Theater

Harte Kost etwas weichgeklopft : Borcherts “Draußen vor der Tür” in der Außenspielstätte Köln

Von Michael Cramer

„Draußen vor der Türe“ – das hatten wir ja früher bereits, vor 60 Jahren in der Schule als Pflichtlektüre. Vom Mann, der aus dem Krieg kommt, der einen Anderen im Bett seiner Frau findet und der keine Heimat mehr hat, der vor dem Nichts steht – ist das überhaupt noch ein Thema für uns? Und erst recht für unsere Jugend? Nun ist die heutige politische Situation im Ausland, wo Deutschland engagiert ist, nicht gerade friedlich, zahllose Geflüchtete, darunter sicher auch ehemalige Soldaten, suchen Schutz bei uns. Also durchaus Parallelen zu Borcherts Stück. Die Fremden in Deutschland sind nicht weit weg von Beckmann, dem „Helden“ des Stücks, dem man im Krieg vielleicht den Vornamen weggeschossen hat. Er hat Probleme mit seiner Verantwortung und seinem vermeintlichen Versagen, er ist obrigkeitshörig, hoffnungslos, hat keine Perspektiven für die Zukunft. Aber er hat den Krieg überlebt, kommt schwer krank nach Hause, mit einer zerschossenen Kniescheibe, im abgewetzten Soldatenmantel und mit einer Gasmaske als notwendige Brille. So bei Borchert.

Gespannt durfte man sein, wie die junge Regisseurin Charlotte Sprenger (geb. 1990), die bereits 3 Jahre als feste Regieassistenz am Schauspiel Köln mit mehreren eigenen Produktionen abgeleistet hat und inzwischen als freie Regisseurin tätig ist, mit dem schwierigen Stück umgeht. Mit dem die Nachkriegs-Dramatik wieder anfing, aber nicht mit einem Neuanfang, sondern mit dem Untergang des Beckmann. Auch Borchert hat die Nachkriegszeit nicht überlebt, er starb mit 26 Jahren wohl an einer verschleppten Hepatitis am Tage vor der Uraufführung des Dramas. Sprenger hat in einem irrationalen Bühnenbild mit einfachen Campingzelten und unter einer riesigen Kunststofffolie (die sich gegen Ende als bedeckender Schleier über alles Geschehnis legt) den Beckmann wohl als fast Ertrunkenen dargestellt, mit vom Elbewasser grüner Haut, mit schicker Schlaghose, ohne die bekannte Brille. Er hatte vor, sich in der Elbe ertränken, die ihn aber nicht wollte. Oder vielleicht doch ? Sodass er das Folgende nur als Traum, im Nahtod erlebt ? Dröhnende Bässe einer heftigen Musik und heftig jubelnder Applaus irritieren. Soll das Stück etwa als eine Revue, als TV-Show präsentiert werden ?

Sprenger hat die Figuren des Einbeinigen, des Anderen und des Oberst von Schauspielerinnen aus drei Generationen dargestellt, dazu kommt noch eine etwa 10jährige, die ihren Part mit großem Selbstbewusstsein und erstaunlicher Sicherheit darstellt. Nur – ohne das Textbuch, der Presse vorab per Mail zur Verfügung gestellt, ist der innere Zusammenhang kaum nachvollziehbar. So spricht Laura Friedmann die Elbe, Sabine Orléan den Anderen, Margot Gödrös das Mädchen (auch mal von Friedmann oder Orléan gesprochen), Sabine den Einbeinigen, und sehr eindrucksvoll den Oberst, den Beckmann beim Essen stört. Und Margot den Beckmann, der dem Oberst seinen schlimmen Traum erzählt, im Wechsel dann wieder Sabine und Elias. Das dürfte für den „normalen“ Theaterbesucher kaum nachzuvollziehen sein ohne Textbuch. Die kleine Ida Fayl  (im Wechsel mit Ruth Grubenbecher) spricht den Direktor, natürlich auch  in keiner Weise kindgerecht.

Beim Nachlesen des Textes kommt eine gewisse Beklemmung hoch: Warum hat Sprenger das Stück so sehr verformt?  Passt diese Verharmlosung überhaupt zu Borcherts Intention des verprügelten Außenseiters, vom Mann, der zurück aus Stalingrad draußen vor der Tür bleiben muss  ? Oder warum muss der Gauland´sche Spruch von Hitler als „Vogelschiss in 1000 Jahren ruhmreicher Deutscher Geschichte“ in dem eigentlich unpolitischen Stück zitiert werden ?

Glücklicherweise gibt es schauspielerisch sehr eindrucksvolle Szenen, etwa wenn der Oberst zynisch schwadroniert von Verantwortung und Beckmann die Schuldigkeit für die Toten nicht abnehmen will ? Oder wenn Frau Kramer, von Ida gesprochen, den schlimmen Antisemitismus von Beckmanns Eltern schildert, die deswegen Selbstmord begangen haben ?  Oder im Schlussmonolog von Beckmann (auch wieder gesprochen von Sabine, Laura und Elias, der aufschreit und mit sich und der Situation nicht fertig wird. Da hilft es auch wenig, wenn der Andere, wieder gesprochen vom Kind, besänftigend meint, das Herz der ahnungslosen Menschen wäre gut, sie hätten halt nur Pech.

Die Schauspieler wurden einhellig bejubelt für ihre überzeugende Leistung, auch das Produktionsteam konnte keinerlei Missfallen vernehmen. Ob alle Zuschauer mit der Inszenierung wirklich einverstanden waren, sei dahingestellt; bei der Premierenfeier gab es auf jeden Fall reichlich Diskussionsstoff.

Nachsatz: Hat man eigentlich darüber nachgedacht, den Text parallel auf den Monitoren darzustellen zur besseren Erkenntnis, wer gerade welche Rolle spricht?

Premiere am 26.10. 2018

Laura Friedmann
Margot Gödrös
Ida Fayl, Ruth Grubenbecher
Bühne, Licht: Matthias Singer
Bühne, Kostüm: Aleksandra Pavlović
Musik: Julian Stetter
Dramaturgie: Sarah Lorenz

Fotos: Ana Lukenda

 

 

Kommentare deaktiviert für Harte Kost etwas weichgeklopft : Borcherts “Draußen vor der Tür” in der Außenspielstätte Köln