Musik

Elektra: Krimi und ganz große Oper am Rhein in Düsseldorf

 

Von Michael Cramer

Den Halbsatz “aus unserem Ensemble” hörte man bei der Premierenfeier nach jedem der vorgestellten Akteure: Der Düsseldorfer Intendant Christoph Meyer war sichtlich stolz auf seine Sänger, die soeben eine bravouröse Premiere hingelegt hatten. Zu Recht, hatte man doch in der Rheinoper ein unglaubliches Stimmenfest erlebt, dazu mit einem opulenten Orchesterklang in voller Besetzung aus dem vergrößerten Graben.

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Kindsmord, der Anfang vom Ende

Zwei Jahre nach der Premiere im kooperierenden Grand Théâtre de Genève nun die Elektra in Düsseldorf. Die Inszenierung samt Bühnenbild und Kostümen war eins zu eins aus Genf übernommen und hier bereits besprochen worden. Elektra hat für Düsseldorf eine besondere Bedeutung, wurde doch das Haus 1956 mit diesem Werk eingeweiht.

Nun kann man Bühnenbild und Ausstattung unter derselben Regie, aber mit anderen Protagonisten durchaus ganz unterschiedlich erleben. Regisseur Christoph Nel hat ein tiefgründiges, düster schwarzes Kammerspiel inszeniert, mit wenigen optischen Lichtblicken: Chrysothemis in bravem weißen Kleidchen, Klytämnestra in kräftigem Blau, Elektra im Gammellook, der Rest in schwarz. Trauer und Verzweiflung, Hass und Vaterliebe. Hass und Muttermordgedanken brauchen keine weit ausufernde Agogik, sondern nur eine knappe Personenführung in einem ebenso kargen Raum. Da konnte man das sich drehende schwarze hohle Haus mit leeren Fenstern und gehörigen Mauerrissen als Burg, Turm, Ruine eines Palastes oder auch Gefühls-Gefängnis, fast als Hauptperson verstehen (Bühne von Roland Aeschlimann). Die Handlung spielte sich fast nur außerhalb ab, der schwarze Koloss dreht immer wieder Personen, Handlungsteile und damit andere seelische Zustände nach vorne. Ein ewiges Kreisen um Rache und Schuld in einem geschlossenen System. Zum Tod von Elektra brechen Mauerteile ein, optisches Zeichen des Atridenfluches, der sich seit Tantalus über alle Generationen hinzog und weiter ziehen wird.

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Konflikt der Schwestern

Strauss hatte mit Elektra den Klangapparat ins Extreme gesteigert und wurde sogar als “Orchesterlärm-Terrorist” verspottet. Die damaligen Kritiker hatten schlichtweg keine Sensibilität für die ungeheure Vielfalt seiner Musik an Farben, Klängen, Schillern und Glitzern. Axel Kober, GMD des Hauses, hat seinen fast 100 Musikern eine klanggewaltige, lyrische, subtil-sinnliche wie erschütternde Interpretation des gewaltigen Werkes abverlangt, schroffe Phasen, Dissonanzen, ein Rausch an Gefühlen, Erschütterung, Liebe und Hass. Breit und ungetrübt, oft fast zu kräftig ergoss sich der Orchesterklang ins Parkett, zu Recht gab es dankende Worte des Intendanten an die Stadt für die Umbauarbeiten.

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Planung des Muttermordes

Und dann die Sänger. Das Haus kann sich glücklich schätzen, eine derartig exzellente Aufführung nur mit eigenen Kräften stemmen zu können. Hier eine qualitative Abfolge von Klytämnestra (Renée Morloc), Elektra (Linda Watson) und Chrysothemis (Morenike Fadayomi) aufzulisten, ist verfehlt; zu nah war man sich in Stimmgewalt, Ausdruck und Bühnenpräsenz. Der kräftige und ausdauernde Mezzo von Renée Morloc schimmerte in vielen Farben, vermochte das Gefühlsleben der Gattenmörderin überzeugend zu charakterisieren. Die bayreutherfahrene Linda Watson setzt ihrer gewaltige Stimme stilsicher ein, trauernd, verzweifelnd, auf Rache sinnend, im Wahnsinn und mit abgrundtiefem Hass. Morenike Fadayomi als ihre Schwester blieb stimmlich anfangs vielleicht ein wenig unter ihren Fähigkeiten, hatte dann aber auch sehr starke Momente. Orest punktete mit mächtiger fließender Stimme und wunderbarem Timbre, ergreifend das Treffen des Totgeglaubten mit seiner Schwester. Wolfgang Schmidt als Aegist ebenso wie die Sänger der kleineren Rollen sowie der Chor waren ohne Tadel.


FAZIT: Musikalisch und sängerisch eine ganz große Aufführung einer großen Oper, ein würdiger Auftakt einer hoffnungsvollen Saison.

Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Christof Nel
Chor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Sinfoniker
Kooperation mit dem Grand Théâtre de Genève
Premiere am 22. September 2012 im Opernhaus Düsseldorf

Fotos: Hans-Jörg Michel

 

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