Reisen

Mit Alfons, unserem 33jährigen Alfa Romeo 2600 in die Toscana

DON ALFONSO IN ITALIA

von Marita und Michael Cramer

Etwas mutig fanden wir uns schon, mit „Alfons”, wie unser 33jähriger Alfa Romeo 2600 Touring Spider trivial heißt, die Reise in die Toscana anzutreten. Frisch erworben, war er ein noch unbekanntes Wesen mit neuem Lack und alter, weitgehend unrestaurierter Technik, aber einmaligem Flair, unseren Vorstellungen nach genau die richtige, macchina d’epocca” (im Italienischen sind alle Autos Damen).
Nun, wir haben es gewagt und sie bzw. ihn auch – fast – heil zurückgebracht. Ein altes Auto will benutzt werden: no risc, no fun…

Gemietet von zu Hause aus war ein kleines, schlichtes Bauernhaus im Zentrum der Toskana für zwei Wochen, vor- und hinterher war jeweils eine Woche „Herumtrödeln“ angesagt.  Alfons und uns – wir sind alle drei nicht mehr die jüngsten – haben wir den Kräfte und Kugellager schonenden Autoreisezug bis Verona spendiert; der Ausstieg aus dem klimatisierten Abteil in das sommerlich heiße Verona war schon saunamäßig. Aber ein italienisches Auto muß das eigentlich locker abkönnen, zumal Alfons durch ein neues feinmaschiges Kühlernetz transpirieren durfte. Trotz der Festspiele fand sich ein nettes Hotel mit Garage im Zentrum (Hotel Milano), was die Erlaubnis nach sich zog, vergnüg- und genüsslich durch die Fußgängerzone als einzige Zufahrt gleiten zu dürfen, gelegentlich angehalten und beglückwünscht von autofanatischen Italienern. Überhaupt: angesichts eines Klassikers scheint fast jeder Hotelbesitzer bereitwillig seine eigene Garage zu räumen bereit zu sein.

Alte Autos findet man auf italienischen Straßen äußerst selten, von den obligaten Cinquecento einmal abgesehen. Die Autofahrer sind auch nicht ganz so aggressiv wie üblich, halten mehr Abstand, überholen weniger knapp; man wird sogar oft zustimmend angehupt. Das Warten allerdings vor einer roten Ampel, aus Beschattungsründen nicht ganz zum Vordermann aufgeschlossen, wird – an der eingehenden Betätigung des Signalhorns erkenntlich – eher ungern gesehen.

Verona, zur Opernsaison vor allem am Wochenende voll von Touristen, eine lebendige, zauberhafte Stadt mit unvergleichlicher Stimmung, ist immer wieder eine Reise wert. Der obligate Opernbesuch sollte tunlichst an einem Wochentag erfolgen; es ist weitaus reizvoller, inmitten von „bravi, bravi“ rufenden italienischen Fans, bepackt mit vino und „pasta a la casalinga“, auf den harten, ohnehin viel preiswerteren Arenastufen zu sitzen (Kissen mitbringen, mieten ist teuer!) als am Wochenende zwischen Busladungen schwitzender teutonischer Fremdlinge, die in ihrer kulturellen Ernsthaftigkeit das südländische Ambiente unterdrücken. Das Schönste an Veronas Oper, einer „Mischung aus musikalischem Bühnenmonstrum und Reichsparteitag zur Musik des armen Verdi“, sind ohnehin die langen Pausen zwischen den Akten. Man flaniert in lauer Luft vor der illuminierten Arena auf der Piazza Bra, dem schönsten Opernfoyer der Welt, ißt abschließend noch eine Kleinigkeit; die letzen Gläser werden meist erst gegen 3.oo Uhr morgens abgeräumt.

Nach einem abendlichen unerklärlichen Reifenplatten (wir hatten prompt den Wagenheber und 22-er Radschlüssel vergessen), der leider die gemeinsame Fahrt mit unseren italienischen Freunden in eine außerhalb liegende Osteria mit dem „decapotabile“ zunichte machte, ging es über die lärmende Autostrada gen Süden; die Berge um Arezzo in der Provinz Umbrien waren angepeilt. Ideales Quartier fanden wir dann für eine knappe Woche in Cortona, einem reizvollen mittelalterlichen Städtchen, hoch oben auf einem Berg gelegen, bewacht von einer mächtigen Festung. Das kleine Hotel San Michele liegt 20 m vom Marktplatz weg, an einer sehr steilen Gasse, eine Herausforderung für Fahrkünste und Handbremse. Cortona, fast verwunschen mit seinen engen Gassen, kleinen Kirchen und schattigen Plätzen, ist ein Geheimtipp; für Italienfans, die eintauchen wollen in die Stimmung einer kulturbeladenen, fast familiären, wenig touristischen Kleinstadt, und als Ausgangspunkt für Tagesreisen in die Umgebung.

