Theater

Vom Keller in die Ebene – der Umzug des gleichnamigen Kölner Theaters

 

Von Michael Cramer

Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein ganzes Theater umzieht, selbst im krisengeschüttelten Köln mit mehreren temporären Museen, Dauerbaustellen und der Aussicht auf Fertigstellung von Oper und Schauspiel in vielleicht  vier Jahren. Dennoch – auch im Mikrokosmos des in Köln sehr etablierten und vielfach ausgezeichneten „Theater der Keller“  ist der Komplettumzug ein ganz gewaltiger Kraftakt – nicht nur physisch, sondern auch in hohem Maße seelisch. Immerhin spielt das Theater seit 40 Jahren in diesen Räumen, da hängt eine Menge Herzblut und Vergangenheit mit drin. Originell war die Wahl des letzten Stückes, vom Theaterchef Heinz Simon Keller ausgesucht und umgearbeitet, Tschechow´s „Kirschgarten“, vom Inhalt parallel zur aktuellen Situation, aber als Bühnenprobe gestaltet mit dem Chef als Regisseur und mit zahlreichen Seitenhieben auf die Politik und den bisherigen Vermieter. https://www.kulturcram.de/2018/09/der-kirschgarten-oder-der-letzte-macht-das-licht-aus-kellertheater-koeln/

Heinz Simon Keller und Tatjana Fernau (Pressechefin)

Lustig, aber auch sarkastisch waren die großformatigen Angebote von Luxuswohnungen im ehemaligen Theater und das protestierende Bepinseln des Hauses. Auch wenn die juristische Lage um die lange zuvor erfolgte Kündigung dem Hausbesitzer Recht gibt, wird der Stachel im Fleische des Theaterchefs Heinz Simon Keller noch lange stecken bleiben. So konnte er einen kleinen Jauchzer nicht unterdrücken, als der Autor dieser Zeilen ihm berichtete, dass die Baustelle wegen Asbest  derzeit nicht zu betreten wäre. Hatte der doch zuvor versucht, noch einmal das Innere des Theaters abzulichten. Vergebens, auch die Bauarbeiter durften nicht hinein. Die Suche nach einem passenden Theaterraum gestaltete sich nach Gesprächen mit Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wackerhagen, 1. Vorsitzender des Vereins, außerordentlich schwierig. Man war schließlich heilfroh, im rechtsrheinischen einen großen Raum gefunden zu haben, gut erreichbar, mit jeder Menge Nebenräumen, etlichen Parkplätzen im Innenhof und sehr viel Platz für das Theater; auch erkennbar an der Hausnummer 233w. Ehrlich gesagt: in der Kleingedankstraße war es schon furchtbar eng und heiß, auch weil man kaum an die Theke kam, und erst recht nicht in die Keramikabteilung. Und außerdem nicht behindertengerecht.

Der Weg mit dem Auto ist jetzt einfach, man muss allerdings scharf hinsehen, um die Fahne des Theaters und die Hausnummer zu erkennen. Tatjana Fernau, Pressechefin des Theaters, stellte hier wesentliche Verbesserungen in Aussicht, auch bezüglich des abenteuerlichen Zugangs über eine sehr steile Treppe in den zugehörigen Partyraum quer über den Hof.

Zugang zur Partymeile

Der Theatersaal selbst, wo einstmals  Automechaniker werkelten, ist ein schlichter sauberer Raum, gut beleuchtet; die ebenerdige Bühne ist viel größer als im alten Hause, dazu die Zuschauertribüne für 120 Personen. Aber die reichte bei weitem nicht aus, um die vielen Fans bei der ersten Premiere aufzunehmen, viele Stühle mussten noch herbeigeschafft werden.

Eines verrät Heinz Simon Keller noch nicht: wo das Theater langfristig bleiben wird. Die Tanzfaktur www.tanzfaktur.de ist eine sehr rege „Tanzfirma“ mit einem breiten Angebot von vielfältigem Tanzunterricht, Aufführungen und Kursen. Und Vermieter für das Kellertheater für die nächsten zwei Jahre, was für die Tanzfaktur sicher auch einen erhöhten Bekanntheitsgrad bedeutet: „Man kennt sich, man hilft sich“.  Nur soviel: Es geht zurück in die Südstadt nahe Chlodwigplatz. Daher muss sorgsam kalkuliert werden, welche Investitionen bis dahin Sinn machen; so ist der Theatersaal derzeit recht hallig, eine Dämpfung wäre allerdings sehr aufwändig.

Aktuelles Foto vom 7.10.2019

Die erste Premiere am 26. September im „neuen Hause“ war schon etwas Besonderes; viele alte Weggefährten und Fans trafen sich bei der rauschenden Premierenfeier, darunter auch die langjährige Kölner Schauspielerin Anke Tegtmeier und Ralf Harster, ehemaliger Tänzer, danach engagiert  im Schauspiel Köln und jetzt im Kellertheater. „Gilgi / Keun – Eine von uns“ ist ein Schauspiel nach dem Roman von Irmgard Keun von 1931, die Autorin wurde mit dem Stück schlagartig berühmt, sie schrieb auch noch „Das kunstseidene Mädchen“, starb aber später in Köln in Vergessenheit. Beerdigt ist sie auf Melaten Flur 12 in G. Keller und seine Dramaturgin Ulrike Janssen haben den Roman und die Figuren wiederbelebt als hochspannendes und tiefgründiges Schauspiel, in dem man große Teile der Vita von Keun wiederfindet. Und geschickt von Keller inszeniert zwischen querhängenden Vorhängen auf der großen Bühne von Eleonora Pedretti und Marina Diez Schiefer. Es ist die Geschichte über eine selbstbewusste junge Frau, die unbedingt ihren eigenen Weg gehen will, faszinierend gespielt von Renate Fuhrmann als Irmgard, von Amelie Barth als Gilgi, ihrer vermeintliche Tochter, die sich in den Bohemien Mathias Lühn verliebt hat,  ihn aber trotz des gemeinsamen Kindes dennoch verlässt.

Dem Kellertheater ist hier eine großartige und vom Premierenpublikum heftig bejubelte Auftakt-Inszenierung gelungen, die arg an die Nieren geht. Daher unbedingt anschauen und dem Heinz Simon ganz viel Glück für sein Theater wünschen. Zumal er just an diesem Tag seinen 60sten Geburtstag feierte. Aber sicher noch lange an sein früheres Theater zurückdenken wird.

 

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