Kunst

Vibrationen des eigenen Zwerchfells – japanische Trommler in Köln

Auch in Karnevalshochburgen flößen diese Trommeln Respekt ein

500 Schläge pro Minute

16. August 2018

Die Yamato-Trommler in der Philharmonie

von Michael Cramer

Köln ist die Stadt der Trommler und Percussionisten. So wirkte der österreichische Starschlagzeuger Martin Grubinger in der Philharmonie sogar als „Artist in Residence“; er kommt immer noch regelmäßig in die Domstadt. Aber auch die japanischen Trommler von „Yamato“, der japanischen Taiko-Kunst mit Instrumenten aus Baumstämmen und Tierhäuten, waren seit 2002 schon so häufig da, dass sie diesen Titel locker verdient hätten. Ständig mit neuem Programm und veränderter Choreografie locken sie immer noch die Massen in ihre Konzerte wie derzeit in die Kölner Philharmonie. Neben der unglaublichen Intensität und Musikalität, mit der die neun Trommler, darunter drei Frauen, die bis zu 1,70 Meter und 500 kg großen Instrumente mit bis zu 500 Schlägen pro Minute bearbeitet werden, verblüfft die Professionalität der Gruppe, die Show – trotz circa 30 deutschen Tournee-Auftritten seit Anfang Juli – immer noch so spritzig und lebendig zu gestalten, als wäre jeden Abend Premiere. Immerhin müssen jedes Mal rund 40 Tonnen Bühne, Lichtanlage und 35 verschiedene Trommeln transportiert werden.

Chousensha – übersetzt „Die Herausforderer“ – erzählt vom Leben und seinen Ansprüchen und Erfordernissen, vom Aufbruch, von neuen Aufgaben und der Erfüllung alter Träume, so die etwas schwülstigen Ausführungen im aufwändigen Programmheft. Ob Zuhörer „brennende Seelen, Erkenntnisse von Müll, der Duft unseres Landes oder die Verschwendung von Zeit“ in den sieben Stücken nachvollziehen können, sei dahingestellt. Aber dennoch – nur mit Trommeln und vereinzelten Schreien der Akteure erlebt man einen so individuellen, so mächtigen und subtilen Auftritt, dass man weder menschlichen Gesang noch vertraute westliche Musik vermisst. Es ist ein tief aus der Seele hochsteigender Rausch, eine Eruption, in den sich der Zuhörer zwangsläufig begibt – denn diesem packenden Gesamtkunstwerk kann sich so schnell niemand entziehen, allein schon wegen der heftigen Vibrationen des eigenen Zwerchfells. Auch die Künstler auf der Bühne scheinen sich trotz extremer körperlicher Anforderung in einen Rausch hineinzutrommeln. Mimik und Körpersprache sowie das Japsen nach der Anstrengung verraten es eindeutig. Kraftvoll attackieren sie immer wieder ihre Instrumente, schieben sie zu neuen Trommel-Landschaften zusammen mit spannender Punktillumination, feixen locker untereinander und ins begeisterte Publikum.

Zwischendurch gibt es dann mal etwas Entspannung, etwa mit vier „Shamisen“, der dreisaitigen, gezupften Langhalslaute, oder einer choreografisch entzückenden Nummer mit geschlagenen, winzig kleinen metallischen Becken und unter lasziven Beckenbewegungen der Musiker, die die Klänge quasi in die Luft werfen und wieder auffangen. Viel Spaß hatte das Publikum (oder zumindest ein Teil davon) auch an der nachdrücklichen, aber entbehrlichen Animation zum mehr oder weniger rhythmischen Mitklatschen, leider eine weit verbreitete Unsitte. Dies wurde gegen Ende noch übertroffen durch eine alberne Anmache des vollen Hauses zu einer fast orgastischen Mitwirkung. Der Eindruck der insgesamt perfekten Show wurde so leider etwas verwässert. Ob die Show auf europäische Gemüter frisiert war, sozusagen als ein kleiner Japan-Verschnitt, ist nicht einfach zu beurteilen. Ein Vergleich mit den Kodo-Trommlern, die auch schon oft in Köln waren und bereits lange vor Yamato existierten, zeigt diese allerdings für deutsche Augen authentischer.

Egal, die Präzision und hohe Musikalität der Akteure zusammen mit fantastischen Kostümen und einer ausgefeilten spannenden Choreografie haben das Publikum schon sehr beeindruckt, wie der spontan stehende Applaus zeigte. Trotz der Einwände: ein toller Abend.

Foto: Masa Ogawa

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