Tempo-Orgie in Kölner Theater
Alles vorhanden: Die Akteure, die geteilteWohnung, die Oma, das Loch in der Wand Foto: M. Cramer
Kann sich eine renommierte Boulevardbühne wie das Kölner „Theater am Dom“ auch mal eine echte „Klamotte“ leisten, in der die üblichen Klischees bestens bedient werden ? Eigentlich schon, wenn die Akteure hervorragend sind und eventuelle Unzulänglichkeiten der Regie (Stephanie Schimmer) locker überspielen. „Tatort“ ist die Komödie „Ab in den Schrank“ des erfolgreichen französischen Schauspielers Sébastien Castro, der sich auch mal als Autor präsentieren wollte; dem Vernehmen nach hatte er mit dieser rabenschwarzen Verwechslungsgeschichte in seiner Heimat großen Erfolg. Nun, was gab es in Köln zu sehen ?
Die Wohnung auf der Bühne (vom vielseitig beschäftigten Jan Hax Halama) mit einem großen Einbauschrank wurde vor Jahren mal halbiert; nach einem alten Grundriss von Joussouf gehört dieser Schrank zu seinem Anteil. So sägt er ein großes Loch in die Wand, um den Schrank nutzen zu können und hat damit Zutritt in die Nachbarwohnung von Martin. Der braucht den Schrank eher nicht, erwartet aber die angehende Internet-Freundin Julie für ein „blind date“, mit der er eine heiße SMS tauscht „Ich habe Lust auf Dich“. Die kaputte Wand muss daher schnell wieder geschlossen werden. Versehentlich geht eine SMS mit Martins Adresse an seine frühere Freundin Christine, die prompt auf der Matte steht. Und damit beginnt das Chaos unter der Regie von Stephanie Schimmer. Durch den geöffneten Schrank, den freien Durchgang in die Nachbarwohnung, über einen Flur, durch imaginäre Türen und gläserne, nicht sichtbare Wände entsteht ein Gerenne, bei dem die Zuschauer Mühe, aber auch Spaß haben, die Wege und deren Sinn einigermaßen zu verfolgen.
Auch die Dialoge sind schwindelerregend schnell und erfordern manchmal etwas zu große Aufmerksamkeit. Und dann gib es noch die vermeintlich pflegebedürftige Mutter im Rollstuhl von Sabine, auf die Joussouf als Hobby-Altenpfleger aufpassen soll. Die, mit reichlich Portwein über einen Strohhalm versorgt, aber so krank gar nicht ist, sondern ständig mit dem Kopf wackelt und bei einer sehr regen Mimik ihrem Pfleger immer wieder in den Schritt greift. Und der dann eine schwere Gipsplatte auf die Birne knallt, was sie leider nicht überlebt. Bei dem heillosen Durcheinander bleibt es spannend, es gibt sehr viel zu lachen, das Premierenpublikum hat großen Spaß. Nach der Pause (die Mama jetzt als glücklicherweise als Puppe) kommt dann Gabriel dazu (der vorher – mit riesiger Perücke – als Mama im Rollstuhl saß); ein dümmlicher Kraftprotz, akustisch schwer verständlich, mit lauter hirnlosen Alltagssprüchen, von denen er nur die eine Hälfte kannte. Recht lustig ist es, wenn die Zuschauer sich die Komplettierung von „Ich falle mit der Tür “ oder „Mit Dir habe ich noch ein Hühnchen “ ausdenken müssen. Stefan Leitmeier hier ganz köstlich in zwei ganz unterschiedlichen Rollen.
Die Palme des Abends gebührt Oliver Depont als Youssouf, der im Stück zwar mental etwas unterbelichtet ist, dabei aber ein vertrottelter, liebenswerter tollpatschiger Chaot, ein charmanter Katalysator für alle Katastrophen des Abends.
Die wunderbare Madeleine Niesche als Sabine ist die schicke Ex-Freundin von Martin, Tochter der alten Dame im Rollstuhl. Und bandelt in erotischen Dessous eindeutig mit Christine (ganz hervorragend: Edina Hojas) an. Max Claus ist der rollentypische „geteilte“ und schnell verwirrte Nachbar, fetzig im Spiel und der Mimik.
„Ab in den Schrank“ ist ein köstlicher Theaterabend, mal nicht mit allzu viel gesellschaftlichem Tiefgang, aber prima für alle, die mal so richtig ablachen wollen. Und vielleicht ein ideales Weihnachtsgeschenk.
Mit Oliver Depont, Max Claus, Madeleine Niesche, Stephan Leitmeier, Edina Hojas, Jenny Meyer
Komödie von Sébastien Castro
Prima Fotos: Jennifer Zumbusch
Regie: Stephanie Schimmer
Besuchte Aufführung: Premiere am 20. November 2025
Aufführungen bis zum 8. Februar 2026, Karten unter ww.theateramdom.de
Ab 19. Februar: TOC TOC
Eine Komödie von Laurent Baffie
Regie: René Heinersdorff