Klangvolle Namen wie Spoleto und Montepulciano (Festivals), Assisi, Gubbio, Perugia, Pienza, Spello oder Arezzo locken den kunstbeflissenen Reisenden weg von seinem schattigen Stammplatz auf der stimmungsvollen Piazza Signorelli; der nahegelegene Lago Trasimeno lädt zum Bade, der berühmte rote Brunello in Montalcino zum Verkosten und zum Eigenimport. Der Erwerb von Opernkarten in Montepulciano wurde zunächst durch einen erneuten herben Luftverlust gehemmt; Alfons geht ja schließlich vor ! Nach längerem Probieren beim Gommista stellten sich die zu Hause frisch montierten, offensichtlich aber weit überlagerten Schläuche als feinporös heraus: im Wasserbecken dicht, prusteten sie nach Montage aus allen Ecken. Sicherheitshalber haben wir dann alle restlichen Schläuche ersetzen lassen, wenn auch die Größen nur ungefähr stimmten. Diese Aktion verschaffte nicht nur Beruhigung, sondern vermehrte überdies den italienischen automobilen Wortschatz. Der Opernabend dann war zauberhaft, ein selten aufgeführtes Werk von Paisiello, in einem winzigen Theater von jungen Sängern und Bühnenleuten als Abschluss eines internationalen Workshops engagiert dargeboten. Es müssen nicht immer die großen Namen sein !

Problem der Tagestouren in Italien ist die mehrstündige Mittagszeit; alles verfällt in Schlaf, Läden, Museen und Kirchen sind zu, die heißen Straßen leer. Man würde so gerne ein Mittagsschläfchen, das „pisolino“ halten, statt dessen fahndet man verzweifelt nach einer klimatisierten Bar und versucht die Zeit mit Sprudelwasser und dem Reiseführer totzuschlagen. Vielleicht nimmt man besser eine Luftmatratze mit und legt sich außerhalb in den schattigen Wald. Sicherlich ungefährlich, auch die Straßenräuber legen um diese Zeit eine Pause ein.

Eigentlich schweren Herzens und nach ausgiebigem Abschied („ci rivediamo sicuramente“) in unserer „Stammkneipe“, einer Weinhandlung mit Probier- und Imbissecke, einer rustikalen Wirtin und einer Sammlung von über einhundert (gefüllten!) Wein- und Schnapsflaschen um die Jahrhundertwende, ging´s dann verso Toskana, wegen der brütenden Mittagshitze ausnahmsweise mit geschlossenem Dach; froh ist man dann über die Ausstellfenster des 2600er. Im einzigen Lokal von Sasso Pisano, einem heimeligen 400-Seelen-Dorf südwestlich von Siena, sollten die Schlüssel für unser zukünftiges Refugium abgeholt werde. Renato, ein exzellenter Pizzabäcker und temperamentvoller Gesprächspartner, schimpfte sogleich auf den schlechten Zustand des Anwesens und die knauserige deutsche Besitzerin, die die Handwerker nicht zahlte. Wie recht er hatte!

Unser Häuschen – wir kannten es nur von Fotos – entpuppte sich nach steilem, steinigem Weg als eine etwas baufällige alte Kate, einsam am Waldesrand auf einer Lichtung gelegen, in einem vergammelten Weinberg, umgeben von Brombeeren, mit Schimmelflecken, verlotterten Ikea-Gartenmöbeln und allerlei Gerümpel auf der Terrasse, aber mit dicken, kühlespendenden Wänden, einem großen Steintisch in der Hausmitte, gemauertem Spülbecken und viel toskanischer Stimmung. Es ging uns eigentlich sehr gut hier.

