Musik

Eifersucht mehr als reichlich im Staatenhaus

Antonio Salieri: La Scuola de´Gelosi

 

Von Michael Cramer

 

Wenn im Abendprogramm einer Buffo-Oper mit sieben Sängern die Inhaltsangabe in vier Versionen aufgeführt ist (Blitzversion, Kurzversion, mittellange Version und „ausführlich“), dann zweifelt die Redaktion entweder an der Auffassungsgabe des Zuschauers, oder die Geschichte ist tatsächlich so kompliziert, dass man sie nur in zunehmender Informationsdichte einigermaßen behalten kann. Es geht hier um „La Scuola De´ Gelosi“, „Die Schule der Eifersucht“ – eigentlich „der Eifersüchtigen“, der Oper von Antonio Salieri nach dem Libretto von Caterino Mazzolà. Dem Komponisten haftet der fatale Ruf an, am Tode Mozarts mitgewirkt zu haben, verstärkt durch den prächtigen Amadeus-Film von Milos Forman. Der allerdings nicht die Vita von Mozart erzählen wollte; hier ging es vielmehr um den Konflikt zwischen Mittelmaß und Genie. Nun war Salieri keinesfalls Mittelmaß, sondern der berühmteste Opernkomponist seiner Zeit, und Mozarts Frau Constanze hätte ihren Sohn sonst kaum von ihm unterrichten lassen.

Salieris Musik ist zweifellos sehr hübsch, angenehm im Ohr, spritzig und pfiffig, genau nach dem Geschmack des Zeitgeistes. Aber an die Musikalität, Komik und Dramatik etwa von Mozart oder Rossini, welche die Buffo zu einem unübertrefflichen Höhepunkt geführt  haben, kommt sie nicht heran. Nicht umsonst verschwinden seine Werke immer mal wieder in einer – wenn auch flachen – Versenkung. In der Opernpraxis versuchen Regisseure gerne, eine mittelmäßige Musik durch allerlei extravagante Späße auf der Bühne aufzuwerten, allerdings mit der Gefahr, Klamauk zu produzieren – wenn auch auf hohem Niveau. Denn das kann auch Kunst ein. Im oberen Saal 3 des Staatenhauses war die Kammeroper zu goutieren, die zwei Jahre zuvor als Koproduktion im „Theater an der Wien“ auf die Bühnenbretter kam, identisch inszeniert von der Choreografin Jean Renshaw, die 2017/18 bereits hier „Gli Ucellatori“ (Vogelfänger) sehr erfolgreich herausgebracht hatte. Sänger und Musiker, auch der Dirigent sind nicht identisch mit der Wiener Aufführung, wohl aber Christof Cremer, zuständig für Bühne und die entzückenden Kostüme. Von den „Ucellatori“ in Köln ist der Tänzer Martin Dvorak erhalten geblieben, der sich mit erstaunlicher Gelenkigkeit, aber schlussendlich ohne tieferen Sinn durch die Szene wuselt; vielleicht sollte er die Eifersucht markieren. Aber er hilft auch, die vor allem in ersten Akt etwas langatmigen Szenen besser zu ertragen; hier hätte man einige Rezitative guten Gewissens etwas kürzen können.

Wie auf der Bühne, hier mit beweglichen Elementen, welche ständig neue Perspektiven und Konstellationen produzieren, geht es auch bei der Handlung zwischen den Protagonisten hin und hehr. Der Eros ist ständig präsent, nicht nur unter den Akteuren, sondern auch auf dem Bühnenbild, welches je nach Stellung der Elemente eine lasziv auf dem Bauch liegende Schönheit oder eine kaum verhüllten Adonis präsentiert. Wenn die damaligen wechselseitigen Amouren und ohne heutige Verhütung tatsächlich der gelebten Realität entsprachen, darf man sich über viele uneheliche Kinder oder Abtreibungen nicht wundern. Denn hier gibt es drei Pärchen, die an der Hippie-Generation der 60er-Jahre sehr nahe dran sind bezüglich sexueller Freizügigkeit, Treue und Gleichberechtigung. Aufgestachelt durch den Zyniker Blasio, der das Leben infrage stellt mit der Erkenntnis, dass alles Zwischenmenschliche eigentlich nur Illusion ist. Diese Kammeroper ist ideal geeignet für das Kölner Internationale Opernstudio als Spielwiese, schließlich wollen die jungen Sänger, die von den „Freunden der Kölner Oper“ www.opernfreunde-koeln.de finanziert werden, auch effektvoll auftreten. Und das ist hier sehr vergnüglich gelungen, sowohl optisch wie auch musikalisch. Das Niveau des derzeitigen Opernstudios, welches alle zwei Jahre wechselt, ist in diesem Jahr außerordentlich hoch, die Mitglieder haben bereits eine umfangreiche Ausbildung absolviert und treten auch regelmäßig auf der großen Bühne auf.

So erfreuten herrliche Ensembleleistungen wie die des gräflichen Paares Kathrin Zukowski und William Goforth; Kathrin mit ihrer ergreifenden großen Arie im zweiten Akt war unbestreitbarer Höhepunkt des Abends. Auch Matthias Hoffmann, einstiges Mitglied des Opernstudios und fest im Kölner Ensemble, zeigte als Diener Lumaca eindrucksvoll, was er an Stimmvolumen und Spielfreunde dort gelernt hatte. Als Getreidehändler Blasio hatte man Matteo Loi aus Wien ausgeliehen. In hoffungsvoller Ausbildung steht noch die Isländerin Arnheidur Eiríksdóttir, mit entzückendem Spiel und ebensolcher Stimme. Alina Wunderlin brilliert mit hellem Sopran als Erestina, Anton Kurzenok als Leutnant mit noch leichter Luft nach oben. Alles in allem hörte man erstaunliche, noch junge Stimmen, denen eine hervorragende Karriere im hart umkämpften Sängerwettstreit zu gönnen ist. Das stark reduzierte Gürzenichorchester mit der Konzertmeisterin Ursula Berg hat der junge Arnaud Arbet sicher im Griff, mit knappen konzentrierten Gesten erzeugt er ein durchsichtiges, federndes Klangbild, sehr musikalisch, mit präzisen Einsätzen für die Sänger, ganz ohne Pannen.

Da stören dann auch nicht die exzessiven Übertreibungen mit Bügeleisen, Staubsauger und sich verheddernder Zwangsjacken und sonstigen Kalauern der Inszenierung, zumal der zweite Akt musikalisch anspruchsvoller war. Das Publikum im ausverkauften Staatenhaus hatte auf jeden Fall sehr viel Spaß an der Aufführung und dankte mit reichlichem Applaus.

Sehr originelle Fotos von © Hans Jörg Michel

Kölner Erstaufführung am 31.3. 2019

www.oper.koeln

 

 

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