Musik

Offenbach zum 200. Geburtstag:” La Grande-Duchesse de Gérolstein”

Oder: Wer quakt denn da im Orchestergraben ?

 

Von Michael Cramer

Wer François-Xavier Roth, Generalmusikdirektor der Stadt Köln, mal wie einen Frosch laut quaken hören möchte, muss ins Staatenhaus gehen. Genauer: in die “Großherzogin von Gerolstein“, La Grande Duchesse vom derzeit allgegenwärtigen Offfenbach, die vor wenigen Tagen Premiere hatte. Er bringt einen Spielzeug-Frosch mit, Symbol für die Ökologie und später auch als Großfigur auf der Bühne, setzt ihn auf die Brüstung und hebt an zu dirigieren, um dann mehrfach selbiges Geräusch laut von sich zu geben (den tatsächlichen Urheber dürften allerdings nur die teuren ersten Reihen mitbekommen haben). Die Operette spielt partiell im „Hambi“, dem von Umweltschützern hart umkämpften Hambacher Forst neben dem Braunkohlentagebau. Da hat sich das Produktionsteam Renaud Doucet (Regie) und André Barbe (Bühne und Kostüme) richtig Mühe gegeben mit dem Nachempfinden der alternativen Szene aus Hippies, Protestlern und verkappten Grünen. Die Beiden hatten sich in Köln bereits Lorbeeren verdient mit der köstlichen Verlegung von Cimarosas „Il Marimonio Segreto“ in einen Hühnerstall. Ein sehr sehenswertes Camp stand da im Saal 2, mit stinkenden Freiluft-Plumps-Klos und einsehbaren Duschen (immerhin !), die auch zum Sexspiel dienten. Dazu allerlei Müll, marode Wohnwagen, zusammengeschusterte Möbel und ein köstlich gekleidetes Völkchen, mit einer Unzahl von Protest-Schildern. Eine durchaus typische Szenerie, ganz wie ein Wimmelbild.

Entzückend und immer wieder mit Zwischenapplaus jubelnd beklatscht waren auch die zehn Tänzer*innen mit dem Dance-Captain Simon Gruszka, und noch sehenswerter das „Pferdeballett“, wo die Tänzer im Pferdekostüm als Reiter über das ganze Bühnenrund galoppierten, vor, neben und hinter dem Orchester. Ein Augenschmaus, der bei späteren Aufführungen vielleicht als Zugabe wiederholt werden sollte (Choreografie von Cécile Chadueau).  Sehr originell auch die Gespensterszene, die perfekte Choreografie des Opernchors, der ständig in Bewegung war, und vor allem das Dirigat von Roth. Wer das Glück hatte, ihn am Pult zu beobachten – wo er sich auch immer wieder erhob, ebenso wie die gesamte Bläsertruppe – konnte Offenbachs interpretatorische Intentionen quasi mit eigenen Augen aufsaugen. Musikalisch ist das selten aufgeführte Stück – bis auf einige hübsche Stellen – allerdings eher zweite Liga, wurde aber durch sein Dirigat regelrecht geadelt; Roth erlebte die Operette regelrecht persönlich mit, feuerte Sänger und Musiker exzessiv an, schuf wunderbare musikalische Bögen und Stimmungen. Wer kann das schon, außer er ist vielleicht selbst Franzose ?

Problematisch war allerdings die Idee der Regie, die ursprüngliche Kriegs-Geschichte über Vetternwirtschaft und Missbrauch von Macht in die Öko-Szene verlegen zu wollen, da passte „Hambi“ ja nun genau hin – meinte sie. Aber das klappte weder vorne noch hinten. Angefangen von dem Deutsch-französischen Sprachgemisch, den zur geänderten Handlung kaum passenden Dialogen von Dietmar Jacobs, wenn auch mit einigen netten Kölschen lokalen Gimmiks versetzt. Man musste gleichzeitig zuhören, Texte lesen und zuschauen – das strengte schon an. Denn die Hambi-Öko-Freaks haben ja nun überhaupt nichts gemeinsam mit den Offenbach´schen Intentionen auf Säbelrasseln, mit dem Spott auf Napoleon, mit militärischem Drill. Die Inszenierung läuft der Musik und der eigentlichen Geschichte ziemlich quer; wie sagt man: „Reim Dich oder ich fress´ Dich“. Da helfen auch nicht die vielen neuen Kostüme in den weiteren Akten und zu anderen historischen Zeiten. Der Vergleich mit einer Kölschen Mischung zwischen Stunksitzung und Divertissementchen  liegt durchaus auf der Hand.

Vor allem – die Oper ist mit knapp vier Stunden arg lang, zu lang; man hätte ohne Qualitätsverlust etliches kürzen können, vor allem die langen Dialog-Szenen im 2. Akt, wo eh kaum etwas passiert, oder die Geschichte mit dem Messerschleifen. Die Solisten, allen voran Dino Lüthy (Fritz) und Emily Hinrichs (Wanda) singen und spielen toll, reißen vieles heraus, Publikumsliebling Miljenko Turk (Puck) und John Heuzenroder (Paul) machen ihre Sache sehr gut, Jennifer Larmore (Großherzogin) war nicht ganz auf der Höhe wie man sie kennt, ebenso Vincent Le Texier (Boum). Auch muss lobend erwähnt werden die stark beschäftigte Maske; Rolf Ueltzhöffer und sein Team schafften es, die teilweise bekannten Gesichter geschickt zu verfremden. Und der vielbeschäftigte Chor unter Rustan Samedov sang nicht nur hervorragend, sondern war integriertes Teil der gesamten Geschichte – ein Vergnügen schon bloss beim Zusehen.

Als eine der Hauptaufführungen des Offenbachjahres ist das Stück leider knapp gescheitert; wenn auch in Details sehr hübsch ist es als Ganzes danebengegangen. Es passt einfach nicht alles zusammen, wenn auch der vordergründige Unterhaltungsfaktor nicht negiert werden kann. Kein Wunder, dass nach jedem der drei Akte die Lücken im Premierenpublikum etwas größer waren. Und fragen muss man sich auch, ob der riesige Aufwand mit etwa 250 Veranstaltungen, organisierte Hype durch die eigens gegründete Offenbachgesellschaft www.yeswecancan.koeln und organisiert von der rührigen, vielfach fotografierten Claudia Hessel, und an über vierzig Orten, darunter auch Paris und Berlin, und sogar unter Einbeziehung von NRW-Ministerpräsident Laschet und dem Kölner Kardinal Woelki nicht etwas bescheidener hätte ausfallen können. Auch muss gefragt werden, ob der erkleckliche Zuschuss der hiesigen Opernfreunde  www.opernfreunde-koeln.de unter Norbert Pabelick, die sich eigentlich engagiert um den sängerischen Nachwuchs kümmern, für diese Produktion sinnvoll ausgegeben war. Außer über eine schmale Zeile auf dem Abendzettel erfuhr man nichts davon, und kein einziger Sänger des hervorragenden Internationalen Studios hatte mitwirken können.

Mal nur unter uns: Ganz so dolle ist der Offenbach ja nun auch nicht;  Bonn hat es da mit  Beethoven und Halle mit Händel sehr viel einfacher. Dennoch: Hoffen wir, daß der gepuschte Glanz nicht so schnell verebbt.

Fotos © Bernd Uhlig

Premiere am 9. Juni 2019im Staatenhaus Saal 2

 

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