“Harmonie Universelle” – Zwanzig Jahre und kein bisschen leise
Ein neues Orchester in der Kulturstadt Köln zu etablieren, dürfte ein sehr schwieriges Unterfangen sein. Das renommierte städtische Gürzenichorchester gib es seit 1827, das des WDR seit 1947. Auch bei der „alten Musik“ gibt und gab es etliche Gruppierungen, angefangen mit der „Capella Coloniensis“, später dann „Concerto Cölln“, „Musica Antiqua“ , die „Capella Augustina“, „Concerto con Anima” unter Thomas Neuhoff, “Musica Fiata” und “Capella Ducale”. Dazu etliche kleinere Gruppierungen in historisch informierter Aufführungspraxis.
Aber da gibt es den begnadeten Geiger Florian Deuter, der nach seinem Studium in Köln und Düsseldorf in diversen Ensembles als Primarius oder Konzertmeister wirkte, so in der „Musica Antiqua“ unter Reinhard Goebel, und im „Amsterdam Baroque Orchestra“ unter dem berühmten Ton Koopmann. Etliche andere Gruppen folgten, dazu entstanden zahlreiche professionelle Aufnahmen u.a. für die Deutsche Grammophon. Eigentlich ein reiches Musikerleben, wenn da nicht der dringende Wunsch zu einer eigenen Gruppierung war. Und nach einem selbst gestalteten Programm.
Florian Deuter: “Ich habe Mónica 2000 in Frankreich kennengelernt. Wir haben dann in Paris bei Marc Minkowskis Musiciens Du Louvre zusammen gespielt (ich war dort Konzertmeister) und 2003 “Harmonie Universelle” zusammen gegründet, als neues bzw. “weiteres” Kammerorchester für historische Aufführungspraxis. Die hervorragende Geigerin Mónica war später eine Zeit lang Konzertmeisterin in Dorothee Oberlingers Ensemble. Ich habe dort oft als Bratscher ausgeholfen.
Schon mutig zu einer Zeit, die politisch und wirtschaftlich unsicher war. Lange hatte man an einem passenden Namen gebastelt – ist ja nicht so einfach. Aber dieser Name funktioniert fast in jeder Sprache. Und eben dieses Orchester konnte jetzt seinen 20. Geburtstag feiern. Unglaublich. Natürlich – wie könnte es anders sein – mit einem Festkonzert in Köln, wo das Ensemble seit 2004 seinen Sitz hat. Und dort in der ehrwürdigen romanischen Ursulakirche im Herzen Kölns, gleich neben dem Szenelokal „Schreckenskammer“ mit eigener Biersorte.
Um mehr über Florian Deuter und Mónica Waisman zu erfahren, lud sich der Berichterstatter kurzerhand selbst zu den beiden nach Hause ein; sie leben in einer gemütlichen Wohnung in bürgerlichem Umfeld, und wegen der spezifischen Kölner Parkplatzsituation in der Südstadt ganz ohne Auto. Aber eine Geige ist halt einfacher zu transportieren als ein Kontrabass. Die beiden erwachsenen Kinder aus Florians erster Ehe haben zu den Beiden und dem Orchester einen sehr guten Draht und halfen in Köln an der Kasse und bei der Getränkeausgabe – kein Problem.
Angefangen hatte alles 2003 mit einem Streichquartett + Cembalo, die nachfolgenden Engagements ließen die Überlegung nach einem größeren Ensemble aufkeimen; das gab es dann 2007 mit der ersten Vivaldi-CD und den 12 Violinkonzerten. Trotz eingehender Recherche und zum Glück fand man keine andere Gruppe mit diesem hübschen, französisch angehauchten Namen. Und: Eine Konkurrenz zwischen den beiden Chefs gibt es nicht. Auf die provokative Frage, wer denn der bessere Geiger sei: „Wir ergänzen uns, haben Stärken und Schwächen“. Eine Solokarriere hätten sie nie angestrebt; ein Geiger wüsste sehr früh, ob er dafür geeignet sei. Aber als Solisten etwa bei Vivaldi würden sie sich gerne abwechseln.
Florian habe mal für das Schumann-Violinkonzert ein Jahr geübt und es dann mit Herzklopfen aufgeführt. Aber an die Kollegin Isabelle Faust käme er nie ran, gestand er. So sind beide liebend gerne Kammermusiker. Wenn auch leider ohne Agentur, denn die Akquise ist sehr zeitaufwändig und die Trefferquote mit 1 auf 100 Anrufe recht gering. Immerhin hätten sie auf 4 Kontinenten gespielt, oft auch in Argentinien, der Heimat von Mónica. Jedoch unter Corona ist vieles kleiner geworden. Aber sie bekämen inzwischen auch direkte Anfragen aus dem Ausland.
