielleicht ein paar Striche hilfreich gewesen. Aber das Tempo zog zunehmend an bis hin zu einer quirligen Komödie, die umfangreich bejubelt wurde.

 

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