Theater

Kongoland – wird die Welt schwarz? Packende Performance im Bauturm Köln

 

Von Michael Cramer

Es war der große Abend des charismatischen Laurenz Leky, Diplomschauspieler, Performer und seit 2 Jahren Leiter des hoch angesagten Kölner „Theater im Bauturm“, zusammen mit dem Dramaturgen Dr. René Michaelsen und dem studierten Theaterwissenschaftler Bernd Schlenkrich als Geschäftsführer. Nur eine Woche zuvor hatte das Theater bereits die Roman-Trilogie „Amazonien“ von Alfred Döblin uraufgeführt, eine Riesenleistung für das kleine Haus. Angereist aus Stuttgart war die auf Rechercheprojekte spezialisierte Regisseurin Nina Gühlstorff, hatte sie doch zusammen mit Leky 2014 im Rampe-Theater in Stuttgart das Stück KoNGOland uraufgeführt; ein knappes Jahr zuvor hatte Jan-Christoph Gockel daselbst „Kongo Müller“ inszeniert. Zu beiden Stücken gab es ein heftiges Presseecho, waren doch der Deutsche Siegfried Müller und auch die Deutsche Entwicklungshilfe in „Kongoland“ involviert. Müller (1920-1983) stieß früh zu den Nazis und machte als Soldat Karriere im 2. Weltkrieg. Nach vergeblichem Versuch, der Bundeswehr beizutreten, ging er nach mehreren Zwischenstationen als Söldner in den Kongo und half, die Simba-Rebellion (1964-67) niederzuschlagen. Bekannt wurde er u.a. durch reißerische Artikel im Stern und den Propagandafilm der DDR „Der lachende Mann“; aber Müller war Historikern nach tatsächlich kein satirischer Kriegsverbrecher und „Negerkiller“, sondern eher ein intellektueller Selbstdarsteller.

Im Bauturmtheater haben die beiden Regisseure zusammen mit  René Michaelsen aus den beiden Stücken die sehr umfangreiche Gemeinschaftsproduktion „Kongo! Eine Postkolonie“ geschaffen; 3 ½ Stunden dieses schwierigen Stoffes gingen den Zuschauern schon an die Substanz, aber offensichtlich nicht dem einzigen Darsteller, der bei der Premierenfeier immer noch fit schien. Kongo Müller wird hier, wie aus dem Klischee bekannt, als Folterer und Mörder dargestellt; in dem DEFA-Film lallt er betrunken, nicht nur ins Goethe-Institut zu gehen, sondern auch „Neger zu killen“. Ausschnitten aus dem „lachenden Mann“ sind offen bei YouTube anzuschauen, sie liefen auch parallel im Bauturm. Auf der kargen schwarzen Bühne mit Stuhl, Bett, Moskitonetz und Matratze wird es einem übel, wenn Müller im Video prahlt, im Kongo für Europa und die Idee des Westens gekämpft zu haben, für die christliche Hemisphäre. Und noch übler, wenn die Erschießung eines Kongolesen gezeigt wird: Kopfschuss, Blutlache, Wegschleifen des Leichnams.

Leky, der zuvor mit dem Regisseur Gockel eine riskante Reise in den Kongo unternommen hat und das über ein Video dokumentiert hat, ist ein charismatischer Performer in dieser One-Man-Show; seine Reiseerlebnisse und Reflexionen, mit einem prall gefüllten Seesack und dem Film, aus dem er immer wieder Müller-Texte nachspricht. Ein Theater-Abenteuer im Dickicht von Neokonialismus, exotischer Faszination und Deutscher Schuld; der Weg Müllers vom einfachen Soldaten zum monströsen Medienstar aus dem militärischem „Kommando 52“. Im Wechselgespräch ahmt Leky auch Martin Kobler nach, der die Friedensmission der Vereinten Nationen im Ostkongo leitet, „die größte, teuerste und erfolgloseste UN-Mission aller Zeiten“. „Das Deutsche Wesen“ zur Genesung der Welt – eher verwirrend. Und Leky bindet das Publikum immer wieder mit ein.

Im zweiten Teil, in KoNOGland (Wortspiel NGO=Non Government Organisation), geht es vordergründig um sachliche Entwicklungshilfe, Altkleider-Ballen, eine Wasserpumpe, ein Moskitonetz, Notnahrung, und vor allem Kondome werden geliefert; eines  gar soll ein junger unbeholfener Zuschauer auspacken. Das feudale Leben der Entwicklungshelfer wird wortgewaltig thematisiert: Super-dekadente Unterkunft, Garten, Privatstrand. Nach sechs Jahren in der Entwicklungshilfe ist man fertig, hat die  Mentalität gewechselt, ist “vom Schlendrian infiziert”, da man hier ständig bevorzugt wird, kann nicht mehr in die Heimat zrück.  Auch hier bleibt  es trotz langer Monologe immer hoch spannend, Leky fesselt sein Publikum permanent und informiert anschaulich über ein großes Problem, welches ein Zuschauer auch erraten hat: nicht HIV, Armut oder Trinkwasserversorgung, sondern der Umgang mit Haustieren. Denn hier gibt es keine Zäune, die Ziegen fressen überall, wo sie etwas finden und werden “in Haft” genommen, bis der Besitzer auftaucht und den Schaden ersetzt.

Leky prangert den Unsinn vieler Entwicklungsprojekte an, wo teure Maschinen oder Fahrzeuge  unbrauchbar werden und verrotten, weil sie nicht gewartet oder kleine lebenswichtige Teile gestohlen werden. Es kommt tatsächlich nur wenig Hilfe bei der Basis an,  weil zu viel fehlgeleitete Organisation oder Bereicherung mitschwingt. Zum Schluss quält er sich in einen Haufen Altkleider und lässt sie sich von einigen Zuschauern ausziehen, bis er splitternackt und mitten durch die Zuschauer das Theater verlässt: „Ich bin schwarz und habe eine große Stärke: ich habe keine Angst“. Ende eines großen Theaterabends, mit einem überragenden Darsteller. Trotz des nicht einfachen Sujets und der langen Zeit gibt es übergroßen Jubel für das Produktionsteam.

Regie:  Nina Gühlstorff (KoNGOland
Jan-Christoph Gockel ( Kongo Müller)

Premiere am 10.11.2018

www.theater-im-bauturm.de 

Fotos © Meyer Originals

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