Heute spielen sie ca. 35 Konzerte pro anno. Harmonie Universelle hat einen festen Stamm an Musikern, die aber auch noch anderweitig spielen, denn sie müssen davon leben. Mónika ist u.a. Konzertmeisterin in der Cappella Augustina unter Andreas Spering, beide spielen im Ensemble 1700. Mónica ist auch Konzertmeisterin bei der Lautten Compagney Berlin. Dazu kommen etliche kleinere Jobs, auch im Ausland. Unterstützung gibt es von der Ensembleförderung des Landes NRW, das ist auch der Grund, warum das Geburtstagskonzert auch in Wuppertal und Mülheim erklang; außerdem mache es Spaß, ein gut einstudiertes Konzert mehrmals aufzuführen. Einen Dauersponsor gebe es leider nicht, Gelder kommen immer nur projektbezogen. Aber einen stetig wachsenden Förderverein gebe es, inzwischen als gemeinnützig anerkannt. Der Kölner Bürgermeister Dr. Ralph Elster gehört zu ihren Freunden, seit sie auf seiner Hochzeit gespielt haben, er unterstützt sie logistisch. So kamen immerhin rund 250 Zuhörer nach St. Ursula. Nicht zuletzt durch ihren guten Bekanntheitsgrad in der Alte-Musik-Szene und die zahlreichen CDs.
Im Abendprogramm des Geburtstagskonzertes – mit einem sehr schönen Text von Bernd Heyder – lobte die NRW-Kulturministerin Ina Brandes das Ensemble als große Bereicherung der Kulturszene in Köln und im Umland, ebenso international und wünscht eine weiterhin bedeutende Erfolgsgeschichte. Gerne schloss sich die Oberbürgermeisterin Henriette Reker dem Glückwunsch an. Sie verwies auf den festen Platz des Ensembles im Bereich der alten Musik, für die Köln weltbekannt ist, und an deren Ruf das Ensemble einen großen Anteil hat. Und diese Musik wurde natürlich in St. Ursula gespielt mit Werken der Bach-Familie (Johann Bernhard, Wilhelm Friedemann, Johann Sebastian und Carl Phillipp Emanuel), darunter das Concerto c-Moll für 2 Violinen, BWV 1060. Hier konnten die beiden Geigen im dichten Dialog glänzen. Dazu das dritte Brandenburgische Konzert, Lieblingsstück von Mónica. Außerdem das Adagio KV 404 von W.A. Mozart, ein reizvoller Kontrast. Zu erleben war ein wahres Feuerwerk barocker Musikkunst durch die – bis auf Cello und Cembalo – im Stehen spielenden 15 Musiker, darunter auch ein Fagott. Mit minimalem Vibrato, hochpräzise, mit Verve und sichtbar großer Spielfreude. Verblüffend der Wechsel bei Florian Deuter von der Violine zu Bratsche und zurück; auf Nachfrage erklärte er, das Wechseln bei „Musica Antiqua“ gelernt zu haben, das komme automatisch ohne nachzudenken, auch bezüglich des Altschlüssels. Mónica lachte dazu: “Nein, das könne sie nicht.” Muss ja auch nicht. Zwei Stunden nur Bach – ist das nicht etwas eintönig ? mag sich jemand beim Studium des Programms gedacht haben. Aber mitnichten ! Es ist immer wieder verblüffend, wie hochspannend die Bach´sche Musik ist, wenn sie so engagiert und professionell wie hier gespielt wird. Und natürlich denkt man nach über das „Wunder Bach“, wie sich die Musikalität vererben kann.
Petrus war den Musikern hold, denn anschließend gab es bei bestem Wetter draußen vor der wunderschönen Kirche noch reichlich zu trinken und zu knabbern. Und Gelegenheit zum Fachsimpeln mit den Musikern oder untereinander. Oder mit dem Kölner Bürgermeister Dr. Elster. Oder eine CD signieren lassen. Oder mit dem Architekten der Philharmonie Peter Busmann über die Kölner Kultur zu diskutieren. Oder mit Dr. Hildegard Stausberg, der Gründerin des Kölner Presseclubs.
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Konzert am 27. August in der Basilika St. Ursula
Text und Fotos von Michael Cramer