Drei Stradivaris, drei Zugaben
Sehr selten: Drei Stradivaris, drei Zugaben – Ein ganz besonderes Konzert in Honrath
Vielleicht hatten manche Zuhörer des letzten Konzertes in Honrath eine gewisse Polizei-Präsenz erwartet. Aber es ging nicht um eine Aufführung etwa mit palästinischen oder jüdischen Musikern, sondern um drei sehr teure Instrumente aus der Werkstatt von Antonio Stradivari (1648-1737). Der Geigenbauer schuf in seinem Arbeitsleben in seiner Werkstatt im oberitalienischen Cremona etwa 1100 Instrumente, die sich durch einen exzellenten Klang und eine herausragende Schönheit auszeichnen. Sie sind sehr geschätzt und hoch gehandelt, viele haben einen richtigen Namen wie Lady Blunt, King George, Dolphin oder Kreutzer. Das spanische Königshaus besitzt ein ganzes Stradivari-Quartett; eine persönlich gut bekannte Geigerin hatte die Ehre, in einem Konzert mit eben diesen Instrumenten mitspielen zu dürfen. Sie berichtete, dass die Instrumente mit Polizeibegleitung vom Museum in den Konzertsaal und wieder zurückgebracht wurden.
Ganz so schlimm war es in Honrath mitnichten, nur von Köln und zurück; die Musiker hatten ihren Freund Matthias Lingenfelder besucht. Der frühere Primarius des Auryn-Quartetts hatte der künstlerischen Leiterin der Honrather Konzerte, Marita Cramer, dieses Konzert zusammen mit seinen Freunden angeboten. Nach Honrath hatte das Quartett ohnehin einen sehr guten Draht, da es sämtliche Haydn-Streichquartette wegen der guten Akustik hier aufgenommen und auch mehrfach im Konzert gespielt hatte. Cramer ließ sich diese Chance nicht entgehen, drei Stradivaris in den kleinen Ort zu locken. Wer hat das schon, und alles ganz ohne Polizeischutz.
Die kleine, stimmungsvolle Kirche war mal wieder ausverkauft, als Dr. Franz Wingen, Vorsitzender des rührigen Trägervereins musik-honrath.de, in seiner charmanten Art eine kleine Rechnung aufmachte: viele Jahre kann man heute hören – die Instrumente sind zusammen knapp 1000 Jahre alt, kosten auf dem freien Markt etliche Millionen, die Musiker sind zusammen ca. 100 Jahre, dazu noch sein eigenes Alter.
Christian Poltéra ist einer der eindrucksvollsten Cellisten seiner Generation. Einladungen renommierter Orchester führen ihn in die ganze Welt, zudem ist er Dozent an der Hochschule Luzern und gibt regelmäßig Meisterkurse. Und ein sehr netter, nahbarer Mensch, wie man zweifellos bei der „Nachlese“, einer Besonderheit der Honrather Konzerte, feststellen konnte. Hier werden Besucher und Musiker in das nahgelegene „Peter-Lemmer-Haus“ gebeten, um bei Wein und netten Speisen das Gehörte zu verarbeiten und mit den Künstlern zu diskutieren. Poltéra hatte sein Cello pflichtgemäß wie immer dabei und wies auf die reparierten Stellen hin. Das Instrument, das „Mara“, eines von drei weltberühmten Celli aus dem Jahre 1711, hatte einen schrecklichen Schiffsunfall und war beinahe völlig zerstört. Der Cellist Amadeo Baldorino befand sich 1963 mit dem Mara auf einer Südamerikatournee, als es auf dem Rio de la Plata zu einer Kollision mit Schiffsuntergang kam. Ein Spezialist konnte später die geretteten Teile in jahrelanger Detailarbeit restaurieren. Christian Poltéra: „Dieses Cello hat eine unheimliche Klarheit im Klang und auch etwas Schwereloses, Schwebendes.“ Und hat seither sogar ein Freischwimmerabzeichen.
Auch ein Kölner Geigenbauer war im Konzert und schaute ehrfürchtig auf die drei Stradivaris. Darunter die „Ex Laurie“, im Besitz von Matthias Lingenfelder, die früher vom berühmter Geiger Joseph Joachim gespielt wurde. Ester Hoppe spielt die „De Ahna“, gebaut 1722. Sie hat damit etliche Wettbewerbe gewonnen, ist ebenfalls weltweit unterwegs, war Konzertmeisterin des Münchener Kammerorchesters, ist Professorin in Salzburg und künstlerische Leiterin der „Camerata Zürich“. Die beiden Geigen sind übrigens „alte Bekannte“, da sie schon früher im Quartett von Joachim zusammengespielt hatten.
Matthias Lingenfelder hatte das Konzert angestoßen – das war eine sehr gute Idee. Und eine kluge Programmgestaltung. In die Klassiker-Musik von Joseph Haydn eingebettet mit seinem hübschen Divertimento Nr. 3 und der Arpeggione-Sonate erklang eine Sonate für Violine und Violoncello von Maurice Ravel, klanglich und musikalisch ein starker Kontrast zu Haydn. Auch die Sonate für 2 Violinen op. 56 von Sergej Prokofjew ist ein heftiges Stück Musik. Die beiden Musiker greifen nicht nur die turbulente Musikfülle beider Sonaten auf, sondern schärfen sie noch durch die fulminante Intensität ihres Spielens. Das zusammen mit der hohen Musikalität war einsame Klasse, erinnerte ein wenig an Gesang, aber ohne jegliche Schärfe.
Die sehr unterschiedlichen Stücke rissen die Zuhörer zu Begeisterungsstürmen hin. Wie schon erwähnt: drei Zugaben erklatschten die Konzertbesucher, schon eine sehr seltene Situation. Die Konzerte in Honrath haben ein sehr hohes Niveau, viele Profi-Musiker melden sich, um hier spielen zu können. Im Peter-Lemmer-Haus wurden die Instrumente dann präsentiert, man durfte sie auch mal berühren. Aber nur ganz vorsichtig und unter den Augen der Besitzer, der aber nicht der Eigentümer ist. Denn die teuren Instrumente werden – gut versichert – oft von den Eigentümern an junge herausragende Musiker zur Verfügung gestellt. Hinweis: Der Schriftsteller Wolf Wondratschek hat über das Leben des „Mara“ einen richtigen Roman geschrieben.
Und hier ein längerer Bericht über das Cello aus dem Deutschlandfunk:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/beruehmtes-cello-das-ringen-um-stradivaris-mara-100.html
Das nächste Konzert am 2. Juni 2024: „Franz Schubert trifft George Onslow“ mit dem Ensemble Tamus, Details unter www.musik-honrath.de