Musik

Der mit dem Knochenmann tanzt – “The Musician” in der Kinderoper Köln

Wie der Rattenfänger nach Hameln kam – eine Gruseleloper für Kinder

Die Geschichte vom Rattenfänger in Hameln dürfte den Erwachsenen sicherlich bekannt sein, der jüngeren Handy- und TikTok-Generation wohl nur teilweise. Daher erzählte Rainer Mühlbach, Dirigent und musikalischer Leiter der Kinderoper Köln, vorab erst einmal die Geschichte, verbunden mit einer kleinen musikalischen Einführung zu einer immer wiederkehrenden Melodie, quasi wie ein Wagnersches Leitmotiv, entzückend gespielt von Flöte und Harfe. Diese Melodie hat man schnell im Ohr und fand sie immer wieder in „The Musician“, der „Grusel-Oper“ von Conor Mitchell.

Für den bekannten und sehr vielseitigen irischen Komponisten, der auch das Libretto schrieb, sind Kinder ein sehr anspruchsvolles Publikum, die eine Handlung brauchen, weil sie sich sonst langweilen. Die Oper beinhaltet mit dem Untertitel „Wie der Rattenfänger nach Hameln kam“ quasi die Vorgeschichte zum Grimmschen Märchen, welches Mitchell schon als Kind kennen gelernt hatte; er war fasziniert von der Möglichkeit, durch Musik Menschen beeinflussen zu können, aber auch etwas gegen ihren Willen zu tun. Auch die zentrale Melodie „The Minstrel Boy“ , das irische Kriegs- und Volkslied, ist eine Jugenderinnerung von Mitchell, wo ein Junge im Krieg Flöte spielt: die Musik kann verführen, aber auch als Waffe verwendet werden.

Nur vier Personen braucht es, um die Geschichte zu erzählen. Da ist ein Sprecher (Armando Elizondo), der mit Zylinder und abenteuerlich kostümiert an seinem Schreibtisch sitzt und alles kommentiert – und später zum Rattenfänger wird. Und den namenlosen Jungen gibt es (Luzia Tietze), der in einer düsteren und trostlosen Stadt eltern- und namenlos auf der Straße aufgewachsen ist und in einem Pappkarton schläft; sein einziger Besitz ist eine Maus, die er mit geschenktem Brot zu füttern versucht.

Ständig geärgert wird er in gemeiner Weise von einem „fiesen kleinen Mädchen“ (Tina Pypker), das in einem goldenen Mantel posiert und den Wohlstand der Stadt verkörpert. Und dann gibt es noch einen Musiker im Frack (Song Jun Cho), der zunächst unauffällig mit im Orchester sitzt und dann als Flötist dem talentierten Jungen, der ihm seine geliebte Maus geschenkt hat, sehr schnell das Flötenspielen beibringt. Und später als Ratte auftaucht (Kostüme von Manuela Martinez Besse) und mit einem Knochenmann tanzt: sehr sportlich und gelenkig und ganz nah an den Zuschauern. Der Junge schafft es durch sein Flötenspiel, seinen Feinden die Ratten auf den Hals zu hetzen, das fiese Mädchen wird dabei verletzt. Denn es hatte dem Jungen seinen goldenen Mantel versprochen, wenn er die Ratten im wahrsten Sinnes des Wortes zurückpfeift. Aber es bricht sein Versprechen und tötet sogar die vom Musiker zurückgegebene Maus des Jungen.

Der Junge hat seine Macht erkannt, die er als Flötenspieler ausüben kann. Er rächt sich an der Bevölkerung mit Rattenplagen; sein zurückgekehrter Flötenlehrer ist entsetzt, aber er schafft es nicht, ihn vom Flötenspiel abzubringen. Und so zieht er am Ende bis ganz hinten auf der Bühne nach Hameln, eine recht anrührende Szene. Rainer Mühlbach führt perfekt das in sehr kleiner Besetzung aufspielende Gürzenichorchester mit hervorragenden Bläsern; die Musik ist sehr vielfältig, jazzig und ein wenig opernhaft, gut zu hören und nie langweilig. Und die jungen Sänger sind bis auf das ausgezeichnete Ensemblemitglied Sun Jun Cho Mitglieder des Kölner Internationalen Opernstudios; sie absolvieren ihren Part stimmlich und szenisch ganz hervorragend. Man merkt immer wieder die gute Schulung der bereits ausgebildeten jungen Sänger und Sängerinnen im Opernstudio; gerne mag man ihnen eine sehr gute berufliche Karriere attestieren.

Das gilt auch für den jungen Haus-Regisseur Arne Böge, der auf der entzückenden Bühne von Hendrik Scheel, auch für die Kostüme verantwortlich, ein quicklebendiges Stück Kinderoper geschaffen hat, welches die zahlreichen Kinder in der Premiere offensichtlich gut verstanden haben, an dem auch die Erwachsenen ihre Freude hatten. Denn so richtig gruselig war es keinesfalls; da sind unsere Kids durch das Fernsehen ganz andere Kaliber gewöhnt. Und zu Recht gab es sehr reichlichen Applaus.

 

 

 

 

 

 

 

 

Übersetzung von Arne Böge, Svenja Gottsmann und Rainer Mühlbach

Deutsche Erstaufführung am 24.2. 2023

Dauer: 70 spannende Minuten
Rezension von Michael Cramer
Fotos von Sandra Then
Die nächsten Aufführungen: 5., 10., 11. , 12., 14. bis 19. März, mit unterschiedlichen Anfangszeiten
Tickets 0221 221 28400 oder https://shop.oper.koeln/webshop/webticket/bestseatselect?eventId=10894

 

 

 

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