Musik

Verdis Luisa Miller – in Köln mit nur zwei Toten

 

 

Blendende Inszenierung – blendende Sänger

Wenn man als Tourist in Italien nach einem sehr guten Restaurant fragt, wo überwiegend Einheimische essen gehen, erlebt man oft eine Atmosphäre, wie in der neuen Inszenierung von „Luisa Miller“ im Staatenhaus: weiße Wände, helles Licht, schlichtes Mobiliar. Nichts soll vom guten Essen ablenken, auch keine Hintergrundmusik. Letzteres passt natürlich nicht auf eine Opernbühne, die von Johannes Leiacker, einem international tätigen Bühnen- und Kostümbildner, geschaffen wurde, in Kooperation mit den Regisseuren Christof Loy und Georg Zlabinger und ursprünglich für das Glyndebourne-Festival entstanden ist. Ein kalkweißer Raum, der sich nach hinten verengt, an der Wand ein Kruzifix, ein paar schlichte Möbel. Sonst nichts. Im zweiten Akt seitenverkehrt eine Nische mit mehreren Fenstern und offenem Kamin, wohl ein dezenter Hinweis auf das Schloss, welches im dritten Akt durch ein schwarzes Tuch verdeckt ist – Hinweis auf das tragische Ende, dem Luisa nicht mehr entfliehen kann.

Ähnlich gruselig fängt es aber auch an: da liegt eine Frau – vermutlich Luisa – ausgestreckt auf dem Boden und wird von reichlich vorhandenem, schwarz gekleidetem Personal mit Blumen bedeckt. Symbolisch auch hier für den baldigen Tod von Luisa.

Die düstere Musik von Verdis früher Oper kommt von der linken Seite, der vielfältig beschäftigte Dirigent Roberto Rizzi Brignoli führt das zum Schwärmen klangschöne Gürzenichorchester und den von Rustam Samedow sicher einstudierten Chor sicher durch die knapp drei Stunden Oper: Kaum ist er für die Zuschauer zu sehen, erst recht nicht für die Sängerriege – wenn da die Bildschirme nicht wären. So fluppt alles sehr zufriedenstellend, zumal durch das Zweit-Dirigentenpult der Souffleuse. Bei der Premiere noch etwas laut hat es sich dem Vernehmen nach sehr schön eingespielt.

Die Kostüme von Ursula Renzenbrink sind Alltagskleidung, überwiegend schwarz, bis auf die Figur des Wurm, ein ausgesprochener Unsympath, von Krysztof Baczyk hervorragend rollengerecht interpretiert und gesungen. Und alle – nur nicht die Gräfin Frederica, dargestellt vom Kölner Liebling Adriana Bastidas-Gamboa (später im roten Kleid als Außenseiterin)  und die kleine Rolle der Laura (vielversprechend: Maria Koroleva aus dem Opernstudio) – haben bereits in England auf den Glyndebourner Bühnenbrettern gestanden. Und das merkte man: selbstbewusstes Auftreten, präzises und musikalisch sicheres Zusammensingen, szenisch ausgefeilte Darstellung der Geschichte nach Schillers Trauerspiel „Kabale und Liebe“.

Die Titelheldin Luisa liebt einen Adeligen, Rodolfo. Bei deren Vater, dem Witwer Miller, hatte Wurm, Sekretär beim Schlossherrn Graf Walter, bereits erfolglos um die Hand von Luisa angehalten. Denn Luisa liebt Rodolfo heiß und innig; dessen Vater Conte di Walter (ganz großartig: Dario Russo) hätte aber lieber einen Adeligen als Mann für Luisa gesehen, vornehmlich besagten Wurm. Und Miller ist sauer, dass da ein Hochgestellter offensichtlich leichtfertig mit seiner Tochter spielt. Der Conte hatte sich schon ausgerechnet, dass eine Heirat seines Sohnes mit der vermögenden Witwe, der Herzogin Federica, für seinen eigenen Stand in der Gesellschaft sehr nützlich wäre. Insgesamt eine Situation, die man auch heutzutage überall bei den Reichen und Schönen antreffen kann. Vor allem soll jetzt Luisa sich in einem erpressten Brief von Rodolfo lossagen. Erschwerend kommt hinzu, dass da noch der Mord am Grafen Walter im Spiel ist, an dem wohl der Intrigant Wurm beteiligt ist. Schon alles sehr kompliziert und eine ideale Story für einschlägige bunte Magazine.

Man konnte es schon ahnen, die Geschichte geht sehr verworren, dramatisch und traurig aus. Rodolfo hatte einen Gifttrank gemixt, zwang Luisa davon zu trinken, auch er schluckte vom tödlichen Trank. Sterbend gestand Luisa ihre Liebe zu Rodolfo, der mit letzter Kraft den Wurm erstechen will, ihm in der Inszenierung aber dann doch die Kraft fehlt – im Gegensatz zum Libretto, wo er erfolgreich ist.

 

Das Premierenpublikum raste vor Begeisterung für die Sänger und das Produktionsteam. Gerade die „sparsame“ fast monochrome Bühne hielt den Blick offen für das eindrucksvolle Geschehen und die hervorragenden szenischen Aktivitäten der Sänger und Sängerinnen. Ólafur Sigurdarson steht weltweit auf den Opernbühnen, auch in Bayreuth, er berührte vor allem mit seinem Spiel als leidender Vater. Rodrigo Porras Garulo gestaltete mit seiner markanten und höhensicheren Tenorstimme den armen Rodolfo sehr eindrucksvoll; jubelnder Zwischenapplaus nicht nur nach der Ohrwurmarie „Quando le sere al placido“, sondern auch nach „Lára, o lávello“. Die Titelheldin Mané Galoyan aus Armenien begeisterte stimmlich wie auch szenisch als armes „Mauerblümchen“ und mit blendenden Koloraturen und ihrem großen Sopran. Einfach toll !

Insgesamt ein ganz großer Opernabend im Provisorium „Staatenhaus“, welches Anfang 2024 nur noch Geschichte sein soll. Hoffentlich.

Verbleibende Aufführungen: 30. März, 1. April 2023

 photo credits: © Thomas Aurin

Premiere am 4. März 2023

Text von Michael Cramer

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