Musik

Zwiespältiger „Hoffmann“ in Düsseldorf

„Viele Köche verderben den Brei“ – so weiss es der Volksmund. Das mag auf viele Bereiche zutreffen – nur ist die Frage, ob das auch für eine Operninszenierung gilt. Die Details der Geschichte von Offenbachs phantastischer Oper seien hier als im Kern bekannt vorausgesetzt. Die drei missglückten Frauengeschichten mit der mechanischen Puppe Olympia, der lungenkranken Sängerin Antonia und der heimtückischen Kurtisane Giulietta haben schwer an der Seele des ziemlich alkoholkranken Dichters Hoffmann genagt. Und wie so oft musste er sich seinen Kummer vor den versammelten Studenten von der Seele reden bzw. singen (wir sind hier in einer Oper). Sehr bekannt ist seine mitteilsame Arie von „Klein Zack“. Mit dem Stadtrat Lindorf hat er einen „Mitbewerber“ um die Gunst der drei Frauen – und der Sängerin Stella. Lindorf ist auch sein Widersacher bei den Damen als Coppelius, Dr. Miracle und Dapertutto. Ihm zur Seite steht seine Muse Nicklausse.

Los geht es mit einer intimen Szene, wo Hoffmann am Schreibtisch sitzt und schreibt. Und später in einer Weinstube von den Studenten bedrängt wird, von seinen Lieben zu erzählen. Aber anstatt einer feiernden, trinkenden und lustigen Horde steht man vorne unbeweglich an der Rampe, zu trinken gib es nichts, nur der Wirt setzt seine eigene Flasche an den Hals. Dem Regisseur Tobias Ribitzki ist hier leider nichts Dramatisches eingefallen. Man hat auch den Eindruck, als würde die Hinterbühne gar nicht in Betrieb sein. Dafür konnte man aber ungestört dem ausgezeichneten Chorgesang lauschen (Einstudierung: Gerhard Michalski).

Weiter ging es mit der ersten angebeteten Dame, der singenden Puppe Olympia. Ein bewährtes Trio (Paul Barritt, Esme Appleton und Jennie Dunne) hat hier eine originelle, trickfilmähnliche Szene mit dem Zeichenstift geschaffen, der Kopf von Olympia singt von ganz oben, zwischendurch ist sie regulär auch auf der Bühne zu entdecken. Ebenso auch ihre Zahnrad-Mechanik. Auch hier wird man sehr von der Musik und dem Gesang abgelenkt. Der Kern, dass nämlich Hoffmann eine Brille bekommt, durch die ihm Stella als lebendig erscheint, kommt nicht richtig zum Tragen.

Für den Antonia-Akt hat sich Neville Tranter, ein australischer Puppenspieler, etwas eher Seltenes ausgedacht, nämlich urige, lebensgroße Puppen, geführt von einem Sänger und einer zweiten Person. Die grotesken Puppen haben ein Klappmaul, vom Sänger synchron bewegt – nicht ganz einfach. Nur – was soll das ? Auch hier geht diese herrliche Musik am Zuschauer vorbei, man hat so viel zu sehen. Hoffmann, seine Muse und Antonia haben allerdings kein alter ego.

Der vierte Akt ist eine Choreografie von Nanine Linning, der umfangreiche Chor in leuchtend blauen Kostümen bewegt sich wie ein Gewässer in Venedig, die Gondeln und Palazzi fehlen allerdings komplett. Leider ist die Diamant-Arie gestrichen, auch das Spiegelbild von Hoffmann ist futsch, dazu hilft ein gespiegelter Schaukasten.

Musikalisch ist durchaus sehr Achtbares zu vernehmen. Den Hoffmann singt der Rumäne Ovidu Purcel,  er ist ständig auf der Bühne, sieht sehr gut aus und singt auch so. Seine Muse Maria Kateva verfügt über einen berückenden Mezzosopran, sie hat ein herrliches Legato und erhielt die meisten Bravos beim Schlussapplaus. Bogdan Talos singt die Bösewichte, sehr überzeugend stimmlich und auch szenisch. Auch die drei Frauen singen sehr glanzvoll und charakterstark: Elena Sanco Pereg ist eine herrliche Olympia,  Daija Augustan meistert mit sehr ansprechenden Farben und Sarah Fede verfügt über einen glutvollen Mezzo. Ach die Nebenfiguren singen und spielen prächtig.  Der Dirigent Fréderic Chaslin schafft ein sehr stimmungsvolles Musizieren und eine sehr ordentliche Synchronisation mit der Bühne. Zu erleben war daher ein zwiegespaltener Opernabend mit herrlicher Musik, überragenden Stimmen und einer diskussionswürdigen Inszenierung. Ein Besuch ist sehr empfehlenswert.

Besuchte Aufführung: Premiere am 13. April 2025

Text von Michael Cramer

Fotos © von Barbara Aumüller

Dauer 3 ½ Stunden. Termine und Tickets unter www.operamrhein.de

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