Musik

Großes Kino – Leoš Janáček “Die Sache Makropulos” in Bonn

    Schwieriges Werk, schwierige Handlung, leider nur wenige Opernbesucher

 

Von Michael Cramer

Es ist schon mühsam mit selten gespielten Opern, die nicht auf Wohlklang, Wiedererkennung und „Mitsingmöglichkeit“ ausgelegt sind, eine zufriedenstellende Auslastung der Vorstellungen zu erzielen. Das Problem betrifft auch die Oper Bonn mit „Die Sache Makropulos“ des Tschechen Leoš Janáček. Der sehr der Volksmusik zugetane tschechische Komponist hatte mit seinen Opern „Káťa Kabanová“, „Das schlaue Füchslein“ und „Aus einem Totenhaus“ wegen der Sprachmelodie des Tschechischen etliche Probleme; zuvor war ihm mit „Jenůfa“ der Durchbruch gelungen. „Makropulos“ hingegen ist ein schwieriges Werk, mit hoher musikalischer Qualität, aber im Standardrepertoire der Opernhäuser nicht enthalten. Umso löblicher, dass die Oper Bonn sich dieses Werks annimmt, dies in Kooperation mit der English National Opera in London.

Leider allerdings nur mit mäßigem Publikumserfolg, wenngleich die Presse die Aufführung einhellig hoch lobte. Die vom Rezensenten besuchte vierte Aufführung am 4. Mai war allenfalls zu 20 % besetzt, allerdings lief am selben Abend das Feuerwerk-Spektakel „Rhein in Flammen“, jedoch zeitversetzt. Der Kollege Christoph Zimmermann schrieb von der zweiten Aufführung „nur halb besetzt“, und der Blick ins Internet zeigt auch bei Folgeaufführungen erschreckende Ebbe in den Reihen.

Es ist müßig, alle Details der Produktion und der komplizierten Handlung zu referieren, daher hier Wesentliches in Kürze. Im Zentrum der Oper steht Emilia Marty, eine berühmte Sängerin, die sich nach Unsterblichkeit sehnt. Sie kennt eine Rezeptur (die Sache Makropulos), welche das Altern um 300 Jahre aufhalten kann, muss sich dafür aber von menschlichen Beziehungen fernhalten. Einem Geliebten hatte sie die Rezeptur vertraten; er war daran gestorben. So wird Emilia zur Kunstfigur “ewig jung, ewig schön“, für sie aber ein unerträglicher Zustand. Ein Zusammenbruch nimmt ihr die Angst vor dem Tod. Ein Krimi mit einem besonderen und menschlich anrührenden Finale, welches sehr stark gestaltet wird. Das Stück lebt von der Spannung der Handlung, die musikalisch übersetzt wird; die Musik ist nicht auf Wohlklang ausgelegt und beinhaltet nur wenig thematische Wiedererkennung.

Das ausgezeichnete Bonner Ensemble muss hochgelobt werden, welches diese Dialog-Oper ohne längere Soli oder gar Arien sauber und stimmlich gut in einer schwierigen musikalischen und Libretto-Sprache meistert. Leider musste der Dirigent Hermes Helfrich kurz nach Beginn über einen medizinischen Zwischenfall im Orchestergraben informieren, ein Musiker war ausgefallen, die Zuschauer wurden solange ins Foyer gebeten. Freundlicherweise spendierte die Oper einen „Drink aufs Haus“, aber „bitte keinen Champagner“, wie ein Mitarbeiter vor dem Vorhang kundtat und damit eine kleine Heiterkeit auslöste. Nach 45 Minuten ging es noch einmal von vorne los; nur die vielen Aktenblätter, die anfangs von der Decke gesegelt waren, hatte man schlicht liegen gelassen. Der Zwischenfall hatte den Dirigenten, die Musik und auch die Sänger in keiner Weise aus dem Konzept gebracht, man hörte eine ausgezeichnete sängerische Leistung, ein engagiert und sauber spielendes Orchester; großes Kompliment !

Neben gut gezeichnete Charkteren (Regie Christopher Alden) und stimmigen Kostümen (Sue Willmington) war vor allem sängerisch durchweg Großes zu vernehmen. Überragend in der Titelrolle Yannik-Muriel Noah mit intensivem, lyrischem Sopran, daneben der kräftige, spielstarke Bass von Ivan Krutikov, erstaunlich der Tenor von Christian Georg als Vitek, und zum Schmunzeln in bester Buffo-Manier Johann Mertens mit einem reichlich späten Hormon-Schub. Das übrige Ensemble schlug sich sehr achtbar durch das schwierige Stück, ebenso wie der erst 27-jährige Dirigent, neuer Erster Kapellmeister, welcher die Musik, für Orchester und Ensemble eine veritable Herausforderung, so herrlich zum Blühen brachte.

Eine ständige Herausforderung aber auch für die Zuschauer ist die sehr hoch angebrachte Übertitelanlage, vor allem in einem solchen Stück, wo man den Text schon gerne mitlesen möchte. Daher unbedingt vorab den Inhalt gut studieren und möglichst erst ab Reihe 10 Karten kaufen. Oder noch besser – und das geht jetzt an das Opernhaus selbst: rechts und links neben der Bühne zwei große Monitoren anbringen für die vorderen Reihen (wo die Opernbesucher eh mehr bezahlen). Der Aufwand dafür dürfte gering sein, unabhängig von der Diskussion um Neubau oder Generalsanierung des Hauses.

Unabhängig davon: ein großer Opernabend war zu erleben, der möglichst viele Menschen begeistern sollte.

Besuchte Aufführung: 4. Mai 2019

Fotos: Thilo Beu

eee.theater-bonn.de

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