Musik

Don Carlo in Bonn – mit Licht und Schatten

       Verdi in der Oper Bonn – musikalisch hervorragend, szenisch eher altbacken

Die Oper Bonn hat eine sehr gute Verdi – Tradition, nicht zuletzt durch den genialen Dirigenten Will Humbug, der mit seinen großflächigen Dirigaten und meistens durchgeschwitzt dem Publikum orkanartige Beifallsstürme entlockte. Da war es eher zweitrangig, was szenisch auf der Bühne passierte, wenn sich die Sänger und das Orchester auf sehr hohem Niveau bewegten. Von einer ähnlichen Situation kann aus der Premiere von „Don Carlo“ des Musikzauberers Giuseppe Verdi berichtet werden; daher soll hier vornehmlich über den musikalischen Teil berichtet werden.

Am Pult stand mit Hermes Helfricht der junge Erste Konzertmeister; 1992 nahe Dresden geboren begann er schon als Schüler mit seiner musikalischen Ausbildung, sang lange im Kreuzchor, studierte Orchesterdirigieren und war schon während des Studiums ein gefragter Pianist und Gastdirigent. Über Erfurt und St. Gallen mit anspruchsvollen Produktionen ging es in der letzten Spielzeit nach Bonn, wo er zahlreiche Dirigate übernahm. Und jetzt den „Don Carlo“, die große und musikalisch herrliche Verdi-Oper. In Bonn spielte man die lange fünfaktige italienische Fassung; Verdi hatte sein knapp 4-stündiges Werk häufig überarbeitet und auch den ersten Akt mit der ersten Begegnung zwischen Carlo und Elisabetta einfach mal gestrichen. In Bonn zog sich das natürlich, vor allem mit Masken auch am Platz; diese Anweisung wurde offensichtlich konsequent befolgt. Lustig: Eisern hält sich die Mär, dass Verdi eine Fassung für die Wiener Staatsoper liefern sollte; die Kürzung hätte er für die Hausmeister vorgenommen, die zeitig nach Hause wollten.

 

Das Bonner Beethovenorchester war am Premierenabend blendend in Form und hochaufmerksam, offensichtlich ganz besonders gut einstudiert. Das hatte man in der Vergangenheit schon ganz anders gehört. Sehr gute Abstimmung mit der Bühne, saubere Bläser, satter Streicherklang, und eine große Anzahl unterschiedlicher Farben machten Freude zu hören; es klang fast wie ein italienisches Opern-Orchester mit typischem Brio. Geht doch, vor allem bei einem jungen Dirigenten. Auch der Chor und der Extrachor, einstudiert von Marco Medved, machten eine sehr gute Figur: stimmstark, klangvoll und außerordentlich sauber. Über die teilweise alberne und altbackene Choreografie, die der Chor absolvieren musste, sollte besser kein Wort verloren werden. Überhaupt roch es in der Inszenierung leicht nach den 50ern.

 

Hoch gelobt werden müssen auch die Sänger und Sängerinnen (oder lieber Sänger*innen?), viele davon aus dem eigenen Ensemble. Allen voran Tobias Schnabel als Phillip II., voll überzeugend sowohl stimmlich wie auch in seinem Spiel und sehr selbstbewusst ob seiner Macht. Karl-Heinz Lehner ist der Großinquisitor, mit riesigem gepflegtem Bass und sehr präsentem Auftreten.  Den Don Carlo sang Leonardo Caimi, mit viel schöner Höhe und Volumen. Leider vergeigte er seine große Auftrittsarie, steigerte sich aber dann ganz erheblich. Rodrigo ist Giorgos Kanaris, einer der Publikums-Lieblinge der Bonner Oper; den engagierten  Freiheitskämpfer nahm man ihm  ohne zu zögern ab, sowohl im Spiel wie auch gesanglich.

Die beiden weiblichen Hauptrollen erfreuten auf der ganzen Linie: Anna Principeva ist die unglückliche Elisabetta, ihr Leid drückt sie mit ihrem leuchtenden Sopran zu Herzen gehend aus. Und die intrigante Prinzessin Eboli, perfekt gesungen von Dshamilja Kaiser, begeistert mit ihrer großen Arie „O Don fatal“. Die kleineren Rollen wurden von Lada  Bocková (Tebaldo), Magnus Pointek (ein Mönch), Sarah Vautour (Stimme aus der Höhe), Helena Baur (Fürstin von Bremberg) und Katleho Mokhohaban (Graf von Lerma und Herold, nicht gleichzeitig) sehr achtbar, klangschön und rollengerecht gesungen.

Ja, und da gab es noch die Bühne und die Regie: Wie oben schon aufgeführt, war das im Wesentlichen ein Rampensingen im Halbdunkel, mit nur wenigen überzeugenden szenischen Aktivitäten. Daher eher etwas zum Zuhören als zum aufmerksamen Verfolgen. Regisseur Mark Daniel Hirsch und seinem Ausstatter Helmut Stürmer ist leider nicht viel eingefallen, um die Geschichte um Macht, Liebe und Verderben schlüssig und vor allem spannend darzustellen; das aber sollte hier nicht weiter vertieft werden. Denn selbst die Verbrennungsszene bestand nur aus flackerndem rotem Licht.

Dem gut gefüllten Hause hat es dennoch gut gefallen, die Premierenbesucher dankten mit langem buhfreiem Applaus.

Oper in fünf Akten
Libretto von Joseph Méry und Camille du Locle
nach Friedrich Schillers Tragödie
Italienische Fassung von Achille de Lauzières

Rezension von Michael Cramer

Fotos von ©Thilo Beu

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