Musik

Oper Bonn: Die Stasi bei Figaro unterm Dach

 

Premiere am 28. Januar 2018, Wiederaufnahme am 20. Oktober 2019

Die Wiederaufnahme am 20.10. brachte das Rollendebut von Ava Gesell als Barbarina und das Hausdebut des neuen Ensemblemitglieds Tobias Schabel als Figaro. Für die erkrankte Emma Sventelius sprang Marta Wryk ein. Alle drei fügten sich perfekt in das spielfreudige Ensemble ein (hl).

Premieren-Rezension von Michael Cramer

Man wähnte sich im Film „Das Leben der anderen“; Ulrich Mühe, Spion der Stasi alias Bartolo, Intrigant am gräflichen Hofe, klettert mit Kopfhörern, Kamera und einer Peilantenne auf dem Dachboden herum und spioniert Susanna und Figaro nach. Denn Graf Almaviva möchte am überkommenen Machtsystem festhalten, der pfiffige Figaro aber will gerne alte Zöpfe abschneiden und tapeziert erst einmal sein heruntergekommenes Zimmer im Schloss. Mozarts Meisteroper hatte damals nicht umsonst Mühe, überhaupt aufgeführt werden zu dürfen. Aber -nicht wie oft üblich- verzichtete hier der Regisseur auf den politisch mahnenden Zeigefinger, sondern schenkte dem ausverkauften Haus gute drei Stunden wahres Opernglück. Die Eingangsszene zusammen mit einem kernigen und frischen Mozart-Sound und einer veritablen Drehbühne ließ gleich vermuten, dass man es nicht mit einer üblichen weichgespülten Inszenierung oder gar Opernmuff zu tun hatte. Nein, Bonn erlebte eine originelle Produktion mit sehr vielen szenischen Gags (Regie Aron Stiehl, Ausstattung Timo Dentler und Okarina Peter), relativ junge Leute noch, für die Oper auch Theater und Unterhaltung bedeutet, die auch die nachfolgende Generation zum Besuch animieren möchten. Und das ist ihnen in Bonn vorzüglich gelungen.

Der Figaro ist eine „Commedia per musica“, es gibt viel zu Lachen incl. Bemerkungen auf Deutsch („alte Schlampe“), aber ebenso zum verinnerlichten und verzückten Zuhören. Wenn auch die Spionageszene ein wenig zu lang geriet, und der exzessive  Champagner-Konsum der Gräfin (incl. Produktmarketing eines bekannten Herstellers mit orangem Etikett) mit jeder Menge leerer Flaschen etwas nervte. Auch den bellenden Köter in der Gartenszene muss man nicht gar so oft hören. Aber das sind eigentlich nur Marginalien in einer rundum sehr gelungenen Produktion, die viel Zwischenapplaus auslöste, wenn etwa der als Frau verkleidete Cherubino sich immer extrem breitbeinig hinsetzte, beim Fenstersprung im Orchestergraben landete und sich an der ersten Reihe vorbei verdrückte. Oder der Graf in seiner Zimmersauna den Rauch wie Zigarrenqualm genussvoll ausblies und mit seiner Heimwerkerbohrmaschine auf seine Gemahlin zielt, die prompt artig die Hände hebt. Herrlich auch die große Tanzszene ähnlich wie beim Gymnastik-Kurs in einer VHS – die hätte man sich glatt als Zugabe gewünscht.

Zentrum ist die Kulisse mit einem quasi aufgeschnittenen Haus, welches durch Drehung Einblick in mehrere Räume erlaubt und die – ganz fabulös – in der Gartenszene incl. der Einrichtungsgegenstände hoch oben in der Luft schwebt, einige Türen und Möbel ausgenommen, zwischen denen dann das bekannte Versteckspiel abgeht. Vielleicht eine Anspielung auf die damalige marode Gesellschaft. Ganz hoch gelobt werden muss hier Max Karbe, der mit Licht, Farben, mit bläulichem Nebel und bunten Wolken eine intensive und fast zu Tränen rührende Stimmung geschaffen hat.

GMD Dirk Kaftan hatte sein Beethovenorchester blendend einstudiert. Im Klang anfangs noch leicht ruppig und manchmal etwas zu laut fand es nach der Pause – vielleicht wie nach einem Trainergespräch in der Halbzeit – zu einem sinnlichen Mozartklang, präzise und mit wunderbaren Bläserfarben. Auch Julia Strelchenko muss für ihren kongenialen Einsatz auf dem apart klingenden Hammerklavier gelobt werden. Unter den Sängern gefielen insbesondere die weiblichen Rollen: die fantastische Anna Princeva als Contessa mit gutvoller Stimme und berückendem Piano (und das bei diesem Alkoholkonsum!), die zierliche Koreanerin Sumi Wang als quirlige Susanna mit herrlichem Sopran und Kathrin Leidig als fabelhafter Cherubino. Wilfried Zelinka als Figaro ist sehr bühnenpräsent und verfügt über einen sinnlichen und volltönenden Bariton: gerne würde man ihn mal als Don Giovanni erleben. Der gestandene hauseigene Recke Georgios Kanaris mimt und singt den Grafen sehr sonor und achtbar. Die kleineren Rollen sind mit Susanne Blattert, Christian Georg, Martin Tzonev, Boris Beletsky und Marie Heechen rollengerecht  und ganz prima besetzt. Auch der stimmstarke und famos spielende Chor unter Marco Medved muss lobend erwähnt werden.

Eine rundum geglückte Produktion und ein Glücksfall für die Bundesstadt Bonn, deren Besuch dringend angeraten wird,  gerade für Opernneulinge.

Fotos © Thilo Beu

 

 

 

Kommentare deaktiviert für Oper Bonn: Die Stasi bei Figaro unterm Dach