Fesselnde Artistik voll Adrenalin in Flic Flac
Fesselnde Artistik
Die „Farblos“-Show des Circus Flic Flac
Die Drohung zeigte Wirkung, hatte doch der Zirkussprecher zu Beginn der Show angekündigt, dass das Fotografieren mit Blitz mit einem Konzert von Helene Fischer nicht unter 2 Stunden bestraft würde: Jeder im vollbesetzten Zelt hatte sich daran gehalten. Wobei natürlich diskutabel ist, ob eine solche Ironie gegenüber Show-Kollegen akzeptabel ist. Egal, die Bemerkung hatte nicht nur einen Heiterkeitserfolg, sondern setzte das Kölner Premierenpublikum gleich auf die richtige Spur: atemberaubende Artistik neben lockerem und gekonnten Humor. So wurde auch die Pause mit vier schwarz verhängten Wesen angekündigt, die etwas tranken, eine Tüte Popcorn zerkrümelten und qualmten; einer pinkelte gar mit kräftigem Strahl in eine große Tonne. Genauso die Schlussszene: In den Zirkusrund zieht eine lange schwarze Karawane ein, nach einer Sekunde Dunkelheit stehen alle da in ihrem Showkostüm und ziehen aus mitten durch die Zuschauer. Ein Beispiel für die perfekte Choreografie der knapp drei Stunden: Alle Szenen gingen fast unsichtbar ineinander über, ohne erkennbare Pausen, mal hoch oben in der Zeltkuppel, mal unten am Boden.
Dadurch werden auch die heftigen Anspannungen der Zuschauer immer mal wieder heruntergefahren, ausgelöst von den über den Publikumszugang fliegenden Motorrädern und artistischen Stunts oder der dreistöckigen Menschenpyramide der „Adrenalin-Crew“, die auch mit dem „Todesrad“ auftritt, den an beiden Seiten geöffneten und sich immer schneller drehenden Rädern, in denen sich die Herren so sicher bewegen wie auf festem Boden und dabei sogar Seilchen springen. Adrenalin pur gleich zu Beginn. Und wie bei allen anderen Nummern auch ganz ohne Netz und doppelten Boden. So auch bei der Trapeznummer von Alain Alegria, der auf der runden Stange sogar mit einem Stuhl balancieren kann. Alles ganz weit oben – wer Probleme mit dem Nacken hat, setzt sich daher besser auf einen höhergelegenen Platz. Das bräuchte allerdings Cristina Garcia mitnichten: Sie scheint überhaupt keine Wirbelsäule zu besitzen, so sehr kann sie sich nach hinten verkrümmen und sogar mit den Füßen per Pfeil und Bogen einen Luftballon zerschießen.
Für die notwendige Abregung sorgt der sympathische Patrick Lemoine, der mit einer gekonnten Clownerie aus Kleinkunst, scheinbar müheloser Jonglage und Taschenspielertricks das mit einbezogene Publikum amüsiert, ebenso wie die ukrainischen Freestyle-Jumper, die unter- und übereinander springen und offensichtlich schwerelos die Wände hochgehen. Etwas erotisch wurde es dann beim Duo Turkeev mit einer artistischen Liebesgeschichte hoch unter der Zirkuskuppel, während Max, Vlas und Jenia zeigen, was man mit 15 Keulen alles anstellen kann, ultracool und lässig, wie selbstverständlich. „Im Regen“ standen dann auch noch zwei Artisten, Olba und Pavlo mit ihrer Nummer „Wet Adagio“, auf ihre eindrucksvollen erotischen Körperbilder ging ein echter prasselnder Regen nieder – damit hatte wirklich niemand gerechnet.
Die Zeit verging wie im Flug durch die perfekte, atemlos machende, abwechslungsreiche Dramaturgie und die professionelle Organisation, mit fast unmerklichen Umbauten, mit hervorragendem Verpflegungsservice ohne lange Warteschlangen, mit blitzsauberen Toiletten. Natürlich auch mit viel Herzklopfen, aber mit einer gut ausgewogenen Mischung, die auch für jüngere Besucher nicht allzu aufregend sein dürfte. Eine unübliche Zirkusshow, die ihren Eintrittspreis jeden Moment wert ist.