Musik

Glatter Stabwechsel bei der Concertgesellschaft Köln

“Der emotionale und professionelle Nukleus in

unserer Vereinigung”

Wenn jemand nach über zehn verdienstvollen Jahren den Staffelstab an seinen Nachfolger weiter gibt, ist das schon eine besondere Feierstunde wert. So geschehen beim Abschied von Olaf Wegner als Vorsitzendem der  Kölner Concertgesellschaft, dem Förderverein des Gürzenich-Orchesters,  quasi ein “Wegxit”. Wegner hat die erfolgreiche Arbeit seines Vorgängers Dr. Posselt kontinuierlich weitergeführt und zusammen mit dem Philharmonie-Chef, seinem Freund Louwrens Langenvoort weiter verfeinert und ausgedehnt. Im Beisein zahlreicher Gürzenich-Musiker und Freunde lobte Oberbürgermeisterin Henriette Reker das große Engagement und die Erfolge des scheidenden Vorsitzenden. Recht hat sie, die Kulturstadt Köln braucht qualifiziertes bürgerschaftliches Engagement. Der GMD F.X. Roth pflichtete ihr wie immer sehr charmant bei.

Viel zu lachen gab es bei der launigen Danksagung durch Langevoort; er hatte in seinem 8-Brücken-Rucksack einige passenden Geschenke mitgebracht. So einen ganzen Packen CDs mit Operettenaufnahmen, natürlich von Offenbach. Wegner outete sich dann auch  in seinem Dankeswort, daß er ein heimlicher Operettenfan sei. Und daß er die Spitzenorchester der Welt – darunter natürlich auch die Gürzenichs – gerne vor seiner Stereoanlage à la Loriot dirigiert, und zwar mit einem Bleistift. Davon bekam er einen ganzen Packen, und dazu das Werk “Handbuch des Singens für Anfänger”, was einen weiteren Teil seiner Interessen dokumentiert. Sein Nachfolger Dr. Christoph Siemons wies gerne hin auf die straategischen Dimensionen und die Bemühungen um Markenbindung seines Vorgängers. Und verriet auch, daß dieser wegen totalen Talentmangels auf das angedachte Dirigierstudium verzichtete hatte.

Beim anschließenden Freibier zogen sich die vielfältigen Gespräche noch bis nach Mitternacht hin.

Ein aktuelles  Interview von Dr. Christoph Siemons mit Stephan Englert, Geschäftsführer des Gürzenichorchesters, lesen Sie hier: kulturcram.de/…/Gespraech-Siemons-Englert.pdf

Interview am 5. März 2019 im Hause Dr. Michael Cramer

 

Lieber Herr Wegner, wie geht es Ihnen heute nach Beendigung Ihrer Tätigkeit für die Concertgesellschaft?

Ich vermisse schon den Vorsitz und die Arbeit in der Gesellschaft, aber die Trauer ist dadurch gering, dass der neue Vorstand sehr gut geeignet ist, die Gesellschaft zu führen, neue Ideen einzubringen und auch meine eigene Unterlassungen auszubügeln, die in über zehn Jahren immer wieder vorgekommen sind. Ich habe auch als sehr wertschätzend beim Abschied von meinem Amt die Anwesenheit der Oberbürgermeisterin Henriette Reker, vom Philharmoniechef Louwrens Langevoort, vom Chefdirigenten Francois Xavier Roth, dem Geschäftsführers des Gürzenich-Orchesters Stefan Englert und meines Nachfolgers Dr. Christoph Siemons. Das tat einfach gut, diese vielen und sehr persönlichen Äußerungen über meine Arbeit. Roth verriet mir gar augenzwinkernd, die soeben erlebte 5. Mahler hätte er eigens für mich dirigiert.

Haben Sie denn jetzt mehr Zeit?

Ja, viel mehr, denn meine ganzen Kulturmandate sind weitgehend übergeben, zum Beispiel den im Vorstand des Kulturrates. Ich bin jetzt nur noch ein Rentner im Versuch, einen jungen Welpen zu domestizieren. Das ist ein ständiger Kampf, der Hund ist sehr durchsetzungsfähig. Das war ich auch – dachte ich, aber der Hund führt mich locker vor. Unsere Tochter hat uns ihn quasi aufs Auge gedrückt, was nicht einfach ist, da wir unsere vielen Termine jetzt immer selektieren müssen, weil immer einer bei dem Hund bleiben muss. Termine durchzustrukturieren, das ist vorbei, wie das früher in unserem Unternehmen war, wo ich vor einem Jahr als Gesellschafter verabschiedet wurde.

Wie sind Sie denn an diesen Job gekommen? Wie war die Concertgesellschaft vor Ihnen aufgestellt?

