Blendendes “Rossini-Festival” im Staatenhaus
Blendendes „Rossini-Festival“
„La Cenerentola“ im Kölner Staatenhaus
2003 hatte Thorsten Fischers Inszenierung von Rossinis „La Cenerentola“ im Opernhaus am Offenbachplatz noch für Begeisterungsstürme gesorgt. Dort hatte sich Angelina, das Aschenbrödel, in die Welt der Popstars und des Showbusiness geträumt und Scott Hendricks als Diener Dandini brillierte mit einer hinreißenden Michael Jackson-Popnummer. Was durfte man da von einer als konzertant angekündigten Aufführung im StaatenHaus erwarten?
Als Zuschauer rieb man sich von Beginn an die Augen, hatte doch die Regieassistentin Eike Ecker, im Programm lediglich als „Abendspielleiterin“ tituliert, aus der Not eine Tugend gemacht. Mit sparsamsten Mitteln lässt sie von Beginn an ein Feuerwerk der vergnüglichsten Einfälle und turbulenten Verwicklungen abbrennen; „konzertante Aufführung“ war stark untertrieben. Die Sängerschauspieler folgen ihr dabei mit immenser Spielfreude und hinreißender Komik. Angelina und Don Ramiro, der als Prinz auf der Suche nach einer Braut ist, sich dabei aber als Diener ausgibt, haben die Arbeitsmontur von Bühnentechnikern der Kölner Bühnen übergestreift; allein dadurch scheinen sie füreinander bestimmt zu sein.
Die Schwestern Cenerentolas kontrastieren schon äußerlich in ihren grell bonbonfarbenen Abendkleidern mit dem bescheidenen Outfit ihrer Stiefschwester. Xenia Lassak war verantwortlich für die Kostüme; auch sie ist nur als „Kostümassistenz“ bezeichnet. Oberflächlich und geltungssüchtig fallen sie auf das Täuschungsmanöver hinein und umgarnen Dandini, der sich als Prinz Don Ramiro ausgibt und im Frack den Mann von Welt spielt.
Sie werden von ihrem Vater, einem verarmten Adeligen, unterstützt und angetrieben, der in dem Libretto von Jacopo Ferretti die Rolle der bösen Stiefmutter einnimmt. Auch sonst hat Ferretti den bekannten Märchenstoff abgewandelt; die Rolle der Fee übernimmt nun der als Bettler verkleidete Alidoro, der Philosph und Lehrmeister Don Ramiros. Der Prinz sucht auch nicht mehr den verlorenen Pantoffel, sondern er erkennt die unbekannte Schöne auf dem Ball im Hause des Don Magnico aufgrund eines Armreifens. Das alles wird von Eike Ecker wunderbar in Szene gesetzt, wobei die sich je nach Stimmung verändernde Beleuchtung den Bühnenhintergrund in den schönsten Farben erstrahlen lässt, sodass man ein Bühnenbild überhaupt nicht vermisst.
Dieses Konzept wäre sicherlich nicht aufgegangen ohne das exzellente Ensemble spielfreudiger Sängerinnen und Sänger, die kaum einen Wunsch offen lassen. Bei den Damen gebührt die Krone der Titelheldin, Adriana Bastidas Gamboa. Mit ihrem wunderbar dunkel timbrierten Mezzosopran singt sie das traurige Lied vom König, der sich eine Frau ohne Ansehen ihres Standes wählte, mit großer Einfühlsamkeit. Diese einzige Melodie in Moll kehrt als Leitmotiv immer wieder, die Handlung ist daher nichts als die Einlösung dessen, was im Lied bereits vorweggenommen ist. Daneben verfügt Adriana auch über die notwendige „Gurgel“, um die halsbrecherischen Koloraturen Rossinis wie Perlen glitzern zu lassen. Die Schlussarie der Angelina, in der sie den Prinzen um Vergebung für ihre Stiefschwestern und ihren Stiefvater bittet, bildete den fulminanten Abschluss eines musikalisch wunderbaren Abends. In den Rollen der Stiefschwestern brillierten mit Judith Thielsen und Dongmin Lee zwei Sängerinnen des herausragenen Kölner Opernstudios. In Spielfreude und Gesangskunst brauchten sie den Vergleich mit ihrer arrivierten Kollegin und ihren Kollegen nicht zu scheuen.
Bei den Männern überragte Carlo Lepore in der Rolle des bösen Stiefvaters. Wer im Publikum das Glück hatte, in den ersten Reihen zu sitzen, konnte sich allein am Mienenspiel dieses genialen Singschauspielers ergötzen. Das Publikum feierte jedenfalls Lepore zu Recht für sein komödiantisches Spiel und seine sängerische Extraklasse.Andrei Bondarenko, ursprünglich in dieser Spielzeit für die Rolle des Onegin vorgesehen, stand Lepore als Dandini kaum nach. Der noch nicht einmal 30jährige junge Bariton hat eine große Karriere vor sich und steht in den bedeutendsten Opernhäusern der Welt auf der Bühne. Man darf sich schon jetzt auf seine Interpretation des Guglielmo in Mozarts „Così fan tutte“ freuen, die ab 12. Mai 2016 im Staatenhaus als Wiederaufnehme zu hören ist. In der Titelpartie überzeugte der junge sizilianische Tenor Enea Scala, der die extrem schwierige dreiteilige Arie „Si, ritrovarla io giuro“ im 2. Akt mit gleißenden Spitzentönen und wunderbarem Parlando in der Mittellage meisterte. Bjarni Thor Kristinsson, einer der Kölner Publikumslieblinge, verlieh dem Philosophen und Lehrer Don Ramiros mit stimmgewaltigem Bass und herrlicher Komik das nötige Gewicht.
Am Pult des vorzüglichen Gürzenichorchesters und als Interpret am Hammerklavier präsentierte sich mit Alexander Sodby der zukünftige GMD der Oper Mannheim. Nach einigen Wacklern zu Beginn versprühte er mit den Musikern des Gürzenichorchesters einen schwebenden, fein geschliffenen Rossini-Sound und befeuerte die Sängerinnen und Sänger zu einer Leistung, die den Rossini-Festspielen in Pesaro zur Ehre reichen würde.
Das Publikum dankte allen Beteiligten mit lang anhalten Ovationen, ein besonderer Applaus galt der bescheidenen Eike Ecker, die von Kristinsson für den Applaus fast auf die Bühne gezerrt werden musste. Sie hat mit dieser Aufführung bewiesen, dass man auch mit sparsamsten Mitteln eine das Publikum verzaubernde Inszenierung auf die Bretter stellen kann. Da fragt sich vielleicht so mancher, ob der jahrelange und teure Umbau der Oper überhaupt Sinn macht und das Gebäude nicht doch an arabische Investoren verscherbelt werden sollte, wie die WRD-Lokalzeit am 1. April „ernsthaft“ berichtete. Mein heißer Tipp: Diese „Cenerentola“ in Köln sollte man sich keinesfalls entgehen lassenv