Reisen

Kenia – per Kamel erwandert

Reisezeit Februar/März 1988, in gut zwei Wochen ca. 250 km gewandert.

Es ist schon witzig, wie das Leben manchmal so spielt. Da erzählt mir ein Patient zwischen zwei Füllungen von einer bevorstehenden Reise mit Kamelen durch Kenia entlang des Ewaso River, der auf dem Mount Kenia entspringt und sich dann langsam verbreitert, um von Galeriewäldern gesäumt irgendwann kaum noch Wasser zu führen. Dr. Klaus Koch hatte als Tropenmediziner und Mitarbeiter eines Weltkonzerns vielfältige Beziehungen und von einer Möglichkeit gehört, mit Kamelen und begleitet von Einheimischen entlang des Ewaso zu wandern.

Zusammen mit seinem Freund und Kollegen Dr. Karl-Heinz Becker (oben), seines Zeichens Amtstierarzt, war die Reise schon ziemlich fest geplant. Bis auf die Tatsache, dass ich vorsichtig fragte, ob da eventuell noch ein Platz für mich vorhanden wäre. War es dann auch – nach häuslicher Genehmigung, denn meine Frau musste zu Hause auf die Kinder aufpassen. Zwei Tierärzte, dazu ein Zahnarzt – da kann ja nichts passieren.

Die Familien beim Abschied

 

 

 

Der Flug ging nach Nairobi, wenn auch  mit eintägiger Verspätung. Kenia Airlines teilte lapidar mit, aus technischen Gründen nicht fliegen zu können und quartierte uns in einem drittklassigen Hotel ein; vielleicht hatten sie zu wenig Passagiere für den Flug. In Nairobi wurden wir von Mary abgeholt, einer weißen Kenianerin, die zusammen mit ihrem Mann Simon Evans eine kleine Kamelzucht hoch oben in den Bergen betrieb; er ist Berufsjäger, ein netter Kerl und führt auch Jagdgesellschaften durch die wildreiche Gegend. Und sie vermieten halt ihre Kamele plus einheimischer Guides an Verrückte wie uns, die die Gegend und die Tierwelt unbedingt intensiv erwandern möchten. Dabei hatten die beiden es damals nicht leicht mit ihrem Business, unter der korrupten kenianischen Regierung gab es sehr restriktive Vorschriften. Strom hatten sie z.B. nicht, durften aber auch keine Solaranlagen installieren und mussten jährlich ihre Arbeitserlaubnis verlängern, was mit erheblichen Bakschisch-Zahlungen verbunden war.

Untergebracht waren wir zunächst in originellen Hütten, um uns erst einmal zwei Tage einzugewöhnen, jeden Tag etwas zu marschieren und die Kamele kennenzulernen. Dazu wurden wir köstlich einheimisch bekocht. Und um unsere schwarzen Führer näher kennenzulernen, von denen einer ein paar Brocken Englisch konnte. Genug, um zu fragen, wie viele Tage man mit dem Kamel zu uns nach Hause brauchen würde. War gar nicht so einfach, ihnen zu erklären, dass die Erde eine Kugel sei und wo wir da eigentlich leben.

 

Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: die Kamele waren ausschließlich zum Transport unserer Klamotten, der Zelte (die wir nie gebraucht hatten), der Feldbetten und der Verpflegung incl. Bier für den Abendtrunk vorgesehen, wenngleich man sich auch schon mal zum Spaß für ein Foto auf ein Kamel setzte. Der Ewaso entspringt hoch oben in den Bergen aus einem Gletscher, wir folgten ihm mühsam über viele steile Strecken, zum Teil mäanderte er ganz ordentlich, bot aber dadurch auch die Möglichkeit, die Strecke manchmal etwas abzukürzen.

Nach einigen Tagen wurde die Gegend flacher, der Fluss breiter, die Lauferei weniger mühsam und die Vegetation dichter. Und natürlich nahmen die Tiere gewaltig zu, insbesondere die Vogelwelt. Zunehmend trafen wir auf eingeborene Samburus, Hirten in ihrer traditionellen roten Kleidung, die neugierig schauten und keinerlei Berührungsängste mit uns hatten.