Das war ein glücklicher Zufall. Im Hauptberuf bin – beziehungsweise war ich – Personalberater. Hier passieren Besetzungen oft per Zufall; mein Vorgänger Herr Dr. Postelt, der sich aus Altersgründen zurückziehen wollte, kannte mich halt. Er hatte sich mäzenatisch über zehn Jahre sehr engagiert um die Concertgesellschaft gekümmert und sie aus einem leichten Dämmerschlaf reaktiviert zur alten Funktion und Stärke; das ist ihm sehr hoch anzurechnen. Die neue Aufgabe hatte eine hohe Affinität zu meiner Musikbegeisterung, aber ich wollte neben schönen Reden halten auch etwas Handfestes tun. Für ein Jahr war ich sein Stellvertreter mit der Verantwortung für Marketing. Wir haben damals ein Projekt aufgesetzt zusammen mit dem damaligen GMD Markus Stenz und über ein ganzes Jahr zur „Marke Gürzenichorchester“ gemeinsam ein Kompendium erarbeitet, eine ausführliche Studie, die über die Jahre immer wieder herangezogen wurde, zumal sie weiterhin aktuell ist. Die erhebliche Steigerung der Auslastung der Konzerte von 80 % zu circa 94 % ist primär natürlich qualitätsabhängig gewesen, aber auch Erfolg unserer Marketingstrategie.

Wie stehen Sie bzw. die Gesellschaft zum jeweiligen GMD?

Stenz war sehr hoch geschätzt und bewundert als Dirigent, aber Roth hat noch mal eine zusätzliche Faszination auf die Orchestermitglieder ins Leben gebracht, die fast hypnotisch wirkt. Gut zu beobachten in den Arbeitsproben, wo ein Dirigent oftmals nach seinen Ansagen und Vorschlägen nicht erst für Ruhe sorgen muss; hier hängt das Orchester ihm quasi an den Lippen und an seinen Augen. Sobald er den Kopf hebt, ist absolute Ruhe. In den Gesprächen um seinen Arbeitsvertrag, die sich lange hingezogen hatten, gab es immer mal wieder kritische Punkte. Das Orchester bat immer wieder dringend, alle vertraglichen Steine beiseite zu räumen: „Den wollen wir und keinen anderen“. In seinem Probekonzert mit Mahler 1 hatte ich den Eindruck, dass die Musiker quasi um ihr Leben spielten.

Alle Fots: © Michael Cramer

Wie sieht es aus mit Musik bei Ihnen selbst? Hat sich da etwas geändert durch die Aufgabe?

Ich habe früher mal mit Klavier angefangen, das ist dann durch den Beruf leider verschüttet worden. Mein Flügel zu Hause wird derzeit nur von Profis in Hauskonzerten genutzt, aber ich will probieren, über Klavierunterricht noch mal zu testen, ob die Finger immer noch etwas hergeben.

Meine Beziehung zu Musik hat sich durch den Job noch einmal erheblich verbessert. Es gab immer viel Kultur in der Familie, aber keine eigene Musikausübung. Ich bin aber schon früh live in Konzert gegangen, vieles ist mir noch sehr stark in Erinnerung, was ich wann zum ersten Mal gehört hatte. Musik ist für mich immer über die Emotionalität gelaufen; sie muss mich quasi anspringen. Mit neuer Musik habe ich meine Schwierigkeiten, höre sie aber aufmerksam an und denke dabei an Arthur Rubinstein, der im Alter gesagt hat, er rutsche wieder auf Knien zu Mozart zurück. Und das tue ich täglich, Mozart ist mein Musikgott.

Roth hat mich total begeistert, da werfe ich mein Herz über den Zaun, da bin ein sehr emotionaler Mensch. Und von Langevoort habe ich nicht nur musikalisch, sondern auch als Mensch Erhebliches gelernt; von niemandem habe ich so viel Hilfestellung bekommen. Er ist unglaublich gut strukturiert, mit niemandem konnte ich so klar reden wie mit ihm.

Wie steht die Concertgesellschaft heute da, für sich selbst und in der Stadtgesellschaft?

Sie hat früher überwiegend vom Mäzenatentum existiert, das gibt es so nicht mehr. Entstanden war sie aus dem Wunsch der engagierten Bürger, der Musik und den Musikern eine feste finanzielle Basis zu bieten und somit Konzerte veranstalten zu können. Heute möchten viele Firmen und Organisationen ihre Nähe zur Kulturstadt Köln als Kurator dokumentieren. Ich bin der Oberbürgermeisterin Henriette Reker und ihren Vorgängern sehr dankbar, dass sie sich als Ehrenkuratoren zu Verfügung stellen, was die Akzeptanz natürlich erheblich erhöht. Nicht umsonst habe ich bei meinem Abschied auf den hohen Stellenwert der Kultur in Köln hingewiesen.

Und der Zustand der Gesellschaft bei der Übernahme?

