Theater

Der virtuelle Ersatzmensch – seelenlos

„Je besser ich Dich kenne“ im Kölner Theater am Dom

Von Michael Cramer

 

Waren Sie schon einmal in einem Theaterstück, wo schon vor Beginn ein halbnackter, gut aussehender und blendend gebauter junger Mann unbeweglich in der Szene steht ? Und sich im Verlauf merkwürdig rechtwinklig bewegt und ein wenig mechanisch spricht ? Schwant Ihnen da was ? Richtig, das könnte vielleicht ein „Android“ sein, ein humanoider Roboter, beheimatet in zahlreichen Science-Fiction-Filmen wie im „Terminator“ mit Arnold Schwarzenegger. Nur – was soll ein solcher im kleinen Theater am Dom? Der Autor Krystian Martinek, in Polen geboren, ist ausgebildeter Schauspieler, hat über 200 Drehbücher geschrieben und stand sehr oft selbst auf der Bühne und mit zahlreichen Rollen im TV. Er war auch unter den Zuschauern und wurde sehr herzlich beklatscht.

v.l. Timoty Peach, Madeleine Niesche, Nicola Tiggeler

 

Für „Je besser ich dich kenne“ hat er mit Jessica (Nicola Tiggeler) eine – noch – verheiratete Frau ersonnen, die allerdings über eine Scheidung nachdenkt, denn sie hat nach etlichen Ehejahren von ihrem Mann Peter (Timoty Peach) die Nase gestrichen voll. Ihre Freundin Sandra (Madeleine Niesche) ist Anwältin und soll alles Formelle regeln. Jessica ist bereits aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, hat ein todschickes modernes Appartement (Bühne von Tom Grashof) und bereits einen neuen Freund, der allerdings etwas merkwürdig ist. Nic (Marc Schöttler)  hat ein immenses Allgemeinwissen, ist übervorsorglich, kann alles Mögliche und hat vor allem einen Lieblingsslogan: „Meine Aufgabe ist es, Dich glücklich zu machen und zu beschützen“. Hört sich generell gut an – nur verrät Jessica nicht die wahre Identität ihres neuen Lovers. Sandra möchte auch einen solchen Freund und ist aus dem Häuschen, als sie hört, dass Nic einen Zwillingsbruder hat. Nur – Nic hat keine Gefühle, wie sollte er auch als Roboter. Und muss sich regelmäßig wieder aufladen wie die Puppe in Hoffmanns Erzählungen.

Der Cyborg muss aufgeladen werden

Trotz KI und regelmäßigen Updates fehlt die Seele, wenn er sagt: „Ich habe Jessica zwar mit erhöhten Blutfett-Werten übernommen, aber wir arbeiten dran.“

 

Köstlich sind die kleinen Streitereien zwischen Nic und Peter, in denen Nic regelmäßig die Oberhand gewinnt, zumal die Software von Nic in der Abteilung „Liebe“  laut Hersteller noch nicht „marktreif“ ist. Auch beim Armdrücken ist Peter klar unterlegen. Doch Jessica geht es gar nicht gut, weil sie merkt, dass zwischen all dem Digitalen das Zwischenmenschliche viel zu kurz kommt. Da ein Computer niemals einen Menschen ersetzen kann – so hofft man zumindest.

Simone Pfennig, die Ehefrau des Theaterdirektors Oliver Durek, hat hier mal selbst Regie geführt, und zwar zum ersten Mal und das sehr erfolgreich. Die ausgebildete Schauspielerin steht selbst oft auf der Bühne, nicht nur in Köln, und hat es geschafft, mit einem exzellenten Team eine tiefgründige Komödie zu kreieren, zum Lachen und zum Nachdenken. Denn das Thema KI geht alle an, ob im selbstständigen Autoverkehr oder in den menschlichen Beziehungen.

Ein tolles Team stand da auf der Bühne: richtig überzeugend Nicola Tiggeler, sehr sexy und mit toller Figur und schicken Beinen Madeleine Niesche. Der noch-Ehemann Timothy Peach spielt seinen Part spritzig und eindrucksvoll, ebenso wie der Roboter-Mensch Marc Schöttner. Seine eckigen Bewegungen und seine Mimik wirkten fast echt, erzeugten immer wieder Gelächter im Premierenpublikum. Nach seinem Body könnte er glatt an einem Wettbewerb im Fitness-Studio teilnehmen.

Eine grausame Vorstellung, wenn Roboter nicht nur Autos zusammensetzen oder den Tisch abräumen können, sondern auch eine Seele haben – wie man das auch nennen mag. Aber das ist noch sehr weit hin, wenn überhaupt. Trotz des ernsten Hintergrunds jubelnder Applaus und Blumen für alle.

 

Bis zum 15.6.22, täglich außer Montag

Karten unter www.theateramdom.de

Fotos: ©Jennifer Zumbusch

 

Zwischendurch etwas Kölsches: Die Paveier qm 18., 19. und 20. Juni 2023, 19:30

 

 

 

 

 

 

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