Musik

Ein Vietnamese mit spanischer Gitarrenmusik in Bergisch Gladbach

 

 

Text und Fotos:  Michael Cramer

Leicht gekürzter Artikel aus der Bergischen Landeszeitung-Kölner Stadtanzeiger vom 28.9. 2019

Wie kommt es, dass ein sehr gut Deutsch sprechender Vietnamese klassische spanische Gitarrenmusik in einer Kirche in Bergisch Gladbach spielt? Ganz einfach, er möchte die Kinder in seiner Heimat unterstützen. In einem kleinen Interview vor dem Konzert erzählte Tri Toan Nguyen von seiner Kindheit in Hanoi; später sei er nach Ho-Chi-Min-Stadt und 1988 nach Leuna gezogen. Grund waren die engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit der damaligen DDR. Nach der Wende wollte er in den Westen, über Berlin ging es nach Bayern und dann zum vorläufigen Endpunkt Leverkusen, wo er heute in verantwortlicher Position bei Bayer beschäftigt ist.

Die spanische Gitarrenmusik ist in  Vietnam sehr populär und beliebt, es gibt zahlreiche Lehrer, Konzerte und Wettbewerbe, ähnlich wie deutsche Klassik in Japan (wie Beethovens 9. Sinfonie) und China. So hat auch er früh auf dem Instrument spielen gelernt, Preise gewonnen und die Musik bis heute ernsthaft weiterbetrieben. Allerdings nur als Hobby; lediglich vor Konzerten übe er täglich zwei Stunden. Durch kleine Aufführungen in Deutschland, überwiegend im Kirchenumfeld wie jetzt auch, sammelt er Spenden, die er nach Vietnam schickt, um dortige Kinder in der Ausbildung zu unterstützen, auch vermittelt er gerne Patenschaften. Ganz großes Kompliment für dieses Engagement. Im einstündigen Konzert in der anheimelnden Kirche „Zum Heilsbrunnen“ in Hebborn kamen mit Franzisco Tárrega, Enrique Granadas und Isaac Albeniz, alle gelebt zwischen 1852 und 1916, einige Schwergewichte der Spanischen Gitarrenmusik perfekt zu Gehör – und zwar in erstaunlicher Profi-Qualität. Gespielt auf einem wunderbar klangvollen Instrument; für viele der Zuhörer vielleicht die erste Life-Begegnung mit dieser Musik.

Angefangen hat es mit Stücken von Tárregga: „Estudio Brillante“, „Marietta“ (Lieblingsstück des Komponisten), „Adelita“, „Pavana“ und „Recuerdos de la Alhambra“; musikalisch zwar einfach gestrickt, aber mit sehr viel Spanischem Flair. Darunter auch die „Danza Espagnola Andaluzza“ von Granados, im ruhigen 3/4tel-Takt und fast zum Mitschwingen. Bei der „Danza Espagnola Oriental“ kam Mai Thu, die erwachsene hübsche Tochter des Solisten, mit ins Spiel. Wegen der unterschiedlichen Klangfarben zweier Gitarren wurden flugs die Instrumente gewechselt. Die Gitarre lebt vom Wechsel der Musik mit zarten schnellen Läufen und regelrechten Klang-Attacken, gefolgt von ruhigen und beschaulichen Phasen. Viele Stellen dürften den aufmerksamen Zuhörer zum totalen Versenken und Loslassen  animiert  haben, und vielleicht mit aufkommenden Erinnerungen an den letzten Spanien-Urlaub. Denn die Konzertgitarre kann weitaus mehr als nur begleiten, sie ist ein vollwertiges Solo-Instrument, für welches es jede Menge Literatur gibt.

So ist die Granada-Serenade von Albéniz das Lieblingsstück des  Künstlers, wunderbar gesanghafte Musik, ebenfalls „Cadiz“, während „Asturias“ gut nachvollziehbar Sturm, Blitz und Donner darstellt – das klappt auch auf der Gitarre. Minh, der fünfzehnjährige Sohn von Nguyen, demonstrierte zum Schluss des Konzertes seine Klavierkünste mit einer Transkription des Barockkomponisten Boccerini zusammen mit dem sympathischen Herrn Papa. Technisch weit ausgereift langte er allerdings recht kräftig hin, obwohl das Stück für Cembalo eingerichtet ist. So ist halt die Jugend, auch in Vietnam. Das Konzert ist sicherlich Anlass, sich etwas mehr mit der spanischen Gitarrenmusik  zu befassen; im Netz ist ja alles unbegrenzt verfügbar. Das leider nur magere Auditorium dankte mit viel Applaus, der Junior griff noch einmal mit einem verträumten Solo-Stück von Debussy in die Tasten.

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