          

Eine Sandviper

          

Geschlafen haben wir auf Feldbetten im Freien, wobei wir am abendlichen Lagerfeuer unseren Biervorrat allmählich reduzierten und darüber sinnierten, wo wir uns hier eigentlich befänden. Das vergaß man immer wieder, ähnlich wie bei meinen Reisen in der unendlichen Weite der Sahara. Diese Abende waren ohnehin das Beste: Die Sonne ging langsam unter, das Farbenspiel änderte sich, die Vogelwelt verstummte, die Kamele weiden in der Nähe, unsere tiefgründigen Abendgespräche gehen dem Ende zu, die von zu Hause mitgebrachte Zigarre ist aufgeraucht, man sieht das Lagerfeuer weniger werden. Das musste allerdings die ganze Nacht wegen der Raubtiere brennen. Und man denkt an die Familie, die ein paar Tausend Kilometer weit weg ist. Anrufen oder gar Fotos schicken ging nicht; bei einem Problem hätte einer unserer Führer Hilfe zu Fuß holen müssen. Denn es gab keine Straßen für Autos.

                    

Gefährlich war die Tour wohl nicht, obwohl wir nachts oft Tiere schreien hörten. Und angefressene Tierkadaver fanden, darunter ein halbes Zebra. Unsere Gastgeber hatten uns eindringlich vor Kaffernbüffeln gewarnt, die trotz ihrer Masse unglaublich schnell angreifen würden.

Riesige Krokodile gab es auch, aber ungefährlich, wenn man sich vom Ufer der tieferen Gewässer fernhielt. Und natürlich Giftschlangen, und reichlich Spuren von Löwen. Es ist fraglich, ob der Speer und die Machete, die unsere Guides immer dabeihatten, bei einem Angriff eines Tieres wirklich geholfen hätten, oder mehr als Statussymbol und Gehstock diente.

Löwenspuren

Zur Verpflegung hatten wir uns vorab in der urigen Markthalle in Nairobi und assistiert von Mary mit reichlich Obst und Gemüse sowie mit Konserven eingedeckt, dazu ein größerer Vorrat an Bier; die Zigarren hatten wir aus Deutschland mitgebracht. Die Kühlung des Biers erfolgte tagsüber mit nassen Lappen, nach dem Prinzip der tönernen Krüge. Dazu gab es morgens etwas Müsli, Eier und Obst; verhungern musste man mitnichten.

   

Einmal kauften unsere Führer einem Hirten eine Ziege ab, die geschlachtet werden sollte. Getötet wurde sie durch Ersticken, indem die Männer ihr Maul und Nase zuhielten; als das Zappeln aufhörte, schnitten sie ihr die Halsschlagader auf und tranken das warme Blut. Trotz Ermunterung haben wir das dann doch nicht übers Herz gebracht. Vielleicht funktionieren die gesundheitlichen Effekte ja auch nur bei Einheimischen.

Die arme Ziege
Eine Rotte Warzenschweine

Der Ewaso verabschiedete sich so langsam, das Flussbett wurde trockener; an Wasser kamen die Kamele nur noch durch unser tiefes Graben im Flußbett. Und das machte Karl-Heinz ihnen gerne nach. Und langsam ging auch die Reise ihrem Ende zu, wir schwenkten um in einen bereits trockenen Nebenarm. Hier kam der vereinbarte Treffpunkt näher, denn auch unser Proviant ging zur Neige.

Mein Lieblinskamel

                    

Zum Spaß ritten wir noch ein wenig auf unseren Kamelen, die uns sehr vertraut geworden waren; zu schade, dass man sie nicht als Souvenir mit nach Hause nehmen konnte. Unsere „Vermieter” standen dann mit ihrem Jeep am vereinbarten Treffpunkt und brachten uns wieder an den Anfangspunkt, die Guides gingen mit den Kamelen zu Fuß zurück. Die Nacht vor dem Rückflug verbrachten wir dann wieder in der Zivilisation, mit dem dringenden Rat, sich nur ja nicht weit vom beleuchteten Stadthotel zu entfernen. Denn die Menschen in der Dämmerung wären manchmal gefährlicher als die Tiere draußen in der dunklen Wildnis.      

Ende der Wanderung – wir werden abgeholt

Zurückblickend war das eine höchst intensive Reise, mit sehr engem Kontakt zur Natur, zur vielfältigen Tierwelt und der Vegetation; vor allem bleiben die Abende unter dem außerordentlich sternklaren Himmel sehr gut in Erinnerung. War schon etwas sehr besonderes.

Aus politischen Gründen kann die Reise in dieser Form leider derzeit nicht wiederholt werden. Auch scheint die Kamelfarm nicht mehr zu existieren.

Reisezeit Februar/März 1988, in gut zwei Wochen ca. 250 km gewandert.

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