Regissseurin Eike Ecker in der Karl-Rahner-Akademie Köln
Von Michael Cramer
Goethes Faust könne sie niemals inszenieren, gab die Opernregisseurin Eike Ecker unumwunden zu, obwohl sie nach ihrer Vita Germanistik, Kunst- und Musikwissenschaft studiert hatte. „Aber da war ich halt nur eingeschrieben“, gestand sie und produzierte damit einen ersten Heiterkeitserfolg in der voll besetzten Veranstaltung „Oper intern“ in der Karl-Rahner-Akademie, dezent und sachkundig moderiert vom langjährigen Studienleiter Rainer Nellessen. Die Musik gibt die Inszenierung vor, der Regie-Job in der Oper ist für Ecker daher viel einfacher als im Schauspiel. Darum ist der Flügel plus Korrepetitor von Anfang immer dabei, auch auf der Probebühne draußen in Hürth. Man muss von Anfang an den Geist der Musik erfassen, auch wenn die benachbarte Wurstfabrik geruchsmäßig etwas durchschlägt. Ecker berichtete bereitwillig von ihrem Job, der ihr sehr viel Freude zu machen scheint: Von morgens 10:00 bis 22:00, dazwischen Pausen. Und am nächsten Morgen genauso weiter. Durch die künstlerisch tätigen Eltern und ein musisch orientiertes Gymnasium hat sie früh Gesangsunterricht bekommen, hat nach dem Abitur in der Oper Köln ein immer länger werdendes Praktikum absolviert – in sämtlichen Abteilungen incl. Schnürboden, wie sie bereitwillig berichtete, und ist in Köln quasi hängengeblieben. Vorteil für ihren Job: sie kann Einwände aller Abteilungen des Hauses sofort werten und kompetent diskutieren.
Gerade kam sie aus Madrid zurück, wo sie den ausgeliehenen Kölner Ring von Robert Carson, der im Staatenhaus nicht spielbar ist – nach Barcelona, Venedig und Shanghai – zurück auf die Bühnenbretter geholt hatte. Richtig Urlaub sei das gewesen, sie habe nichts selbst ausdenken müssen, tolle Leute kennengelernt und die ganz große Orchesterfassung erlebt, für die der Graben in Köln zu klein gewesen sei. Und gewettet habe man, ob der famose Dirigent Heras-Casado das Rheingold unter zwei Stunden schaffen würde. Echt abenteuerlich sei Shanghai gewesen und eine große Ehre für Köln, wo der Ring anlässlich der Expo zum ersten Male in China aufgeführt wurde. Man war mit Sack und Pack (sprich alle Sänger, Chor, etliche Statisten, Bühne, Technik, dem ganzen Orchester und auch dem Autor dieser Zeilen als Statist) ins Reich der Mitte gereist, in vier Tagen musste alles aufgebaut sein; ein erheblicher logistischer Aufwand mit vielen etlichen Herausforderungen. Wegen der vielen Waffenimitate und der Pyrotechnik für die Siegfried´s Schmiede und den Weltuntergang in der Götterdämmerung seien die Probleme mit dem Zoll erst im letzten Moment ausgeräumt worden. Ecker schwärmte von der guten Vernetzung aller Mitarbeiter, wo alle hervorragend zusammenarbeiten. Der gesamte Ring war zweimal vor vollem Hause aufgeführt und live im chinesischen Staatsfernsehen übertragen worden. Ein dickes Kompliment für die Köln und Richard Wagner.
Eike mit Dolmetscherin beim Training der chinesischen Statisten
Als spätere Chefin der Kinderoper (2007-2009) – die Yakult-Halle im Foyer und die erste in Europa kennen viele noch – wurde sie gar vom Bundespräsidenten Köhler mit dem „Preis der Ideen“ ausgezeichnet http://www.kulturserver.de/-/kulturschaffende/detail/38217. Auf die Publikumsfrage nach der Sensibilität des jungen Publikums: „Viel empfindlicher, man muss genauer arbeiten, die merken alles und sagen das auch knallhart“.
Ecker versucht bei neuen Projekten aus der Musik heraus zunächst Bilder im Kopf zu entwickeln und erstellt zu Hause auch an Hand des Bühnenmodells ein vorläufiges Regiebuch, etwa 2 Jahre vor der Premiere. Mit allen Auftritten, mit Chor und Statisten, wer wo geht und steht, dem Timing und den Pointen, mit der Stimmung. Mit diesem Buch (ein Exemplar lag aus), dem Dirigenten, mit allen gut vorbereiteten Solisten (in Text und Musik perfekt) und der Haustechnik gibt es immer ein erstes Konzeptionsgespräch, wo die Reise hingeht. Amtssprache bei internationalen Teams ist Englisch, das Regiebuch wird oft geändert, wenn die Solisten eigene gute Ideen mitbringen. Andererseits muss ein Solist immer davon überzeugt sein, um was ihn der Regisseur bittet. Konträr gegen dessen Vorstellungen etwas anzuordnen, ihn zu überreden – das merkt der Zuschauer sofort. Da wird das Stück dann nur heruntergespielt, ohne Intentionen.
