Musik

Alte Gitarre und junge Stimme im MAK – Anna Herbst

Konzert am 3. April 2022

Rezension und Fotos von Michael Cramer

Ein reizvoller Kontrast war am 3. April im kleinen Saal des Museums für angewandte Kunst zu erleben – der reife Sopran der noch fast jugendlichen Anna Herbst, begleitet von „ihrem“ Gitarristen Ulrich Wedemeier auf einem historischen Instrument, der Original-Gitarre der seinerzeit sehr berühmten Catharina Pratten.  Der Klang des Instruments riß einen allerdings vom Sessel, da Gitarren im Gegensatz zu Streichinstrumenten mit zunehmendem Alter nicht besser klingen. Den Ankündigungen des erfolgreichen „Forums Alte Musik Köln“ über das Konzert „With Charme And Brilliancy“ waren am Sonntag Nachmittag zahlreiche Musikliebhaber gefolgt,  sodaß im Vortragssaal kaum Plätze frei blieben. Auch der WRD-Redakteur Dr Richard Lorber und Maria Spering vom ausführenden Verein hörten aufmerksam zu.

Anna Herbst hatte zusammen mit dem Gitarristen ein hoch spannendes und eher selten zu erlebendes Programm zusammengestellt, basierend auf der klassischen Literatur mit Beethoven, von Weber, Schober und Spohr, allerdings mit dem Schwerpunkt Catharina Pratten. Wer bitte ? Diese hatte als neunjährige Gitarristin das adelige Publikum im „Kings Theatre“ begeistert und später als Frau Musikgeschichte geschrieben. Geboren in Köln-Mülheim ging sie mit ihrem ehrgeizigen Vater, selbst Gitarrist, nach London, fasste hier schnell Fuss und prägte als Virtuosin, Komponistin und Pädagogin die Londoner Musikszene. Auch eine weit verbreitete Gitarrenschule stammte aus ihrer Feder.

Nach dem Tod ihres Ehemannes hatte sie sich vorübergehend  zurückgezogen, konzertierte danach wieder erfolgreich. Sie wurde allerdings nach ihrem Tod (1895) schnell vergessen, wenn da nicht ihr ehemaliger Schüler Frank Most Harrison ihre Kunst in das Gedächtnis der Musikliebhaber zurückgeholt hätte. Wenn auch nur mit geringem Erfolg, die Musikerin ist heute immer noch weitgehend unbekannt. Sie hat neben zahlreichen Solostücken auch viele Lieder und Kammermusik veröffentlicht; daher war das Konzert auch eine Art „Wiedergutmachung“ an der vernachlässigten Künstlerin. Der WDR hat das Konzert mitgeschnitten, Sendetermin ist der 2. Mai ab 20:04 Uhr.

Eine weitere historische Figur war Mauro Giuliani (1781-1829), ein Gitarrenvirtuose, mit intensiven Kontakten  zu Beethoven, Spohr und Schubert.  Von ihm stammen die reizvollen Variationen zu einem Händel–Thema sowie zwei Reise–Lieder („Abschied“ und „Aus der Ferne“). Auch Klassiker gab Anna Herbst „zu Gehör“ mit „Ich denke Dein“ von Beethoven, dem berühmten „Gretchen am Spinnrad“ von Schubert, und von Louis Spohr „Mignons Lied“ und „Frühlingslaube“ . Der Rezensent kennt Anna Herbst seit vielen Jahren und verfolgt ihre musikalische Entwicklung aufmerksam. Heute klingt die Mitdreißigerin sehr gereift, man merkt auch an ihrer dezenten, unaufgeregten Körpersprache, dass sie genau weiß, was sie da singt. Ihre Stimme ist immer noch jugendlich brillant, mühelos und sanft klingen ihre Höhen, Koloraturen jedweder Art meistert sie ohne erkennbare Anstrengung. Das ist der Lohn einer Ausbildung bei sehr qualifizierten Lehrern und zahlreichen Meisterkursen. Und gut gebucht ist sie bei einem großen Wirkungskreis, nachzulesen auf Ihrer Webseite www.annaherbst.com

 

Das Konzert im MAK hatte sie zusammen mit Ulrich Wedemeier sehr kundig und liebevoll zusammengestellt, eine Reminiszenz an die große Gitarrenvirtuosin des 19. Jahrhunderts. Nach 90 Minuten mit „Charme And Brilliancy“ und etlichen weiteren Stücken verabschiedeten sich die beiden sympathischen Musiker mit „Die Zeit“ von Carl Maria Weber und zwei Liedern noch einmal von Catharina Pratten „Webers last Walz“ und „The Summer bloss heatpassed“. Der reichliche Applaus entschädigte dann für die sicherlich sehr zeitraubende Vorbereitung für dieses Konzert, dem manche Wiederholungen zu wünschen sind. Anschließend diskutierten zahlreiche Zuhörer mit den Musikern über das soeben Gehörte, ein Vorteil von Konzerten in kleinem Kreis.  Hier noch einmal: Sendetermin ist der 2. Mai ab 20:04 Uhr im WDR.

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