Alfons klagte bei den Exkursionen zunehmend über Kühlwasserdurst und gab überdies unwillig hässliche Geräusche an der hinteren Achsenaufhängung von sich; so lernten wir Sig. Pranzani, den Automechaniker des Dorfes kennen. Leider haben sich die bei einem Kölner Alfateile-Händler erworbenen Silentblöcke und Gummikegel für Hinterachse und den Dreiecklenker als Schaumgummi herausgestellt. Pranzani half liebevoll, die Achse brauchbar zu befestigen und besorgte einen neuen längeren Kühlerverschluß, da sich der vorhandene als zu kurz erwies; dieser brachte allerdings den Motor erst recht in Hitzewallung. Ursache war nicht der extrem heiße Sommer, sondern, wie sich zu Hause herausstellte, die langsam defekt werdende Zylinderkopfdichtung. So fuhren wir denn wieder mit dem alten Verschluss und ein paar gefüllten Wasserflaschen im Kofferraum durch die zauberhafte Landschaft. Das Tanken erwies sich zumeist als sehr zeitraubend, weniger wegen des eigentlichen Befüllens, sondern wegen der unvermeidlichen Fachdiskussion mit dem Tankwart und anderen Autofahrern. Kofferraum auf, tanken, Kofferraum zu, Haube auf, Haube zu, Schwärmen von der guten alten Zeit, immer wieder.

Es ist viel los in der Toscana im August. Jedes Dorf feiert, seien es die Kommunisten, der Kirchenpatron per Prozession, Blaskapelle und Heiligenfigur, der örtliche Fußballclub oder der Historienverein mit einem mittelalterlichen Umzug und Volksbelustigung. Und natürlich endet jedes Fest mit großem Gelage im Freien und kühlen, erfrischenden Getränken, eine Gefahr für die Leber und das zulässige Gesamtgewicht. Viele nette Leute lernt man da kennen.

Nach einer dringend erforderlichen Ruhezeit in unserem kühlen Gemäuer packte uns wieder der Umtrieb: „Es gibt viel zu sehen, fahren wir los “. Highlights der Gegend sind neben Siena die mittelalterlichen Städtchen Volterra und Massa Marittima, letzteres mit einem der für uns schönsten Plätze Italiens, sowie die Abbazia St. Galgano, einer in den Mauern gut erhaltenen, verlassenen Zisterzienserabtei aus dem 12. Jahrhundert. Das vielgelobte Pitigilano, historisch und baulich sehr interessant, ist hingegen ein reines Museumsdorf, voller Andenkenläden, steril herausgeputzt ausschließlich für die Heerscharen der Touristen. Überhaupt, es „festivalt“ nur so allerorten mit Musik, Theater und Ausstellungen. Infos gibt es in Siena, von wo die größeren Konzerte organisiert werden, wie auch in den jeweiligen Kommunen oder auf den unzähligen Plakaten allerorten. Massa erfreute mit einer Donizetti-Oper auf dem Kirchenvorplatz, rührend von einer nicht unbedingt Scala-verdächtigen reisenden Sängertruppe dargeboten. In den langen Umbaupausen konnte man essen oder einkaufen gehen, ein längerer Stromausfall und die Fortsetzung mit Notbeleuchtung störte niemanden. Anderweitig lockte ein Flötist mit klassischer Musik und einem „virtuellen Kammerorchester“, welches sich als grausliche Musik aus dem PC entpuppte, zu welchen der Meister die Flöte bemühte. Entschädigung schaffte dann ein Konzert in St. Galgano: vorne auf dem Podium ein traumhaftes Kammerorchester mit Bach und Vivaldi, ringsherum das angestrahlte alte Gemäuer, darüber durch das nicht vorhandene Dach die Sterne im nachtblauen Himmel. Italia, il mio amore !

Auf dem dunklen, nachdenklichen Rückweg holte uns die automobile Technik wieder in die Realität zurück: der fußbediente Lichtschalter flog auseinander, glücklicherweise in der Stellung „abgeblendet“. Die in den Jahren durch unzählige Fußtritte durchgescheuerte Niete der Aluhülse wurde alsbald in besagter Werkstatt plangeschliffen, ein Kanal in die Schalterstange gebohrt, dieser als Gewinde erweitert und dann die Hülse mit Feder per Schraube und Gewindekleber wieder befestigt. Hält prima, bis heute. Industrie-Interessierte sollte es nach Larderello ziehen, einem geothermischen, umweltfreundlichen Kraftwerk. Die Gegend ist hässlich mit großen Dampfrohren durchzogen, zahlreiche Kühltürme zieren die Landschaft. Das Kraftwerk und ein sehr interessantes historisches Museum über den Abbau von Borax und die Nutzung der Dampfkraft können besichtigt werden.

