Theater

Entzückend: Reyhan Kiz – Das Basilikummädchen

Ein poetischer Bilderbogen für Menschen ab 8

 

Von Michael Cramer

Der Orient, südlicher Teil der alten Welt, ist nicht nur bekannt für exotische Gewürze und Tänze, sondern auch für seine Märchen, voll von Poesie und Fantasie. Man denke nur an den Seefahrer Sinbad, an die Wunderlampe des Aladdin oder an “Ali Baba und seine vierzig Räuber”. Diese Geschichten dienen aber nicht nur der vordergründigen Unterhaltung, sondern enthalten ganz wesentliche Themen über das Zusammenleben der Menschen, über deren charakterliche Eigenschaften, über die Stellung des Einzelnen und speziell der Frau in der Gesellschaft. Und handeln natürlich über die Liebe. Ein solches uraltes Märchen ist die Geschichte vom Basilikummädchen, der Tochter einer Gärtnerin, die sich in den Sohn eines hochgestellten Bey verguckt hat. Dieser verkleidet sich als Fischer, um als Lohn für einen besonderen Fisch seine Angebetete auf eine Wange küssen zu dürfen. Seinen Wunsch, auch die andere Seite küssen zu dürfen, beantwortet sie mit einem Hieb auf sein Hinterteil.

Seine Mutter riet ihm für diese Schandtat als Bestrafung: „Du musst sie heiraten“, was im Theater einen deutlichen Heiterkeitserfolg bewirkte. In der Hochzeitsnacht will sie verschleiert bleiben und verweigert sich ihm, dafür sperrt er sie  in ein Erdloch. Trotzig reist er mit seinem Diener an den Nil, aber sie mit ihrer Dienerin hinterher, da sie immer bei ihm bleiben will. Aber als Tuareg verkleidet mit blauem Gesichtsschleier erkennt der Beysohn sie nicht. Bei einem Schachspiel gewinnt er, und bekommt dafür die schönste Sklavin des Tuareg für eine Nacht – die sie natürlich selbst ist. Und die er anschließend überall verzweifelt sucht. Wieder in ihrem Erdloch bekommt sie pünktlich nach neun Monaten ein Kind und verrät dem Beysohn die ganze Geschichte, die dann gründlich gefeiert wird.

Dieses traditionelle türkische Volksmärchen hat die Schauspielerin und Regisseurin Irmgard Paulis (75) zum ersten Mal 1992 inszeniert: Mit wunderbar spielerischer Fantasie, aber auch mit großem Ernst. Angekündigt für „Menschen ab 8“ – das stimmt überhaupt nicht, dieser poetische Bilderbogenwie sowie die überaus entzückende Inszenierung gefällt Menschen jeden Alters, wie der begeisterte Applaus zweifellos belegte. Und der sicher auch so manches verstohlenes Tränchen provoziert haben dürfte. Petra Korink hat eine vielseitige, schnell zu ändernde Bühne ersonnen, einen begehbaren Sandhügel, obendrauf als Gärtnerei und vorne aufklappbar mit Sicht in das Erdloch mit geheimem Ausgang und später als Beduinenzelt bei den Tuareg. Da musste man erst einmal genau hinschauen, denn das Stück begann im Dunkeln mit Musik auf der Ut, einem traditionellen arabischen Saiteninsetument und mit einer Trommel, während des ganzen Stückes stimmungsvoll und passend gespielt von Deniz Köseoğlu und Feramuz Sancar, dem künstlerischen Leiter vom der „Bühne der Kulturen“. Dieses hoch angesagte Multi-Kulti-Theater aus Köln-Ehrenfeld ist seit 2 Jahren nach einem Streit mit dem Vermieter heimatlos und spielt auch in Berlin, Hamburg und nach einer Vorpremiere in Frankfurt nun auch in der Kölner Comedia. https://www.kulturcram.de/2017/06/ein-langsames-theatersterben-mit-passendem-stueck-etwas-echtes-waere-schoen/

Viel zu sehen gibt es: Originelle und originale orientalische Kleidung, eine prächtig geschmückte Bauchtänzerin, einen virtuosen, dramatischen Kung-Fu-Kampf mit Krummdolchen zwischen dem Beysohn und dem vermeintlichen Tuareg, die traditionellen Hochzeitsvorbereitungen: Er lässt sich gründlich rasieren, die Braut wird von ihrer Mutter eingekleidet und geschminkt – mit dem Hochzeitsparfüm wird auch die erste Zuschauerreihe gründlich bedacht. Und auch viel zu lernen: Die aufgeklärte Tochter soll selbst entscheiden, ob sie den Beysohn heiraten will. Und trägt kein Kopftuch, ist – weg von den überkommenden Rollenbildern – sehr selbstbewusst und sehr sportlich, witzig und klug. Und stellt die Unterordnung der Frau ganz gehörig und fantasievoll in Frage. Gütige Verzeihung wird demonstriert und respektvoller Umgang mit dem anderen Geschlecht.

Die wundervolle Inszenierung lebt von der fabelhaften und hoch präzisen Choreografie mit Tanz, Gesang und Musik, und von der ausdrucksstarken Mimik und brillanten Darstellung der sechs Akteure, die mit enormer Spielfreude und Perfektion diese Geschichte erzählen. Daher ganz großes Lob für Miriam Jincharadze, Emre Kubat, Kadir Zerek, Burcin Keskin, Meryem Kulaber und Pinar Güven.

Es lohnt sehr, im Netz bzw. bei Facebook nach Folgeaufführungen zu forschen, voraussichtlich im Herbst in Frankfurt und Köln.

Premiere in Köln am 20.4.2019, leider nur 3 Vorstellungen

Hier der reizvolle Flyer: http://bdk.koeln/basilikum/Koeln-flyer.pdf

https://www.comedia-koeln.de/

www.buehnederkulturen.de (Zentrale in Frankfurt)

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