Der Verein war sehr stark auf Postelt ausgerichtet, der auch viel eigenes Geld in den Verein gesteckt hatte zum Beispiel beim Orchesterfest. Mit Markus Stenz konnten wir uns damals nicht über das Format des Festes einigen, welches dann leider eingeschlafen ist. Das ist klar ein Manko meiner Amtszeit, dass ich das Fest nicht wieder hinbekommen habe. Der damalige Vorstand hat mich einfach machen lassen, ich sei so musikbegeistert, ich würde das schon richtig hinbekommen. Daher habe ich den Verein – bis auf die Finanzen – quasi alleine geschaukelt. Das ist heute ganz anders, der neue Vorstand macht Teamwork, ist sehr viel jünger als zu meiner Zeit. Von daher gesehen ist die Concertgesellschaft sehr breit aufgestellt.

Was ist unter ihrem Vorsitz gut gelaufen?

Mir fällt eher ein, was nicht so gut gelaufen ist. Vielleicht war ich zu sehr auf mich konzentriert, die vielen guten Ideen meiner Vorstandsmitglieder und anderer Musikfreunde nicht genügend eingefordert zu haben. Die Erfolge bei Kuratoren waren brauchbar, einige sind abgesprungen, andere dazugekommen. Ich habe die Beziehung des Publikums zum Dirigenten versucht zu verbessern. Das Verhältnis von Roth zur Concertgesellschaft und seine Wertschätzung sind erfreulich gut. Ich habe mich auch bemüht, den manchmal kniffligen Disput zwischen der Opernintendantin Dr. Meyer , Herrn Roth und dem Orchester in angehnehme Bahn zu lenken. Meine mehrfachen Anfragen an Dr. Heinrich Kemper, ehemaliger Vorsitzender der Opernfreunde Köln, hinsichtlich einer Zusammenarbeit wurde von ihm leider immer wieder geblockt, er wollte offensichtlich nicht. Schade.

Heute merke ich in meinem Alter und nach intensivem Berufsleben, dass man doch auch mental etwas verschleißt und nicht jeden Monat neue Ideen liefern kann. Daher ist der Stabwechsel nur zu gut.

Ist die Concertgesellschaft nur ein Spendenbeschaffungsverein oder hat sie einen echten Wert in der Stadtgesellschaft? Gibt es hier Nachholbedarf?

Klar muss man den Verein in Köln bekannter machen hinsichtlich der des bürgerschaftlichen Engagements. Man darf man darf sich nicht nur darauf verlassen, dass die Stadt schon alles richtet, sondern auch als Bürger muss man sich am Erhalt eines solchen Klangkörpers beteiligen. Hier ist noch deutlich viel Luft nach oben.

Wissen die Kölner eigentlich, welch tolles Orchester sie in der Stadt haben?

Man kommt mit einer solchen Kulturinstitution natürlich längst nicht an alle Bürger heran, obwohl das Orchester ohnehin sehr breit gefächert ist, vor allem in der Jugendarbeit. Mir wäre es schon sehr lieb, wenn der auch weniger kulturbeflissene Bürger die Existenz des Orchesters wenigstens akzeptieren würde. Denn die Bürgerschaft musst das Orchester zumindest tragen; schön wäre natürlich, wenn dann auch noch Begeisterung dazu käme. Leider ist die Suche nach Kuratoren, die ja sehr viel Geld bezahlen, viel schwieriger geworden; ein einzelnes Vorstandsmitglied kann eine Mitgliedschaft heute gar nicht mehr selbst entscheiden. Denn das Engagement für eine Firma muss auch in deren werbliches Konzept passen.

Die Frage taucht immer wieder auf, welchen Anteil die Kultur an der Wertschätzung für die Stadt Köln hat.

Die Kultur ist schon ein Lockmittel für Entscheider in den Firmen. Umfragen haben ergeben, dass ein gutes Argument für Köln neben dem Dom vor allem das Lebensgefühl in der Stadt ist.

Wie sieht es aus beim Engagement der Mitglieder? In den Generalproben sitzt manchmal nur gerade eine Hand voll Leute.

Allerdings manchmal auch 50-60. Es ist so faszinierend, Roth mal bei einer Probe zu erleben, wenn er die einzelnen Musiker anspricht, wo er Details verändert, wo er auch Späße macht. Das ist viel intensiver als jedes fertige Konzert. Wir machen schon viel Werbung per Post und auch über E-Mail: Wenn dann nach einer Probe 40 Leute mit auf die Bühne gehen und ich das Gespräch mit dem Dirigenten moderiere: Das sind dann die Sternstunden und quasi der emotionale und professionelle Nukleus in der Concertgesellschaft.

Was ist denn mit Reisen zusammen mit dem Orchester? Da könnte man doch sicherlich etwas anbieten.

Das haben wir immer wieder gemacht, aber das Problem ist natürlich, dass die Leute meist berufstätig sind und Reisen teuer ist. Das letzte Konzert in Amsterdam wurde für die Kuratoren angeboten zum Mitreisen bei fast null Echo. Trotz persönlicher Einladung von Roth zum Abendessen.

Lieber Herr Wegner, Danke für das Gespräch und viele Grüße an Ihren Hund.

Das Gespräch führte Michael Cramer in seinem Hause

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