“Nein zum Geld”: Blendende Komödie im Theater am Dom
„Wer soll das bezahlen ?“, schallte das berühmte Karnevalslied des Jupp Schmitz von 1948 im noch dunklen Theater am Dom; man war fast geneigt ein wenig zu schunkeln. Aber im Ernst: Etienne (Max Claus köstlich als verhinderter Schwuler) ist Architekt und Geschäftspartner des Hausherrn Richard (Pascal Breuer); er hat viele große berufliche Pläne, aber leider nicht die nötigen Finanzen, um diese zu realisieren. Und meint überdies, Richard immer den Rücken freigehalten zu haben.
Im schicken Wohnzimmer mit offener Küche hat Richard zu einem Umtrunk geladen; seine Frau Claire (Dorkas Kiefer), seine Mutter Rose (Marianne Rogée) und den Freund und Kollegen Etienne (Max Claus). Nach längerem Rumdrucksen verrät er den Grund: Er hat im Lotto gewonnen, und zwar den Jackpot, und lässt sich den Betrag wie einen Wurm aus der Nase ziehen: sagenhafte 162 Millionen Euro. Im Gedenken an seinen verstorbenen Vater, der aber nie gewonnen hat, hat er dessen wöchentliches Spiel mit den Zahlen dessen Hochzeitstags einfach weitergespielt. Auf den Jubel seiner Leute folgt die kalte Ernüchterung: Richard will das Geld gar nicht haben. Basta. Er sei auch so glücklich, hätte alles was er bräuchte, das Geld würde nur den Charakter verderben und Habgier erzeugen.
Von nun an fliegen nur so die Fetzen um verdrängte Sehnsüchte, um Hoffnungen und Ideen in dieser rabenschwarzen Komödie. Die Macht des Geldes ist zentrales Thema: Mit dieser Summe könnte man das Haushaltsdefizit der Stadt Köln locker ausgleichen, oder zumindest die Rolltreppen am Ebertplatz reparieren, und noch etwas den Düsseldorfern abgeben. Das Baby der jungen Eltern quakt im Nebenzimmer vom Band, ein „verhindertes Millionärskind“. Aber Geld war Richard noch nie wichtig – Claire: „Weil wir keines hatten“.
Die Entscheidung, auf das Geld zu verzichten, hätte Richard ganz alleine getroffen; Rose: „Du hättest mich vorher fragen müssen, ich bin doch deine Mutter“. Keinerlei Lob für den bescheidenen Richard, der verzweifelt versucht, seine Beweggründe darzustellen. Man diskutiert gar einen Mord – „dem Richter zeigen wir dann den Lottoschein“ Nur – wo ist der Zettel überhaupt ? Eine hektische Suche beginnt; und: Ist er überhaupt noch gültig ?
In all dem Trubel ist Mutter Rose ein Ruhepol mit deftiger Schnauze, nett ordinär, ständig auf der Suche nach einer schnellen Nummer im Netz, voll Spott für ihre potentiellen Lover, hochgradig schlagfertig und hellwach: „In meinem Alter lernt man nur noch Kardiologen kennen“. Ein Wunder, denn die Dame hat bereits 86 Jahre hinter sich und stand bereits in der Nachmittagsvorstellung auf der Bühne. Ihre Mitspieler lobten sie beim anschließenden Kölsch in der Kneipe gegenüber über alle Maßen bezüglich ihrer Kollegialität und Mitarbeit. Der Lottoschein wird endlich gefunden, er klebte am Kühlschrank und ist noch bis Mitternacht gültig. Aber Richard stopft ihn in den Mund, versucht ihn zu zerkauen. Das war´s dann mit den wohltätigen Spenden, mit schönen Reisen, mit einem größeren Haus.
Die habgierige Meute stürzt sich auf ihn, aber er scheint sich verschluckt zu haben und tot zu sein. In geheuchelter Trauer planen die Drei die Beerdigung, um dann noch den Lottoschein dem „Toten“ aus dem Mund zu ziehen. Der spuckt ihn in hohem Bogen als Papierknubbel aus, er wird rasch geglättet und ab geht’s in die Lottozentrale. Was dann folgt, sei hier nicht berichtet, es wäre einfach zu schade, um das verblüffende Finale vom besten Stück des TaD seit langem zu verraten.
Der bewährte Altmeister René Heinersdorff hat das Stück der Französin Flavia Coste köstlich und erfrischend inszeniert, in flottem Tempo wechseln sich die spritzigen Dialoge ab, man muss echt gut aufpassen, um nur ja nichts zu versäumen. Da helfen natürlich die hervorragenden Akteure auf der Bühne mit: Dorkas Kiefer als junge Mutter und finanziell enttäuschte Ehefrau, Max Claus als angeblicher Homo ohne richtiges Outing, und der nicht ausgezahlte Gewinner Pascal Breuer, dessen Überzeugungsversuche fast anrühren. Die Palme des Abends aber gebührt der Seniorin Marianne Rogée, köstlich in Spielwitz und Ausstrahlung. Das Theater scheint seine Mimen jung zu erhalten.
Das Stück läuft noch bis zum 1. Mai 2022, täglich außer Montag
Tickets unter www.theateramdom.de
Oder 0221 258015
Fotos: Jennifer Zumbusch, Andrea Matzker
Rezension: Michael Cramer