Musik

Uraufführung im Staatenhaus – Kompliment für die Oper Köln

In der ersten Etage im Staatenhaus, dem Saal drei, erfreut normalerweise die Kinderoper Köln die jungen Opernliebhaber – oder solche, die es werden sollen. Und jetzt gab es dort sogar eine Welturaufführung mit „Das Biest im Dschungel“ des Franzosen Arnaud Petit. Chapeau. Angefangen hatte es vor 25 Jahren in einem Zelt, aufgebaut im Foyer der Oper, wenn auch zum Leidwesen zahlreicher Opernbesucher, die für den Pausensekt in die schlichte Eingangshalle umziehen mussten. Es folgte das originelle Alte Pfandhaus mit einer größeren Bühne und mehr Platz für die Musiker. Mit dem Umzug der Oper ins Staatenhaus zog die Kinderoper gleich mit. Unter Brigitta Gillessen entstanden zahlreiche, sehr vielfältige und hoch gelobte Produktionen; herausragend war der „Ring des Nibelungen für Jung und Alt“, auch für viele Erwachsene ein Einstieg in die Welt Richard Wagners.

Und nun “Das Biest”. Allerdings keine Story mit Lianen und wilden Tiere im Urwald, sondern ein hoch psychologisches Drama zwischen zwei Menschen. Das Untier ist ein schlimmes Schicksal des John Marcher (gesungen vom Ensemblemitglied KS Miljenko Turk), eine Figur der Novelle „La Bete dans la jungle“ des in Deutschland eher unbekannten Henry James. Hier erzählt er von einem Mann, der sich von seinen Mitmenschen völlig distanziert durch ein Geheimnis; der renommierte französische Komponist fand diesen Stoff sehr passend für eine Oper. Und der Generalintendant Francois-Xavier Roth stand sogar persönlich am Pult der Komposition seines Landsmannes; zur Uraufführung am 14. April 2023 erschienen auch der Komponist selbst und der Librettist Jean Pavans.

Der in Berlin lebende Regisseur Frederic Wake-Walker hatte zusammen mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Johnes die große Fläche vom Saal 3 geviertelt: zwei sich gegenüber liegende Blöcke für die Zuschauer, das Orchester quasi dazwischen, und eine Leinwand für die Overhead-Projektionen von alten Fotos und Natur, persönlich vom Regisseur bedient. Er war es auch, der auf Englisch gebeten hatte, doch bitte die Handys auszuschalten und keine Fotos zu machen. Und der als Erzähler durch die auf französisch gesungene Geschichte führte. Dabei schlich er überall auf der Bühne herum, auf der lediglich zwei Stühle standen, auf denen überwiegend gesungen wurde. Beide Sprachen wurden über Monitore übersetzt, für die Zuschauer dennoch nicht ganz einfach, der Szene und den Texten aufmerksam zu folgen.

Die zweite Person ist Mary (Emily Hinrichs, ebenfalls aus dem Ensemble). Sie ist in der Geschichte eine frühere Bekannte, an die sich John allerdings nur vage erinnert. Und die behauptet, dass ein gefährliches Ereignis sein Leben zerstören würde. Im weiteren Zusammenleben – ohne ein Paar zu werden- scheint sie mehr zu wissen, indem sie in Rätseln spricht. Als sie stirbt, nimmt sie ihr Geheimnis mit. Jetzt kann John ihr nur noch als Geist begegnen. Am Grab erkennt er, dass er sie nie richtig geliebt hatte – vom Biest im Dschungel wird er nun verschlungen.

Das ist die Konsequenz aus der anfänglichen Frage des Regisseurs an das Publikum, ob es jemanden gibt, den man hätte lieben können, es aber dann doch nicht getan hat. Und auf der Bühne finden die beiden Protagonisten dann auch nie zueinander, auch nicht im Duett; optisch spektakulär ist der Schluss, wenn John und Mary auf beiden Seiten einer halbdurchsichtigen Scheibe agieren, vermeintlich zueinanderfinden, dennoch aber einzeln bleiben.

Die moderne Musik von Arnaud Petite ist „gut hörbar“, sängerfreundlich, das breit gefächerte Gürzenichorchester mit viel Schlagzeug, mit Saxofon und E-Gitarre und sehr präzisen Bläsern ist blendend einstudiert – auch wenn man diese Musik nicht unbedingt auf CD zu Hause kaufen möchte. Aber szenisch passt sie hervorragend mit den ausgezeichneten Stimmen von Emily Hinrichs und KS Miljenko Turk. Beide kennt und liebt man aus vielen Inszenierungen: reifer, klangschöner Gesang, kluges und rollentypisches Spiel, schauspielerisch dezent, aber überzeugend, einfach Spitze.

Das nach 90 Minuten etwas erschöpfte Publikum spendete sehr reichlich Beifall für die überragend ausgezeichneten Sänger, für den regieführenden Erzähler wie auch für das Produktionsteam. Bei der nachfolgenden Premierenfeier bedankte sich der Intendant Hein Mulders für das Vertrauen des Komponisten, die Oper Köln mit der Uraufführung bedacht zu haben. Ein weiteres Steinchen für ihren künstlerischen Ruf. Jetzt muss nur noch der Umzug zum Offenbachplatz klappen.

Letzte Aufführungen am 27. und 30. April 2023

Fotos von © Sandra Then

Rezension von Michael Cramer

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