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Isamu Noguchi – ein Universalkünstler im “Ludwig”

„Wir haben ihn auch vorher nicht wirklich gekannt“- so gestand die Kuratorin Rita Kersting dem Rezensenten im persönlichen Gespräch während eines Rundgangs durch die Ausstellung von Isamu Noguchi; erst durch eine internationale Präsentation sei man auf ihn aufmerksam geworden. Daher ist es keine Schande, Noguchi nicht zu kennen – vor allem in Europa, wo er weniger als Künstler, sondern eher als Designer bekannt war. Und immer noch ist.

Der japanisch-amerikanische Bildhauer und Designer als Sohn einer Irin und eines Japaners, 1904 in Los Angeles geboren, steckte immer ein wenig zwischen den Stühlen; der Vater verließ die Familie schon vor der Geburt des Kindes. Seine Mutter zog mit ihm dennoch nach Japan, damit er die Tradition und die Kunst des Landes kennen lernen konnte, welches sie so sehr verehrte. Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwigs, dazu: „Dieses Wandeln zwischen den Werken findet sich auch in seinem Werk wieder.“ Nogucci hat über die Jahre immer neue Materialien ausprobiert, hat an den technologischen Fortschritt geglaubt; in seinen Augen war alles Skulptur, alles in Beziehung zur Gesellschaft.

Die Kuratorin dazu: „ Sein Werk ist politisch, ist innovativ, ist wunderschön. Man kann es genießen ohne kulturhistorischen Hintergrund oder Vorwissen“. Wie in der klassischen Musik: ob da eine Oboe oder eine Klarinette spielt, ist eigentlich egal, wenn nur die Musik dem Zuhörer gefällt.

Nogucci hat an der Kunsthochschule in New York studiert, war Stipendiat der Guggenheim-Stiftung,  ist als Assistent zahlreicher Künstler um die ganze Welt gereist und trotzdem japanisch-stämmiger Amerikaner geblieben; so ließ er sich freiwillig monatelang einsperren als Protest gegen die Internierung von Japanern nach dem Pearl-Harbour-Angriff (obwohl er als New Yorker damit gar nichts zu tun haben konnte). Und plante eine gewaltige Parkanlage, um den eingekesselten Bewohnern die Zeit zu verschönen. Seine Beziehung zum Wesen des Materials vertiefte er in oft jahrelangen Reisen nach Europa und Asien, nach Indien und Mexiko.

Er interessierte sich für chinesische Pinselzeichnungen ebenso wie für japanische Gartenkunst, unternahm oft jahrelange Reisen ins Ausland. Dadurch ist er in Europa vor allem als Gestalter bekannt geworden, hat Lampenschirme aus japanischem Washi-Papier und Bambusruten geschaffen, erfolgreich und weltweit kopiert von einem schwedischen Möbelhaus.

Der aufmerksame Gang durch die vielfältige Ausstellung zeigt: alle seine Skulpturen sind irgendwie in Bewegung. Schon allein durch die Tatsache, wie der Künstler Formen schafft und diese miteinander kombiniert. So etwa wie Gipsfigur „Chinese Girl“ von 1930 mit ihrem mehrfach verrenkten Körper; die „Interlocking Skulpturen“ sind einzelne Elemente, erinnern an Knochen, die zerlegt und wieder zusammengesetzt werden können. Reizvoll sind seine Modelle für Spielplätze und Wohnräume, Bühnenbilder und Plastiken im öffentlichen Raum. Oder fantastische Kostümentwürfe für befreundete Tänzer und Schauspieler. Originell ist sein Selbstporträt „Boy looking through Legs“ von 1933, einschließlich Hintern und Geschlechtsteil.

 

Das Museum Ludwig zeigt die erste große Schau über den Künstler seit 20 Jahren, und 34 Jahren nach seinem Tod 1988 in New York. Fast unübersehbar ist die Zahl seiner Entwürfe, im Ludwig-Museum sind immerhin 150 sehr unterschiedliche Objekte anzuschauen. Viele davon scheint man zu kennen aus der Designerbranche, das Internet ist voll von Angeboten, auch die Fa. Vitra hat etliches übernommen. Es lohnt sich sehr, ruhigen Schrittes durch die Ausstellung zu gehen und zu versuchen, die sanftmütigen Intentionen des Künstlers nachzuvollziehen. Vermutlich kommt man mit einem besonnenen Lächeln auf den Lippen und mit Balsam auf der Seele wieder heraus in unsere eilige Welt.

Das Museum: The Isamu Noguchi Foundation and Garden Museum, auf Long Island City gelegen Isamu Noguchi Garden Museum.

Viele Objekte hier: https://www.1stdibs.com/de/creators/isamu-noguchi/furniture/?price=[1%20TO%20100000]&production-time-frame=0_6-weeks&allowUniversalLink=no&gclid=EAIaIQobChMIl-HCkrOt-AIVvo1oCR2OFw13EAAYASAAEgJjG_D_BwE&gclsrc=aw.ds

Text und Fotos: Michael Cramer

Die Ausstellung ist geöffnet bis zum 31.7. 2022

www.museum-ludwig.de

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