Museen

Ursula in Köln – aber eben nicht die Heilige

Denn die Dame ist historisch nirgends belegt, auch nicht ihre elftausend Jungfrauen; diese unglaubliche Zahl beruht auf einem Rechenfehler durch die lateinischen Zahlen, was sogar die Webseite des Erzbistums Köln zugesteht. Wenn es auch in der Domstadt eine romanische Ursulakirche und einen gleichnamigen Platz gibt. Aber die Kölner waren immer schon sehr großzügig mit ihren Geschichtsdaten. Jedoch: die Ursula, der das Museum Ludwig zwar kein Gotteshaus, aber eine große retrospektive Ausstellung gewidmet hat, existierte wirklich.

v.l. Sonja Hempel (Presse), Stephan Diederich (Kurator), Stefan Charles (Beigeordneter f. Kunst), Yilmaz Dziewior (Museumsdirektor), und die Presse auf der Erde

 

Ursula malt im Atelier in Frankfurt am Main, 1966, Foto: Ulfert Beckert
Stadt Köln mit Dom und Hohenzollernbrücke

Die Malerin und Autodidaktin ist 1921 als Ursula Bluhm in Mittenwalde (Mark Brandenburg) geboren und hat sich früh mit der Malerei beschäftig; im Museum ist eine kleine Abteilung aus dieser Anfangszeit (1950-1960) mit Werken in Wachsmaltechnik gewidmet, während die insgesamt 237 Bilder und Objekte überhaupt nicht chronologisch präsentiert sind. Das muss auch nicht, um die enorme Phantasiewelt und Kreativität der Künstlerin dazustellen und aufsaugen zu können. Die nach ihrer Heirat mit dem Künstler Bernard Schulze ihren Mädchennamen nicht aufgeben wollte, sich aber dann nur noch „Ursula“ nannte, weil ihr der Doppelname zu lang erschien. Auch wenn es da berühmte Parallelen gab etwa wie Toulouse-Lautrec oder Schmidt-Rottluff.

     

Das immense und kleinteilige Oeuvre von Ursula lässt sich im Vorbeigehen auch nur annährend nicht erfassen, die Konzentration wird sonst schlichtweg überfordert. Wolfgang Becker, Gründungsdirektor des Ludwig-Forums, hatte eine sehr frühe Ausstellung von Ursula kuratiert. Er wurde zum vertrauten Freund der Malerin und ihres Ehemannes, die nach Köln zogen, nebeneinander ihre Ateliers hatten und dort ein sehr fröhliches Leben hatten, mit vielen Freunden und einem offenen Haus. Becker zu ihrer Kunst: Sie lässt sich nicht auf einen Begriff bringen, sie ist exzentrisch, aber auch absolut modern. Naiv, surreal, ihre Farben sind von einer fast schmerzhaften Intensität, die mythologischen Figuren sind Menschenpflanzen, Mythenranken, in einem Zauberwald, wo im Beziehungsdickicht die Nachtmahre tanzen. Mit Tierdämonen, Katzen, Drachen. Keinesfalls hat Ursula aber einfach drauf los gemalt, sondern hatte ihre Bilder fertig im Kopf, sie dann gezeichnet und dann erst gemalt.

                                 

Es ist unglaublich, dass ein Großteil ihres Werks bisher in den Depots geschlummert hat. Nach Ursulas Tod 1999 ging ihr Nachlass an ihren Mann, dessen Erbe wurde dann unter der Federführung von „Van Ham Art Estate“ auf das Museum Ludwig und das Essener Folkwang-Museum aufgeteilt. Daher ist diese Ausstellung quasi eine Neuentdeckung einer der wichtigsten Künstlerinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Kurator Stephan Diederich zu ihrem Werk: „Sie hat sich aus der Kunstgeschichte inspirieren lassen und sich wie aus einem Steinbruch daraus genommen, was sie interessierte“. Er führte die Journalisten anlässlich der Pressekonferenz – statt eines üblichen Vortrags im Kinosaal –  sehr kompetent durch die Ausstellung zusammen mit seiner Assistentin He­le­na Kuhl­mann und per Kopfhörer unterstützt. Leider aber ohne jede Sitzmöglichkeit, für manche etwas mühsam. In Anwesenheit vom Kulturdezernenten Stefan Charles konstatierte der Museumsdirektor Yilmaz Dziewior in seiner Begrüßung: Es wurde höchste Zeit, diese Malerin wieder zu präsentieren. Nur fragt man sich – warum erst jetzt ?

Vorbei am Selbstportrait der Künstlerin (1995) mit den großen Augen und ihrer sehr selbstbewussten Aussage: Ursula. Das bin ich. Na und? schlendert man am besten sehr entspannt durch das Bilder-Universum, lässt sich nicht erschrecken von einem „Mann, der sein Auge isst“, oder an dem Bild „Die schwarze Pest geht um“, und freut sich dann um so mehr am großartigen, mit Blattgold verzierten Köln – Gemälde mit dem Dom und der Hohenzollernbrücke von 1972. Die Malerin spiegelt sich auch als Kind in den Pandora – Objekten, der Büchse, aus der alle Laster dieser Welt stammen, geschmückt mit Puppenköpfen, Federn, Spiegel und Pelzstücken, als phantastische Welt oder Zufluchtsräume für ein ängstliches kleines Mädchen. Und dann gibt es noch ein ganzes Haus (1970) aus Pelz, mit zwei Eingängen, möbliert, und errichtet im alten Kurhaus Aachen. Zerlegt überdauerte es im Museum in Witten, im Ludwig wurde es wieder aufgebaut. Manchmal klappt das Bauen auch in Köln.

Die Ausstellung mit allerlei Hirngespinsten und Humor, mit einem dezenten Sadismus und überbordender Fantasie eignet sich ganz hervorragend auch für Kinder, spezielle Führungen finden sich unter www.museum-ludwig.de

Die Ausstellung dauert bis zum 23.Juli 2023, Di-So 10-18 Uhr

 

Text und Fotos: Michael Cramer

 

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