Ungewöhnlich spannend ist von Ecker eine konzertante Aufführung der Cenerentola gewesen https://www.kulturcram.de/2016/04/la-cenerentola-konzertant-fast-eine-komplette-inszenierung/
Vergnügen produzierte Eckers Schilderung von dem überdimensionalen Teeei auf der Wippe in den „Frauen am Fluss“, inszeniert von Fura dels Baus, in dem eine Sängerin wie in einer Zentrifuge halt singen sollten, aber Angst hatte. Ecker musste schlussendlich selbst reinklettern: „Mal schade, dass der Regisseur nicht da war“. Und die Sängerin wie die Regisseurin waren dann ganz stolz, gemeinsam die Angst überwunden zu haben. Das ist ein wesentlicher Teil der Kunst von Regisseuren, subtil mit den Sängern umzugehen, die eine schwankende Tagesform haben oder gerade gesundheitliche Probleme.
Dazu muss man halt viel vom Stück und der Musik kennen. Sonst geht es wie mit einem berühmten Filmregisseur, dem man den „leichten“ Rosenkavalier anvertraut hatte, und der leider scheiterte. Regieanweisungen wie „Nacht, Schleudertrauma, Ähren im Wind“ von fachfremden Regisseuren bringen die Oper nicht weiter, trotz berühmter Namen. Gerade als Regieassistent merkt man sofort, ob sich ein Regisseur gut vorbereitet hat; der berühmte Helmut Lohner habe hier Recht behalten, dass niemand es sonst weit bringen würde.
Zum Umgang mit dem Chor verrät Ecker: Das sind alles Solisten, und so müssen sie behandelt werden. Den Chor niemals als Masse verstehen, sondern alle als Individuen einzeln anweisen mit ihrer jeweiligen Lebensgeschichte und Umfeld. Denn sonst sieht man nur Lemminge, die sich alle gleichzeitig von A nach B bewegen. Wie manchmal an kleineren Häusern in der Provinz.
Begeistert berichtete sie von ihrer Arbeit im „Weissen Rössl“: Wegen der diesmal sehr vielen Aufführungen gab es zwei komplette Teams, die bei den Proben immer alle dabei waren und teilweise nur zuhörten; dadurch wurde ein hervorragendes Timing erreicht, weil alle von allen alles kannten. Und nahezu schwärmerisch sprach sie vom „Kaiser von Atlantis“ von Viktor Ullmann; die Außenspielstätte war frei, ein spannender und leerer Raum, ohne Platz für das kleine Orchester. Da entdeckte ihr langjähriger Ausstatter Darko Petrovic den Hohlraum unter dem Bühnenboden, darin sollten die Musiker spielen, und die Sänger ringsherum agieren. Dirigent Rainer Mühlbach frotzelte: „Fein, mein Orchester bekommt den Graben, und alles andere ist am Rand“. Beglückend sei es für einen Regisseur, in einem neutralen Raum eine in einem KZ geschriebene tolle Oper aufzuführen, etwa wie mit einem überdimensionalen Legokasten zu Hause etwas zu bauen.
Man muss sich als Regisseur immer fragen, wie der Komponist es gerne sehen würde, wenn er denn noch lebte. Daher muss man viele Stücke zeitlos inszenieren, gerade „Atlantis“, ohne Hakenkreuze und SS-Runen, in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Die Verführung der Massen muss der Zuschauer auch auf sich selbst beziehen können. Das ist schon ein hoher Anspruch des Regisseurs an sich selbst; jeder möchte etwas machen, was nachhaltige Wirkung hat für die Zuschauer, für die Bühne, für die Opernliteratur, auch für die manchmal giftige Presse. Das beinhaltet einen großen Ansporn auch für den Dirigenten. Ecker diskutiert daher mit ihm niemals vor dem Orchester, sondern immer nur unter vier Augen.
Die angesetzten zwei Stunden mit Eike Ecker waren viel zu kurz für den Sack an Fragen, die jeder hatte. Einige konnten einem Glas Wein anschließend noch diskutiert werden nach dieser rundum informativen und einfach schönen Veranstaltung; Dank auch nochmal an Rainer Nellessen und seine sehr interessante Reihe https://www.karl-rahner-akademie.de/kurssuche/kurs/Musiktheater-Regie/nr/18066/bereich/details/