Höhepunkt aber ist immer wieder das Reisen auf kleinen, von Zypressenreihen gesäumten Straßen, am Spätnachmittag, wenn die Tageshitze nachlässt und die Farben wärmer werden. Offen fahren – man riecht die zum Greifen nahe Landschaft, könnte Menschen und Natur anfassen. Nicht vergessen darf man die Schirmmütze, welche die glücklicherweise nicht vorhandenen Sonnenblenden ersetzen muss. Die Weingüter und Bauern laden gern zu Besichtigung und Probeschluck ein, jedes Örtchen, vor allem abseits der Hauptstraßen, hat seine eigene Stimmung, lauschigen Plätze, originelle Gaststuben und verträumte Kirchen, auch ohne zierenden Stern im Baedeker.

Abschluss der Reise bildete eine Tour in den Süden der Toskana. Pitigiano ist ein auf einem mächtigen Tuffstein erbautes mittelalterliches Städtchen, pittoresk, mit einem überragenden Herzogspalast, und einem die Sprache verschlagend, wenn man, von Westen kommend, des Ortes nach einer Kurve plötzlich ansichtig wird. Das einzige Hotel am Ort hatte gerade noch ein Zimmer frei, parken konnte man in einer der zahlreichen Höhlen, welche die Bewohner über Jahrhunderte in den weichen Stein gebuddelt haben, früher für Vorräte und als Weinkeller, heute auch für ihre Autos.

Historisch bedeutsam ist gleichermaßen die Umgebung. Das Gebiet ist uraltes Etruskerland, mit zahlreichen steinernen Zeitzeugen in Form von Gräbern, Gebäudetrümmern, Höhlen und tief eingeschnittenen, kühlen Ziehwegen. Daneben sollte man den Besuch von Sovana nicht versäumen; das verschlafene Städtchen birgt ein Kleinod, eine kleine romanische Basilika aus dem 9. Jahrhundert, unsere Lieblingskirche dieser Reise. Im Nachbarort Sorano, romantisch an tiefen Schluchten vorbei erreichbar, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, von den zahlreichen Fernsehantennen abgesehen, die in Reih und Glied auf der hohen Stadtmauer stehen. Häuser und Sträßchen schmiegen sich idyllisch an den Fels, manche Ecken sind wegen Baufälligkeit gesperrt. Und wer die Zeit hat und es noch nicht kennt, sollte keinesfalls den Abstecher nach Orvieto versäumen.

Zurück ging es dann über den 1800 Meter hohen Monte Amiata, mit dichtem Bewuchs von Kastanien und Eichen. Herrliche dunkle kleine Straßen durch ein riesiges Waldgebiet, mit Gipfelmadonna, Andenkenbuden und Fahrt mit der im Winter als Schilift genutzten Seilbahn. Erstaunlich die zahlreichen italienischen Familien, die – trotz vorhandener ruhiger Fleckchen – unmittelbar neben ihrem Auto an der lauten Straße picknicken. Das eingangs erwähnte Montalcino beherbergt ein altes Castell, in dem die gemeinsame Enotheca der dortigen Weingüter untergebracht ist, ein Mekka der Freunde guten italienischen Rotweins. Hier haben wir dann in Sachen Brunello ein wenig zugeschlagen, im Probieren wie Kaufen. Folge war, dass Alfons Mühe hatte, die Last der 60 Flaschen, etwa um die Hälfte billiger als in Deutschland, ohne ständige Aufsetzer seiner schlaffen, alten Federn nach Hause zu bringen.

Die letzten Tage des Urlaubs verbrachten wir dann in unserer Hütte und nahmen am Dorfleben teil, müde des Herumfahrens, zumal wir in Ermangelung eines Nachmieters noch ein paar Tage wohnen bleiben konnten. Per Reisezug ging es dann von Livorno nach Hause, Das Auto und wir freuten uns auf das eigene Bett bzw. die Garage.

Alfons hat die Reise gut überstanden. Inzwischen ist seine Hinterachse zum zweiten Male neu befestigt, alle Federn und Stoßdämpfer sind hinsichtlich zukünftiger Weintransporte ausgetauscht, die Zylinderkopfdichtung wurde erneuert. Auf diese Weise können wir jetzt auch endlich den in Italien erstandenen Kühlerverschluss nützen.

fazit der Reise: Fast 3000 km auf eigener Achse, keine wesentlichen Blessuren oder Probleme. Verbrauch: knapp 13 Liter / 100km, vier Schläuche, ca. 100 l Kühlwasser, viel Schweiß. Tollen Spaß gehabt, viel Kultur genossen, gut erholt, nette Leute kennengelernt, Alfons endgültig ins Herz geschlossen.

Gesamturteil: Sehr empfehlenswert.

Dieser Artikel erschien ebenfalls in „Alfisti !“ Zeitung des Clubs klassischer Alfa- Romeo-Fahrzeuge und im Magazin des Isetta-Clubs

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